WEF Davos: Der erste Blick hinter die Kulissen der Macht
Was besprechen die Mächtigen der Welt jeweils im Januar hinter den Türen des Weltwirtschaftsforums (WEF) in Davos? Wer steht hinter dem Jahrestreffen der globalen Elite? Dem deutschen Dokumentarfilmer Marcus Vetter wurde zum ersten Mal in der Geschichte des WEF ein unabhängiger Blick hinter die Kulissen gewährt.
Vetters Film «Das Forum» läuft derzeit in ausgewählten Kinos, im Februar 2020 wird er im Schweizer Fernsehen SRF ausgestrahlt. Mit dem Filmemacher sprach Petra Krimphove. Den Trailer zum Film gibt es hierExterner Link.
swissinfo.ch: Was hat Sie als vielfach ausgezeichneten Regisseur daran gereizt, einen Film über das umstrittene Treffen der Global Leader in den Schweizer Bergen zu machen?
M.V.: Erst einmal gar nichts. Ich hatte dieselben Vorurteile wie die meisten, dass sich hier die Mächtigen der Welt treffen, um Geschäfte zu machen. Ich wusste nicht einmal, dass es den Gründer Klaus Schwab gibt. Doch als die Anfrage des Produzenten Klaus Beetz kam, sah ich die Chance, dort das Verhalten der Eliten in Zeiten zunehmender Politikverdrossenheit zu beobachten. Also bin ich 2018 erstmals nach Davos gefahren und habe mir einen Eindruck verschafft, von dem Treffen, aber auch der Organisation dahinter.
Der Film: «Das Forum»
Zwei Jahre lang begleitete Regisseur Marcus Vetter den mittlerweile 81-jährigen Gründer des World Economic Forum (WEF) Klaus Schwab. Er drehte während der Jahrestreffen in Davos auch bei nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Gesprächen zwischen mächtigen Staatschefs und Wirtschaftsführern. Vetter lässt WEF-Vertreter ebenso zu Wort kommen wie Nichtregierungsorganisationen und bietet dem Zuschauer so ein unvoreingenommenes Porträt des Treffens in Davos und der dahinter stehenden Organisation. Der renommierte Dokumentarfilmregisseur erhielt für seine früheren Arbeiten zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem den deutschen Filmpreis und mehrfach den Grimme Preis. «Das Forum» wird derzeit auf Filmfestivals und in Kinos gezeigt, im Februar wird SRF als einer der Koproduzenten den Film ausstrahlen.
swissinfo.ch: Und wie war der?
M.V.: Bei meinem ersten Gespräch mit WEF-Gründer Klaus Schwab erlebte ich einen Mann, der vor fast 50 Jahren die Vision hatte, die Mächtigen zu versammeln um mit ihnen über Ethik zu sprechen. Der schon damals die sehr moderne Ansicht vertrat, dass Unternehmen auch gegenüber der Gesellschaft, der Umwelt und ihren Mitarbeitern Verantwortung tragen.
Ich sass einem sehr agilen Mann gegenüber, der immer noch von morgens bis abends für diese Sache kämpft. Da begann ich, Interesse an ihm zu entwickeln. Für mich war klar, dass ich so einen Film nur machen kann, wenn da jemand eine klare Vision verfolgt, sonst interessiert mich das Projekt nicht. Schwab ist so jemand. Voraussetzung war, dass er sich öffnet, und das hat er getan.
swissinfo.ch: Sie haben neben einigen langen Gesprächen mit ihm zwei Mal auf dem Forum in Davos gedreht. Konnten Sie sich frei bewegen oder welche Absprachen galten?
M.V.: Ich habe erst zugestimmt, als klar war, dass ich mehr durfte als Journalisten und dass ich bei Gesprächen auf höchster Ebene dabei sein konnte. Ich habe Staatschefs wie Donald Trump, Emmanuel Macron und Theresa May in sehr menschlichen Situationen filmen können.
ei bilateralen Gesprächen wurde ich hingegen im ersten Jahr aus dem Raum gebeten. Daraufhin habe ich Klaus Schwab geschrieben, dass ich unter diesen Voraussetzungen das Projekt nicht fortführen könnte. Er antwortete sofort, er verstehe den Einwand und hat sich dann dafür eingesetzt, dass ich einen grösseren Zugang bekam. Er hat Wort gehalten.
CEOs an Trumps Lippen
swissinfo.ch: Es gibt Szenen in Film, die den Beteiligten durchaus unangenehm sein könnten. Sie zeigen zum Beispiel eine Runde von globalen Wirtschaftsbossen, die wie Schuljungen US-Präsidenten Donald Trump hofieren. Wie haben Sie es geschafft, da dabei zu sein?
