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Schweiz gibt Steuerprivilegien für Holdings auf

Multinationale Konzerne wie Starbucks, Apple, Google oder Fiat nutzen Gesetzeslücken so geschickt aus, dass sie kaum Steuern zahlen. Jetzt wollen die OECD und die EU den Steuerprivilegien ein Ende setzen. Mike Blake / Reuters

G20, OECD und EU sind sich im Prinzip einig: In Zukunft soll es keine Steuerschlupflöcher für multinationale Unternehmungen mehr geben. Daher sollen neue Standards für alle Länder eingeführt werden. Auch die Schweiz  beugt sich dem internationalen Druck. Die Schweizer Regierung will bestehende Steuerprivilegien für ausländische Firmen abschaffen.

Ab 2017 werden multinationale Unternehmungen ihre Steuern in dem Land bezahlen müssen, in dem sie tatsächlich operativ tätig sind. Sämtliche Möglichkeiten sollen unterbunden werden, Steuern zu umgehen oder zu vermeiden. Zumindest ist dies das Ziel des Aktionsplans «Base Erosion and Profit Shifting» (BEPS), der von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ausgearbeitet wurde und von der Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20)  sowie der Europäischen Union (EU) unterstützt wird.

Der Aktionsplan BEPS steht für eine historische Wende in der internationalen Zusammenarbeit in Steuerfragen. Angestrebt wird die Einführung von globalen Standards, welche die Schlupflöcher einiger nationaler Gesetzgebungen definitiv stopfen. Diese ermöglichen es heute vielen multinationalen Unternehmen, ihre Steuerverpflichtungen zu minimieren und damit das Gesamtsteueraufkommen auszuhöhlen. Nach EU-Schätzungen gehen allein dem Fiskus der EU-Staaten so jedes Jahr 1000 Milliarden Euro an Steuereinnahmen verloren.

«Beim Aktionsplan BEPS  handelt es sich um ein sehr ehrgeiziges Projekt. Mit diesem Massnahmenpaket will die OECD die systemischen Grundlagen der internationalen Besteuerung radikal ändern. Doch muss man noch sehen, wie dieser Plan umgesetzt werden kann, insbesondere angesichts einiger Verwässerungsstrategien, vor allem von Seiten der USA», sagt René Matteotti,Externer Link Dozent für internationales Steuerrecht an der Universität Zürich.

Kampf den Steuertricks

Im Moment existieren weltweit mehr als 3000 unterschiedliche bilaterale Verträge, welche die Besteuerung von grenzübergreifend tätigen Unternehmungen regeln. Ursprünglich verfolgten diese Verträge das Ziel, eine Doppelbesteuerung der multinational tätigen Firmen zu vermeiden, doch mittlerweile dienen sie den Firmen laut OECD vor allem zur Steueroptimierung oder sogar zur totalen Vermeidung von Steuern.

Während national tätige Unternehmungen im Schnitt 20 bis 30 Prozent ihrer Unternehmensgewinne an den Fiskus abliefern, kommen multinationale Unternehmungen mit grossem Know-how in Steuerfragen auf gerade mal  5 Prozent.

Um  solch niedrige Steuern zu bezahlen, greifen die Unternehmungen auf eine ganze Reihe von Tricks zurück: Die OECD hat insgesamt 400 dieser Steuerpraktiken festgehalten. Dabei handelt es sich vor allem um hybride Gestaltungen, «übermässigen» Zinsabzug, das Ausnutzen von Abkommen, um Nichtbesteuerung zu erreichen («Treaty Shopping») und missbräuchliche Ausgestaltung der Verrechnungspreise.

BEPS

Beim Aktionsplan BEPS (Base Erosion and Profit Shifting – «Aushöhlen der steuerlichen Bemessungsgrundlage und Gewinnverlagerung») handelt es wohl sich um die tiefgreifendsten Änderungen und Modernisierungen im internationalen Steuerrecht der letzten 100 Jahre.

Die 1923 im Rahmen des Völkerbundes ausgearbeiteten Normen des internationalen Steuerrechts wurden immer nur leicht modifiziert und haben sich nie den Praktiken der Grosskonzerne und multinationalen Unternehmungen angeglichen.

Dank der neuen Kommunikationstechnologien, der fortschreitenden Liberalisierung und dem zunehmenden Kapitalfluss haben diese Unternehmungen ihre grenzüberschreitenden Aktivitäten in den letzten Jahren intensiviert.

Die OECD hat im September ein erstes BEPS-Massnahmenpaket präsentiert, das eine Harmonisierung des internationalen Steuersystems ab 2017 zum Ziel hat. Der gesamte Aktionsplan wird für 2015 erwartet.

Die OECD  hat im September ein erstes Massnahmenpaket präsentiert, das eine Harmonisierung der Steuerprinzipien vorsieht, aber auch die Einführung von neuen Modellen gegen die Doppelbesteuerung, um die bestehenden Schwachstellen auszumerzen und Möglichkeiten der Gewinnverlagerung zwischen den Ländern zu unterbinden.

Zudem zielt der Plan darauf ab, mehr Transparenz bei den grenzüberschreitenden Aktivitäten der Multis zu schaffen. Die Konzerne sollen insbesondere verpflichtet werden, ihre Steuergestaltungen offenzulegen.

