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Schweiz und EU sitzen wieder an einem Tisch

Einvernehmlich in der Sprachregelung: Rossier (links) und O’Sullivan vor den Medien in Brüssel. Keystone

Nach dem Sturm heisst es zurück an den Verhandlungstisch, wenn auch vorerst nur zu "Sondierungsgesprächen". Einen Monat, nachdem die 27 EU-Staaten harsche Beschlüsse zu ihren Beziehungen mit der Schweiz verabschiedet haben, trafen sich Vertreter beider Seiten am Dienstag in Brüssel.

Bei dem Gespräch zwischen Yves Rossier, Staatssekretär im Eidg. Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) und David O’Sullivan, Exekutivdirektor des auswärtigen Dienstes der EU, ging es darum, der Suche nach Lösungen für die institutionellen Probleme einen Anstoss zu geben, welche die bilateralen Beziehungen belasten.

Ziel der Sondierungsgespräche ist, den politischen Entscheidungsträgern beider Seiten bis im Sommer gemeinsame «Optionen» für das weitere Vorgehen präsentieren zu können.

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Positive Diskussion

«Die Diskussion war positiv», unterstrich der Ire O’Sullivan, der seinen Schweizer Amtskollegen am 20. März in Bern erneut treffen wird. Dort hatte im November 2012 schon ein erstes Gespräch stattgefunden. O’Sullivan bezeichnete die Schweiz als «sehr wichtige Partnerin» der EU und zeigte sich «überzeugt, dass es möglich sein wird», die Positionen beider Seiten im institutionellen Bereich in Einklang zu bringen.

Und zwar rasch: «Wir wollen diese Sache nicht in die Länge ziehen, es wird sich um Monate handeln.» Es geht darum, den politischen Behörden der Schweiz und der EU «Optionen» für Lösungen zu unterbreiten, die, wenn sie von beiden Seiten als genügend interessant eingestuft werden, den Weg zur Aufnahme offizieller Verhandlungen im Herbst frei machen sollen.

Drei mögliche Lösungen

Am 20. Dezember 2012 hatten die EU-Aussenminister die Vorschläge der Schweiz für Lösungen in den institutionellen Fragen zurückgewiesen. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso hatte die Kritik in einem am Tag darauf nach Bern verschickten Brief zusammengefasst.

«Beide Seiten haben den Wunsch, Lösungen» für die Knacknuss des  institutionellen Bereichs zu finden», sagte EDA-Staatssekretär Rossier und präzisierte, bei den «Sondierungsgesprächen» am Dienstag seien mindestens drei Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt worden. Rossier wollte keine Details bekannt geben. Es scheint aber sicher, dass eine Internationalisierung der Schweizer Wettbewerbskommission (Comco), die als Aufsichtsbehörde agieren könnte, auf der Agenda stehen dürfte.

Die EU insistiert seit mehreren Jahren auf diesem Punkt. Und in seinem Brief an die Adresse der Schweizer Regierung vom 21. Dezember 2012, hat auch EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso in die gleiche Kerbe geschlagen: Es bestehe eine «absolute Notwendigkeit» dafür, die Homogenität all jener Bereiche des Binnenmarktes sicherzustellen, an denen die Schweiz «dank ihrer bilateralen Abkommen» teilnehme oder teilnehmen wolle. In diesem Kontext sei es «entscheidend», dass auf der «Basis eines horizontalen institutionellen Rahmens» Lösungen gefunden würden, bevor man weitere Abkommen schliessen könne, darunter unter anderem jenes zum Sektor Strom.

Die EU beurteilt es in diesem Kontext als «problematisch», dass Bern über «Ausnahmen» des Prinzips einer «dynamischen», aber nicht automatischen Anpassung seiner zahlreichen bilateralen Abkommen mit der EU an das sich weiter entwickelnde EU-Recht verhandeln wolle.

Zudem fordert die EU «internationale Mechanismen» zur Überwachung und rechtlichen Kontrolle der Umsetzung der Regeln des Binnenmarktes in der Schweiz, während Bern diese Aufgaben Schweizer Institutionen überlassen will.

Kohäsionsbeitrag für Kroatien

Rossier und O’Sullivan haben, wie sie bestätigten, auch kurz über einige sektorielle Dossiers gesprochen, die schon auf dem Verhandlungstisch der EU und der Schweiz liegen (oder dort landen werden).

Darunter ist der im Prinzip für den 1. Juli 2013 geplante Beitritt Kroatiens zur EU und die damit verbundenen Konsequenzen: Einerseits muss das Personenfreizügigkeits-Abkommen angepasst werden, andererseits fordert die EU der 27 Staaten einen «finanziellen Beitrag der Schweiz», um Zagreb dabei zu unterstützen, gewisse «wirtschaftliche und soziale Ungleichheiten» mit den reichsten Ländern der Union zu reduzieren.

Allgemeiner setzt die EU auf eine «Erneuerung» der Finanzhilfe (mehr als eine Milliarde Euro), welche die Schweiz bis heute für die zehn Staaten aus Ost- und Mitteleuropa leistete, die der EU seit 2004 beigetreten sind (Kohäsionsbeitrag).

«Es gibt keine organische Verbindung zwischen diesen (finanziellen) Fragen und den anderen», sagte Rossier, fügte aber hinzu, sie müssten «im Rahmen der Gesamtheit der Beziehungen» zwischen der Schweiz und der EU betrachtet werden. Wahrscheinlich hat er damit die EU nicht wirklich ganz beruhigt, die immer wieder befürchtet, dass Bern dies als Druckmittel nutzen könnte.

Kein neues Abkommen

Auch das Strom-Dossier, dem die Schweiz grosse Bedeutung zumisst, wurde angesprochen.

Gibt es einen Kausalzusammenhang zwischen diesem Dossier und dem Schweizer Kohäsionsbeitrag für die weniger entwickelten EU-Länder? O’Sullivan gab sich beruhigend und erklärte, dass die  «Schwierigkeiten bei den institutionellen Fragen» nicht verhindern dürften, dass einzelne Dossiers in ihrem eigenen Rhythmus vorankämen. Keine eindeutige Blockade also, auch wenn es klar scheint, dass kein neues Abkommen zum Abschluss gebracht wird, bevor die institutionellen Probleme aus dem Weg geräumt sind.

(Übertragung aus dem Französischen: Rita Emch)

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