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China und Russland im Visier des UNO-Menschenrechtsrats

Human Rights Council meeting
Es wird erwartet, dass sich der in Genf ansässige Rat an der kommenden Session mit einigen der schlimmsten Menschenrechtssituationen der Welt befassen wird, darunter jene in China, Russland, Ukraine, Myanmar und Äthiopien. © Keystone/ Valentin Flauraud

Die nächste Session des Menschenrechtsrats beginnt am 12. September in Genf und hat eine vollgepackte Traktandenliste. Vermutlich werden aber vor allem China und Russland im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen.

Ab Montag wird der Menschenrechtsrat bis zum 7. Oktober in Genf tagen. Eines der Hauptthemen auf der Tagesordnung wird wahrscheinlich die Weiterverfolgung des Berichts über Menschenrechtsverletzungen in der chinesischen Provinz Xinjiang sein, der wenige Minuten vor dem Auslaufen des Mandats von Michelle Bachelet als Hochkommissarin für Menschenrechte am 31. August veröffentlicht wurde.

Der Bericht des Amtes der Hochkommissarin für Menschenrechte (OHCHR) enthält Beweise für mögliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit gegen Uigur:innen und andere hauptsächlich muslimische Minderheiten innerhalb Chinas.

Die Reaktion auf den China-Bericht wird auch eine der grossen Herausforderungen für den neuen Hochkommissar für Menschenrechte Volker Turk aus Österreich sein. Die frühere Kommissarin Bachelet wurde vor allem dafür kritisiert, dass sie gegenüber Peking zu nachgiebig war. Die UN-Vollversammlung hat auf Vorschlag von Generalsekretär Antonio Guterres Turk als ihren Nachfolger akzeptiert, der damit die schwierigste Aufgabe der UN übernimmt. Turk war bisher UN-Untergeneralsekretär für Politik und hat die meiste Zeit seiner Karriere im UN-System verbracht, vor allem beim Flüchtlingshilfswerk UNHCR.

Westliche Staaten und Nichtregierungsorganisationen drängen auf Massnahmen. Am Mittwoch erklärten mehr als 40 unabhängige UN-Expert:innen, die internationale Gemeinschaft dürfe bei schweren Verstössen nicht die Augen verschliessen Und forderten den Menschenrechtsrat auf, eine Sondersitzung zu China einzuberufen.

Peking hatte zuvor versucht die Veröffentlichung des Berichts zu verhindern und wird sich wahrscheinlich auch gegen eine Sondersitzung heftig wehren.

Die Schweiz begrüsste den China-Bericht und erklärte, sie werde das Thema auf der nächsten Sitzung des Menschenrechtsrats in Genf «in angemessener Form zur Sprache bringen», so der Sprecher des Aussenministeriums, Valentin Clivaz.

SRF, Der schwierigste Posten bei der UNO, aus Info 3 vom 27.07.2022:

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Russland und die Ukraine

Eine unabhängige Untersuchungskommission zu Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Rechts in der Ukraine soll ebenfalls ihren ersten mündlichen Bericht vorlegen, und es könnte einen Vorstoss für einen Sonderberichterstatter für die Menschenrechte in Russland geben.

Die dreiköpfige Untersuchungskommission zur Ukraine wurde vom Menschenrechtsrat im März durch eine Resolution eingesetzt. Nur Russland und Eritrea stimmten gegen ihre Einsetzung. Den Vorsitz der Kommission führt der norwegische Richter und ehemalige Präsident des Internationalen Strafgerichtshofs für Ruanda, Erik Møse. Dem Gremium gehören ausserdem Jasminka Džumhur aus Bosnien und Herzegowina und Pablo de Greiff aus Kolumbien an.

Der Resolution zufolge soll die Kommission mutmassliche Verstösse gegen die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht in der Ukraine untersuchen und Beweise für «künftige Gerichtsverfahren» sichern. Dies ist nur eine von vielen internationalen und nationalen Bemühungen  Beweise für Kriegsverbrechen in der Ukraine zu sammeln, um sie allenfalls später strafrechtlich verfolgen zu können. Auch in der Schweiz gibt es entsprechende Initiativen.

Die Kommission hat im Juni eine erste Mission in der Ukraine durchgeführt, bei der sie Beweise sammelte und Aussagen von Opfern und Zeug:innen aufnahm. Auf einer Pressekonferenz in Kiew am Ende dieses Besuchs erklärte die Kommission, sie habe bereits Beweise für mögliche Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gesammelt und werde dies auch in anderen Teilen der Ukraine fortsetzen. Ihr erster mündlicher Bericht vor dem Menschenrechtsrat wird mit Interesse erwartet, ebenso wie viele andere Punkte auf der dicht gedrängten Tagesordnung des Rats.

«Dies ist der Moment»

Human Rights Watch gehörte zu einer Reihe von Menschenrechtsgruppen, die sich im Juni schriftlich an die Europäische Union wandten und sie aufforderten, an dieser Session des Menschenrechtsrats eine Resolution zur Einsetzung eines Sonderberichterstatters für die Menschenrechte in Russland voranzutreiben.

«Dies ist der Moment, in dem der Menschenrechtsrat auf die extrem schnelle Verschlechterung der Situation in Russland reagieren sollte», sagt Philippe Dam, Direktor von Human Rights Watch Europa und Zentralasien, gegenüber SWI swissinfo.ch. Er verwies auf das harte Vorgehen gegen Nichtregierungsorganisationen und die freie Presse, auf Berichte über willkürliche Verhaftungen von Personen, die den Krieg in der Ukraine kritisieren, und auf den Austritt Russlands aus dem Europarat, der den russischen Bürger:innen die Möglichkeit nimmt, sich an den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof zu wenden.

Der UNO-Menschenrechtsrat kurz erkärt:

Dam zeigt sich zuversichtlich, dass mit Unterstützung der EU sowie anderer westlicher Länder eine solche Resolution durchgesetzt werden könne. Insbesondere wenn andere Mitglieder des Menschenrechtsrats, darunter auch afrikanische Staaten, davon überzeugt werden könnten, sich bei einer möglichen Abstimmung der Stimme zu enthalten. Russland hingegen wird wahrscheinlich eine heftige «Gegenkampagne betreiben.

Aber das sind bei weitem nicht die einzigen Themen, die an dieser Session behandelt werden. Der Rat wird sich mit zahlreichen anderen Ländern befassen, wie Myanmar, Afghanistan, Syrien, Jemen und Äthiopien, wo die Kämpfe in letzter Zeit wieder zugenommen haben. Ausserdem wird er sich mit zahlreichen Menschenrechtsfragen befassen, darunter Vorwürfe über willkürliche Verhaftungen und Menschenrechtsverletzungen durch Söldner, die Rechte der indigenen Bevölkerung, Rassismus und die negativen Auswirkungen des Kolonialismus. Hitzige Debatten sind vorprogrammiert.

Adaptiert aus dem Englischen von Sibilla Bondolfi

Sibilla Bondolfi

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