Schädliche Steuerpraktiken

«Das Ziel dieser Anstrengungen ist es, die Gewinne der multinationalen Firmen in den Ländern zu versteuern, in denen sie erzielt wurden. Das heutige Problem ist, dass die Steuerbehörden diesbezüglich keine ausreichenden Informationen haben. Der Aktionsplan BEPS setzt auf mehr Transparenz: Zum einen müssen Unternehmen demnach automatisch Informationen liefern, etwa zu ihren Steuerverhältnissen in anderen Ländern, und andererseits müssen die verschiedenen Länder diese Informationen untereinander austauschen und spontan Amtshilfe in Steuerfragen leisten“, sagt René Metteotti.

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Der Aktionsplan wendet sich auch gegen «schädliche Steuerpraktiken», die von vielen Staaten angewendet werden, um multinationale Firmen anzuziehen. Häufig können diese von privilegierten Steueransätzen profitieren. Die OECD hat dabei auch die so genannten «rulings» im Visier. Dabei geht es um die vorgängige Einigung zwischen Ländern und Unternehmungen in Steuerfragen,  wie dies beispielsweise von Irland, Luxemburg und den Niederlanden praktiziert wird.

Dasselbe gilt für die Lizenzboxen («licence box“), die von Ländern wie Grossbritannien, den Niederlanden und Belgien angewendet werden. Es handelt sich um sehr vorteilhafte Steuerregimes für Erträge, die aus Patenten und anderen nicht-materiellen Gütern erwirtschaftet werden.

Ein Dorn im Auge der OECD sowie der EU sind bereits seit einiger Zeit  gewisse  Steuerpraktiken der Schweiz, insbesondere die kantonalen Steuerprivilegien für Holdings und ausländische Spezialgesellschaften, die in der Schweiz praktisch nur ihren Verwaltungssitz haben. Die Gewinne dieser Firmen werden wesentlich tiefer versteuert als Gewinne in gleicher Höhe von Schweizer Firmen. Auf Grund dieses Geschäftsmodells gelten einige Kantone als Steuerparadiese.

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Pragmatische Lösungen

Fast 10 Jahre lang hat die Schweiz dem Druck der EU standgehalten, die in diesen Steuerregimes für ausländische Firmen eine unzulässige Subvention der öffentlichen Hand sieht und damit eine Wettbewerbsverzerrung. Nun hat die Schweiz entschieden einzulenken. Ende September präsentierte die Schweizer Regierung die Unternehmenssteuerreform III, mit welcher auf die umstrittenen Steuerprivilegien für ausländische Unternehmen verzichtet wird.

Mitte Oktober hat die Eidgenossenschaft zudem einen Vertrag mit der EU unterzeichnet, worin versprochen wird, die umstrittenen Steuerregimes abzuschaffen, wenn die EU auf die angedrohten Retorsionsmassnahmen verzichtet.

Vor einigen Jahren hätte diese Position noch einen Sturm der Entrüstung von Seiten der Kantone, Wirtschaftsverbände und bürgerlichen Parteien ausgelöst.  Doch mittlerweile ist klar, dass die Schweiz – genauso wie beim Bankgeheimnis – sich den neuen internationalen Standards nicht entziehen kann. Die von der EU angedrohten Sanktionen standen kurz vor ihrer Anwendung und hätten für alle Unternehmungen in der Schweiz gravierende Konsequenzen gehabt.

«Aus rein rechtlicher Sicht hätte die Schweiz im Falle solcher Retorsionsmassnahmen auf ihre Souveränität in Steuerfragen pochen können und ein Schiedsorgan der Welthandelsorganisation (WTO) anrufen können. Aus politisch-ökonomischer Sicht kann es sich die Schweiz aber nicht erlauben, einen Status der Rechtsunsicherheit zu schaffen. Denn die Unternehmungen in einem Land brauchen diese Stabilität. Ich bin daher überzeugt, dass der Entscheid der Regierung, die Steuerprivilegien abzuschaffen, wenn der neue Standard für alle Länder gilt, pragmatisch war und in die richtige Richtung weist», hält René Matteotti fest.

Neue Unternehmenssteuerreform

Das Projekt der Unternehmenssteuerreform III (USR) sieht unter anderem vor, die kantonalen Steuerstatus für Holding-, Domizil- und gemischte Gesellschaften abzuschaffen.

Um einer Abwanderung dieser Gesellschaften zuvorzukommen, schlägt die Regierung vor, die Gewinnsteuern für alle Gesellschaften herabzusetzen (Schweizer und ausländische Unternehmungen), ausserdem neue Steuerungsinstrumente einzuführen, beispielweise eine Lizenzbox, so wie dies einige andere europäische Länder handhaben.

Für die zu erwartenden Steuerausfälle sollen die Kantone vom Bund mit einer Milliarde Franken pro Jahr entschädigt werden. Denn der Bund  wird von den Änderungen bei den Einnahmen via  direkte Bundessteuer profitieren.  Ein Teil des Gesamtbetrags soll durch die Einführung einer Kapitalgewinnsteuer aufgebracht werden

Der Bundesrat hat am 22.September 2014 die Vernehmlassung zur USR III eröffnet. Diese dauert bis zum 31. Januar 2015. Bei den weiteren Arbeiten sollen neben den eingegangenen Vernehmlassungsantworten auch die zwischenzeitlichen internationalen Entwicklungen berücksichtigt werden – etwa die Entwicklung beim Aktionsplan BEPS. 

(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

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