M.V.: Klaus Schwab hat mir vertraut und seine Gäste haben ihm vertraut. In dieser Szene haben sich die versammelten CEOs in der Tat angebiedert und hingen an Trumps Lippen.
swissinfo.ch: Ist Davos also tatsächlich ein Treffen der Bosse zum eigenen Wohl?
M.V.: Es ist mehr als das, aber die Kritik ist richtig. Deshalb ist die Stimme von Greenpeace-Geschäftsführerin Jennifer Morgan als NGO-Vertreterin in dem Film so wichtig. Sie legt den Finger in die Wunde und formuliert deutlich die Bedenken, die ja viele teilen.
Sie wirft der Elite vor, in Davos Greenwashing zu betreiben, sich aber nicht wirklich für drängende Themen wie den Klimawandel zu interessieren. Im Film ist sie quasi die Gegenstimme zu Klaus Schwab, den sie auffordert, seinen Gästen ins Gewissen zu reden, statt ihnen nur ein Forum zu bieten.
swissinfo.ch: Könnte er das nicht in der Tat?
M.V.: Aus seiner Position als Gastgeber heraus ist das schwierig, sonst kommen die Leute ja vielleicht nicht mehr nach Davos. Ihm ist es wichtig, eine Plattform für Gespräche zu bieten, unabhängig davon, ob er seine Gäste mag oder nicht.
Dass NGOs quasi von aussen die Teilnehmer kritisieren und sie in die Verantwortung nehmen, ist sicher häufig auch in seinem Sinn. Er kann es aber nicht selber so formulieren.
Greta Thunberg als Symbol der Elitekritik
swissinfo.ch: Greta Thunberg hat 2019 den Gästen in Davos den Spiegel ihrer Untätigkeit vorgehalten. War es ein Glücksfall für ihren Film, dass sie während der Dreharbeiten zur Ikone wurde?
M.V.: Das war kein Glücksfall oder Zufall, sondern ein Zeichen der Zeit. Ich hatte mich ja genau deshalb für den Film entschieden, weil das Misstrauen in die Eliten wächst und die Kritik an ihnen immer lauter wird. Und dann führte diese Zeit mir fast zwangsläufig diese Protagonistin zu, die den Zorn und die Bedenken der Jugend symbolisiert.
swissinfo.ch: Im Film kümmert sich Klaus Schwab persönlich um den richtigen Ton von Einladungen und die perfekten Gastgeschenke, er begrüsst Staatschefs wie alte Freunde und leitet Diskussionen. Kurzum: Er ist das Zentrum und Herz von Davos. Wer wird sein Erbe irgendwann fortführen?
M.V.: Das wollte ich nicht zum Thema machen, weil er noch so unglaublich agil ist. Der Film sollte kein Abgesang auf ihn werden. In jedem Fall wird es schwierig werden, jemanden zu finden, der in seine Fussstapfen treten kann. Es müsste jemand sein, der wie er Kanten hat, der beharrlich ist und eine Vision verfolgt.
swissinfo.ch: Das klingt, als hätte er Sie wirklich beeindruckt.
M.V.: Ein Dokumentarfilm, der in dasselbe Horn wie alle Kritiker bläst, ist uninteressant für den Zuschauer. Der Film zeigt beide Seiten. Die Kritiker des Forums hätten sich vielleicht mehr negative Stimmen gewünscht, die WEF-Mitarbeiter empfinden wiederum die Kritik von NGOs wie Greenpeace als ungerecht. Aber letztendlich haben sich alle darauf eingelassen, weil niemand komplett entblösst wird. Mir war es wichtig, die gröbsten Vorurteile über das WEF abzubauen. Die Leute sollen genau hinschauen und sich dann selbst eine Meinung bilden.
Das Weltwirtschaftsforum WEF
Bereits seit 1971 kam der deutsche, in Genf in der Schweiz lebende Wirtschaftsprofessor Klaus Schwab auf die Idee, Vertreter aus Politik, Wirtschaft und der Zivilgesellschaft in den kleinen Bergort Davos einzuladen, um sich abseits der Öffentlichkeit auszutauschen. Das Weltwirtschaftsforum (WEF) ist seither ständig gewachsen und wird von der Zentrale im Kanton Genf mit ihren 700 Mitarbeitern geleitet. Weitere Büros unterhält es in Peking, New York, Tokio und San Francisco. Das WEF finanziert sich als Stiftung durch über 1000 Mitgliedsunternehmen, die einen jährlichen Mitgliedsbeitrag von bis zu 430’000 Euro zahlen.
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