Schweizer in Italien setzen auf die Jugend
Die Jugend soll den Auslandschweizern in Italien unter die Arme greifen. Dies war eines der Themen, die am Treffen vom letzten Wochenende in Tirrenia am Tyrrhenischen Meer diskutiert wurden.
Das Thema Kommunikation nahm einen Grossteil des Programms des 73. Italienischen Auslandschweizer-Kongresses in Tirrenia ein, wo sich am Samstag rund 170 Abgeordnete der etwa 48’000 Schweizerinnen und Schweizer in Italien trafen.
Für die Auslandgemeinde auf der Halbinsel sei es wichtig, sich zu treffen und die Bande der Freundschaft aufrecht zu erhalten, die im Lauf der Jahre gewachsen seien, hiess es.
Um die Schweizer Gemeinschaft aber am Leben zu erhalten, «reicht eine Sitzung pro Jahr nicht, man muss diese Momente intensivieren, indem man besonders die neuen Kommunikationsmittel benutzt», sagte die Präsidentin des «Collegamento svizzero in Italia», Irène Beutler-Fauguel, gegenüber swissinfo.ch.
«Heute haben wir die Gazzetta Svizzera, swissbook, Swisscommunity, die Schweizer Revue und swissinfo.ch vorgestellt. Das sind Kommunikations-Instrumente, die besonders von Jungen benutzt werden, also von unserer Zukunft. Mein Ziel ist es, sie mit ihren eigenen Mitteln für die Schweiz zu interessieren, damit sie ihre Identität nicht verlieren», sagte Beutler-Fauguel.
Junge unter der Lupe
Es war denn auch eine Jugendliche, die den Kongress eröffnen durfte. Bianca Rubino, Präsidentin des im Juni 2010 gegründeten Jugendkomitees der Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer in Italien, das aus drei jungen Frauen besteht.
«Wir wollen die Realität der jungen Schweizerinnen und Schweizer in Italien unter die Lupe nehmen, junge Menschen, die wenig über die Schweiz wissen, auch weil sie nicht an den Auslandschweizer-Aktivitäten teilnehmen», sagte Rubino.
Das Komitee will dazu ein Kontakt-Netzwerk für die Menschen zwischen 18 und 40 Jahren schaffen, «wo man sich kennenlernen kann, Informationen austauscht, Aktivitäten organisiert und mit Erwachsenen zusammenarbeiten kann», so Rubin.
Sie ist sich jedoch auch bewusst, dass sie vor keiner einfachen Aufgabe stehen: «Das Komitee ist entstanden, weil es für Junge schwierig ist, sich zu treffen, um Beziehungen zu knüpfen, und das nicht nur in Italien, sondern in der ganzen Welt.»
Für den Moment ist Rubino aber bereits froh, ein erstes Resultat präsentieren zu können: Das Logo des Komitees zeigt im Vordergrund zwei Hände, die Einheit und Willkommen symbolisieren, im Hintergrund die italienische Trikolore, das griechische Kreuz und ein Herz, das für Energie und Vitalität steht. Vitalität sei denn auch ganz sicher nötig für diese Idealisten und ihre schwierige Aufgabe, «an die alle glauben müssen», sagte eine überzeugte Rubino. Sie forderte die Erwachsenen auf, ihren Teil beizutragen.
Mobilität, freiwillige AHV
Für die Erwachsenen aber standen andere Themen im Vordergrund. Die Vizepräsidentin der Auslandschweizer-Organisation (ASO), Elisabeth Michel, sprach sie in ihrer Rede an – und erntete oft Szenenapplaus dafür. «Wir sind keine Profiteure, wie das einige behaupten», sagte sie. «Der Auslandschweizer von heute ist eine mobile Person, die nicht mehr den Rest ihres Lebens im Ausland verbringt und sich darum auch für die Schweiz interessiert.»
Die Schweiz müsse daher die Rahmenbedingungen schaffen, dass Schweizerinnen und Schweizer das Land verlassen und eines Tages wieder zurückkehren könnten. Doch Auswandern sei nicht immer einfach, besonders nicht für Junge, die im Ausland studieren wollten, aber keine familiären Beziehungen zum Gastland hätten. «Sie können nicht auf die Unterstützung des Gaststaates zählen, aber auch keine Studienkredite oder schweizerische Stipendien beantragen», so Michel.
Anschliessend legte die ASO-Vizepräsidentin den Finger auf eine nicht verheilte Wunde: Die aus Spargründen abgeschaffte Möglichkeit der freiwilligen Beiträge an die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV). «Frauen im Ausland, die nicht arbeiten, können nicht anders, als sich im Alter an die Sozialhilfe zu wenden, wenn wir keine geeignete Lösung finden, die ‹tote› fakultative AHV wiederzubeleben.»
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AHV
Krankenversicherung und fehlendes Interesse
Elisabeth Michel sprach auch die Frage der Krankenversicherung an, deren Kosten für Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer nicht immer akzeptabel und angemessen seien: «Es kann nicht sein, dass in der Schweiz versicherte Rentner oder Pensionäre, die ihren Wohnsitz in ein anderes europäisches Land verlegt haben, monatlich 200 Franken mehr an Prämien bezahlen müssen.»
Schliesslich setzte sich die ASO-Vertreterin, die in Deutschland lebt, mit dem Thema des fehlenden Interesses unter den Mitgliedern der Fünften Schweiz auseinander: «In Deutschland sind weniger als 5% aller Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer in einem Verein», sagte sie. Sie bedauerte, dass sich immer weniger Menschen langfristig engagieren wollten. Dies belegten die Schwierigkeiten, Kandidaten für den Auslandschweizerrat (ASR) zu finden.
Derweil freute sich die Präsidentin der Schweizer in Italien darüber, dass ihr «Schlachtross» nun begonnen hat, seine ersten unsicheren, aber begeisterten Schritte zu machen. «Denn ohne die Jungen können wir den Laden sowieso dichtmachen», sagte Irène Beutler-Fauguel.
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Fünfte Schweiz
Die italienische Auslandgemeinde ist die grösste der Schweiz: Über eine halbe Million Menschen haben den italienischen Pass oder sind Doppelbürger.
Die Schweizer Auslandgemeinde in Italien ist hinter Frankreich, Deutschland und den USA an vierter Stelle.
Ende 2009 waren 48’638 Schweizerinnen und Schweizer in Italien registriert (Zahlen: Bundesamt für Statistik). Zwei Drittel davon leben im Norden des Landes.
(Übertragen aus dem Italienischen: Christian Raaflaub)
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