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Deutschland fordert Ende der Schweizer AKWs

Blick durch Schilf am Ufer übers Wasser in Richtung eines Atomkraftwerks.
Streitpunkt AKW Beznau: Das erste Atomkraftwerk der Schweiz liegt nahe der deutschen Grenze. Keystone / Alessandro Della Bella

Das deutsche Umweltministerium fordert die Schweiz auf, das AKW Beznau abzuschalten. Wird das 50 Jahre alte Atomkraftwerk zum nächsten Knackpunkt im deutsch-schweizerischen Verhältnis?

Absenderin des deutlichen Briefes nach BernExterner Link ist die Staatssekretärin im Berliner Bundesumweltministerium Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD). Die Südbadenerin fordert in ihrem Schreiben an die Schweizer Umweltministerin Simonetta Sommaruga nicht nur, neben Beznau auch den Betrieb der übrigen Schweizer AKW zeitnah einzustellen.

Sie hält es darüber hinaus für «zwingend, dass die Schweiz bei Entscheidungen über längere Laufzeiten ihrer Atomkraftwerke die Bevölkerung ihrer Nachbarstaaten einbezieht». Soll heissen: Die Entscheidung über eine Energieform, die im Fall eines Unfalls in der Anlage auch die deutsche Bevölkerung massiv gefährden könnte, sollte nicht allein der Schweiz obliegen.

Somit wächst die Liste der Konfliktthemen zwischen Deutschland und der Schweiz. Dabei braucht die Schweiz die Fürsprache des grossen Nachbarn in den schwierigen Gesprächen mit der EU. Die Verhandlungen mit Brüssel über das Rahmenabkommen, das die bilateralen Verträge zwischen der EU und der Schweiz überspannen soll, befinden sich weiter in der Schwebe.

Noch ist unklar, was von der designierten deutschen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in dieser Hinsicht zu erwarten ist und welche Rolle sie in der ausstehenden Lösung des Konflikts spielen wird. Eine weitere Baustelle in den Beziehungen kommt daher sehr ungelegen.

Fluglärm, Güterverkehr und Atomkraftwerke

Zur Erinnerung: Noch immer steht zudem eine Einigung aus, wie sich die von Zürich-Kloten ausgehende Fluglärmbelastung für die deutschen Nachbarn reduzieren lässt. Der diesbezügliche Staatsvertrag zwischen Bern und Berlin liegt wegen Bedenken von deutscher Seite seit Jahren unvollendet auf Eis.

Beim Ausbau der Rheintalstrecke im Zuge der neuen Alpentransversale NEAT ist wiederum die deutsche Seite massiv im Verzug, was in der Schweiz für Unmut sorgt. Durch die NEAT soll der Güterverkehr zwischen Rotterdam und Genua auf die Schiene verlagert werden – doch der verzögerte Ausbau in Baden blockiert das Projekt.

Im Kern ist die Kritik von deutscher Seite an den langen Laufzeiten der Schweizer AKW und ihren vermeintlichen Risiken nicht neu. Bisher kam sie aus Baden-Württemberg und insbesondere den grenznahen Regionen, wo man sich seit langem um die Sicherheit der nahen Schweizer Atommeiler sorgt.

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Grenznaher Wahlkreis

Dass nun aber ein Bundesministerium auf höchster Ebene eine deutliche Aufforderung zur Stilllegung nach Bern sendet, verleiht dem Konflikt Brisanz – und hat wohl auch mit dem Absender zu tun.

Rita Schwarzelühr-Sutters Wahlkreis im badischen Waldshut grenzt unmittelbar an die Schweiz. Bereits vor zwei Jahren forderten sowohl sie – damals in ihrer Rolle als SPD-Bundesabgeordnete – als auch der baden-württembergische Umweltminister Franz Untersteller (Grüne), die Schweiz auf, ihre Atommeiler nahe der deutschen Grenze abzuschalten.

Neben Beznau befinden sich auch die AKW Gösgen und Leibstadt in unmittelbarer Nähe der deutschen Nachbarn. Sorgen bereitet Schwarzelühr-Sutter zudem die Schweizer Suche nach einem Endlager für radioaktiven Müll. Einer der drei möglichen Standorte liegt nahe der Grenze zu ihrem Wahlkreis. Die Informationen dazu von Seiten des Bundesamtes für Energie in Bern seien nicht ausreichend, moniert sie in dem Schreiben.

Berlin kritisiert lange Laufzeiten

«Grundsätzlich obliegt jedem Staat natürlich die souveräne Entscheidung über seinen Energiemix», bekräftigt eine Sprecherin des BMU auf Anfrage von swissinfo.ch. Doch die alten Schweizer AKW beunruhigten die in Grenznähe lebenden Deutschen. «Wir nehmen die Sorgen der Bevölkerung sowie den Schutz derselben sehr ernst», betont sie.

Vor diesem Hintergrund habe das Bundesumweltministerium in der Vergangenheit bereits unter anderem Frankreich gedrängt, Reaktorblöcke stillzulegen. Diese Fälle seien jedoch, so räumt die Sprecherin ein, nicht vergleichbar mit der Bitte an Bundesrätin Sommaruga, sich für die schnellstmögliche Abschaltung des AKW Beznau einzusetzen.

Beznau

Das nahe der deutschen Grenze gelegene AKW Beznau ist eines der ältesten Atomkraftwerke der Welt und das erste der Schweiz.

Sein Block 1 ging vor 50 Jahren ans Netz und wurde 2018 nach einer drei Jahre langen Überprüfung des Reaktordruckbehälters wieder in Betrieb genommen. Block 2 startete 1971. Beide Blöcke besitzen eine unbefristete Betriebsbewilligung.

Eigentümer und Betreiberin ist die Axpo AG.

Das deutsche Umweltministerium stösst sich insbesondere daran, dass die Schweizer Betreiber Beznau trotz seines Alters voraussichtlich zehn weitere Jahre in Betrieb halten wollen. Das AKW hat eine unbegrenzte Betriebserlaubnis und könnte damit insgesamt 60 Jahre lang am Netz sein. Berlin sieht solch lange Laufzeiten wegen der damit verbundenen Risiken «äusserst kritisch».

Der deutsche Bundestag hatte seinerseits im Sommer 2011 nach dem Atomunglück von Fukushima den Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen und die Regellaufzeit der deutschen AKW auf 32 Jahren beschränkt. Der letzte deutsche Reaktor soll Ende 2022 vom Netz gehen. Weltweit liegt die Regellaufzeit laut BMU bei rund 40 Jahren und damit 20 Jahre unter jener in der Schweiz.

Vom Brief «Kenntnis genommen»

Das Bundesamt für Energie (BfE) in Bern reagiert auf Anfrage von swissinfo.ch gelassen auf die Kritik aus Berlin: «Das UVEK hat vom Brief Kenntnis genommen», so Marianne Zünd, Leiterin der Abteilung Medien und Politik beim Bundesamt für Energie, das zum Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK gehört.

Zünd stellt klar, dass die Schweizer Atomkraftwerke «gemäss Kernenergiegesetz solange am Netz bleiben wie ihr sicherer Betrieb gewährleistet ist». So habe es die Schweizer Bevölkerung entschieden.

2016 stimmte eine Mehrheit gegen die Atomausstiegsinitiative, im Mai 2017 nahm sie die Energiestrategie 2050 an. Diese enthält zwar ein Verbot, neue Atomkraftwerke zu bauen, nennt jedoch keine festen Abschaltdaten für die bestehenden Anlagen. Die Botschaft: In der Schweiz orientiert man sich an Volkes Wille und nicht an den Bedenken der Nachbarn.

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