Schweizer Schattendiplomatie hatte kein Abkommen mit PLO
Die vom Bundesrat eingesetzte Arbeitsgruppe hat keine Hinweise auf ein Geheimabkommen zwischen der Schweiz und der palästinensischen Befreiungs-Organisation PLO gefunden. Auch die Ermittlungen zum Swissair-Flugzeugabsturz bei Würenlingen im Jahr 1970 seien nicht behindert worden, heisst es im Abschlussbericht der Arbeitsgruppe.
Zu diesen Schlüssen kommt die interdepartementale Arbeitsgruppe «1970» in einem Bericht, den der Bundesrat am 11. Mai zur Kenntnis genommen hat. Die Gruppe habe Zugang zu allen Dossiers erhalten, die sie einzusehen wünschte, so der Schlussbericht. Sie habe rund 400 Dossiers, die von den sechs Eidgenössischen Departementen und der Bundeskanzlei stammten, sowie verschiedene «Fichen» der Bundespolizei geprüft.
Ihre Recherchen stützte sie ausserdem auf Unterlagen aus dem Privatbestand von alt Bundesrat Pierre Graber, aus dem Archiv des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) sowie auf schriftliche Antworten des PLO-Repräsentanten Farouk Kaddoumi.
Gemäss dem Buch «Schweizer Terrorjahre» von NZZ-Reporter Marcel Gyr soll Graber mit Kaddoumi ein geheimes Abkommen geschlossen haben. Die Palästinenser sollen dafür gesorgt haben, dass die militanten palästinensischen Gruppen keine weiteren Anschläge auf Schweizer Ziele verübten. Die Schweiz soll der damals als Terrororganisation eingestuften PLO im Gegenzug per Handschlag Unterstützung auf internationalem Parkett zugesichert haben.
«Keine Quelle gefunden»
«Die Arbeitsgruppe hat nach Abschluss ihrer Recherchen, deren Umfang und Vorgehensweise im Bericht dokumentiert sind, keine Quelle gefunden, die ein Treffen zwischen Farouk Kaddoumi und Pierre Graber oder hochrangigen Bundesbeamten im September 1970 in Genf bestätigen oder glaubhaft erscheinen lassen», ist in einer Mitteilung der BundesbehördenExterner Link zu lesen. Nach Erkenntnissen der Arbeitsgruppe soll Kaddoumi erst 1976 erstmals in die Schweiz gereist sein.
Mit einer anonymen Quelle des Buchautors war kein Kontakt möglich. «Die Arbeitsgruppe ersuchte Marcel Gyr, die Glaubwürdigkeit jener Informationen zu verifizieren, über die dessen anonyme Quellen möglicherweise verfügten. Marcel Gyr lehnte dies jedoch ab», so die Mitteilung.
Vor 1970 war die Schweiz von mehreren Terroranschlägen betroffen gewesen. Der schwerwiegendste davon war der Bombenanschlag auf eine Swissair-Maschine, die im Februar 1970 bei Würenlingen im Kanton Aargau abstürzte, was 47 Menschen das Leben kostete. Gyr stellte in seinem Buch auch die Frage, ob das Abkommen einen Einfluss auf die Untersuchungen in dem Fall hatte.
Aus den konsultierten Dossiers hätten sich keine Hinweise auf eine mögliche, politisch motivierte Einflussnahme des Bundesrats auf das gerichtspolizeiliche Ermittlungsverfahren ergeben, heisst es in dem Bericht. Das bestätigte auch die ehemalige Bundesanwältin Carla Del Ponte, welche die Akten 1995 noch einmal hervorgeholt hatte. Nach eigenen Angaben wurden ihr bei den Untersuchungen keine Steine in den Weg gelegt.
Freilassung vorbereitet
Auch wenn es kein Geheimabkommen gab und die Ermittlungen nicht verschleppt wurden – Hinweise auf einen gewissen politischen Pragmatismus Grabers liefert der Bericht durchaus. Er befürchtete, dass die Palästinenser Terroranschläge verüben könnten, um die Freilassung von drei in Zürich inhaftierten Mitgliedern der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) zu erwirken.
Sein Departement versuchte daher, «sehr diskrete Kontakte zu palästinensischen Organisationen herzustellen, auch durch Vermittlung von Personen ausserhalb der Bundesverwaltung», wie es in dem Bericht heisst. Zudem verabschiedeten die Zürcher Behörden und die Bundesbehörden ein gemeinsames Dispositiv zur Freilassung der drei Gefangenen im Falle einer Geiselnahme.
Genau dieser Fall trat mit der Entführung einer Swissair-Maschine in die jordanische Wüste bei Zerqa ein. Die drei PFLP-Mitglieder wurden daraufhin freigelassen. Gemäss dem Bericht informierte Graber den Gesamtbundesrat über die getroffenen Vorbereitungen.
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