Kritik an Schweizer Vermittlung im Fall Kamerun
Staatschef Paul Biyas umstrittene Präsenz in Genf wirft einen Schatten auf die Bemühungen der Schweiz, im Konflikt zwischen verfeindeten Separatistengruppen aus Kamerun zu vermitteln. Die Zivilgesellschaft kritisiert, dass die Schweiz mit ihrer Mediation eine bewaffnete kamerunische Minderheit ins internationale Rampenlicht stelle.
Biya hatte mit seinem überraschenden Aufenthalt in Genf Krawalle ausgelöst: Am Mittwoch wurden sechs Mitglieder seiner Leibwache von der Genfer Justiz verhaftet. Eine Person ist inzwischen wieder frei.
Biya aus Genf abgereist
Für Samstag haben Kritikerinnen und Oppositionelle in Genf eine neuerliche Demonstration gegen Kameruns autokratischen Herrscher Paul Biya angekündigt.
Der Staatsführer ist am Freitag kurz vor Mittag aus der Rhonestadt abgeflogen. Seine Maschine nahm Kurs auf Yaoundé, die Hauptstadt Kameruns.
Das private Sicherheitspersonal hatte vergangene Woche vor dem Hotel, in dem sich der autokratische Staatsführer aufhält, einen Journalisten des Westschweizer Radio RTS angegriffen.
Offiziell stand Biyas «privater» Aufenthalt im Intercontinental in keinem Zusammenhang mit einer Vermittlung der Schweizer Diplomatie zwischen verschiedenen Gruppen von Separatisten aus dem englischsprachigen Teil Kameruns. Vielmehr soll es sich um einen Zufall gehandelt haben.
Die Demonstration von zwei- bis dreihundert Gegnern am vergangenen Samstag, die von der Polizei mit Tränengas aufgelöst wurde, machte klar, dass die tiefe Krise des Landes nicht ignoriert werden kann.
Das bestätigt Hans De Marie Heungoup von der NGO International Crisis Group und selber Bürger Kameruns: «Die Initiative der Schweiz ist angesichts der tiefen Gräben zwischen Separatisten und Regierung zu begrüssen. Aber sie trifft nicht den Hauptkern der Probleme.»
Genf stellt separatistische Minderheit ins Scheinwerferlicht
Tatsächlich beschränkt sich die Krise im englischsprachigen Teil Kameruns nicht auf die Separatisten. Verfechter von Föderalismus und Dezentralisierung in Kamerun sind überzeugt, dass es im Einheitsstaat für alle Platz habe, solange Biyas Regime alle ernst nehmen würde. In der Gemengelage der aktuellen Konflikte stellen separatistische Gruppen, ob bewaffnet oder nicht, nur eine Minderheit dar.
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«Einige Föderalisten sehen die Schweizer Vermittlung nicht gern. Denn sie schenkt separatistischen Bewegungen Aufmerksamkeit, die zum bewaffneten Kampf übergegangen sind. Wer dagegen seine Forderungen friedlich äussert und dafür harte Repression in Kauf nimmt, fühlt sich übergangen», sagt Hans De Marie Heungoup.
Mehrheit fühlt sich übergangen
Gleich ergehe es der übrigen Gesellschaft Kameruns, die überwiegend französischsprachig ist, sagt er. «Verschiedene Vertreter der kamerunischen Zivilgesellschaft beklagen sich, dass sie keine Informationen über die Schweizer Vermittlung erhalten haben. Das nährt ihr Gefühl, von Yaoundé völlig ausgeschlossen zu sein.»
Dieses Scheinwerferlicht auf internationaler Ebene auf bewaffnete separatistische Gruppen werde von vielen Menschen in Kamerun als ungerecht empfunden. Dies, weil die Regierung Biyas als Hauptverantwortliche für die Radikalisierung seit 2017 angesehen wird. 2016 hatte der Autokrat friedliche Demonstrationen im englischsprachigen Landesteil mit eiserner Faust unterdrückt.
Die Schweizer Vermittlungs-Mission wurde übrigens vom UNO-Generalsekretär und den Vereinigten Staaten begrüsst.
«Es herrscht der Eindruck, dass das Regime von Paul Biya damit versucht, die Ansprüche der englischsprachigen Separatisten zu diskreditieren und sich gleichzeitig international als verlässlicher Partner präsentiert, indem er diplomatische Initiativen wie jene der Schweiz unterstützt», sagt Hans De Marie Heungoup.
In Kamerun sei jedoch der Grad der gesellschaftspolitischen Auflösung so gross, dass eine isolierte Behandlung der Frage der englischsprachigen Provinzen nicht mehr möglich sei. «Die gesamte Krise des Landes muss integral berücksichtigt werden, denn der Konflikt im englischsprachigen Teil ist nur der gewalttätigste Ausdruck dieser Krise.»
Bürgerkriegsgefahr?
Yaoundé aber, die Hauptstadt, setzt nicht auf Föderalismus. Vielmehr ist die Taktik der Spaltung und Teilung zum Programm geworden, um sich an der Regierung zu halten. Dies zeigen die verbalen Angriffe auf Oppositionelle, die in den letzten Monaten aufgrund von deren ethnischer Zugehörigkeit erfolgt sind.
Die unmittelbare Gefahr eines Bürgerkriegs sieht Hans De Marie Heungoup zwar nicht. Aber die Keime der Spaltung würden in Kamerun alle Versuche untergraben, im Land eine gemeinsame Front gegen dem Autokraten Biya zu bilden. Um diese Einsicht kommt die Schweizer Regierung in ihren Beziehungen zu Kamerun und in ihrem aktuellen Vermittlungsversuch in Genf wohl kaum herum.
(Übertragung aus dem Französischen: Renat Kuenzi)
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