Schweizer Kampf um Gold-Abstimmung
Die Schweizerische Nationalbank lässt ihre Muskeln spielen, um den Franken-Mindestkurs zu verteidigen. Ihr Kampf gegen die Deflation – in dem sie den Wechselkurs als Hauptwaffe betrachtet – wurde durch den Abwärtstrend des Euro nach der Zinssenkung der Europäischen Zentralbank bereits erschwert. Nun kämpft die Bank an einer weiteren Front: Gegen einen populistischen Vorstoss, der sie zwingen würde, den Anteil der Reserven, den sie in Gold hält, fast zu verdreifachen.
Ende November werden die Schweizer Stimmberechtigten über eine Volksinitiative entscheiden: Diese fordert, dass die Nationalbank (SNB) mindestens 20% der Währungsreserven in Gold halten muss und dass all das im Ausland gelagerte Gold in die Schweiz zurück gebracht werden muss. Forderung Nr. 3: Die Nationalbank soll in Zukunft kein Gold mehr verkaufen dürfen.
Die von der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP) lancierte Volksinitiative «Rettet unser Schweizer Gold» versucht, den Trend in der öffentlichen Meinung in der Schweiz anzuzapfen, der sehr stolz ist auf die Unabhängigkeit des Landes und verunsichert über die wirtschaftlichen Probleme seiner Nachbarn. Das Vorhaben stösst jedoch auf Kritik aus dem ganzen politischen Spektrum.
Die Regierung hat die Idee zurückgewiesen und im letzten Jahr erklärt, «Gold hat heute keine Bedeutung mehr für die Geldpolitik». Auch das Parlament lehnte den Vorschlag mit grosser Mehrheit ab.
Für die Nationalbank sind die angepeilten Massnahmen aber nicht nur ein Anachronismus, sie stellen eine unmittelbare Bedrohung dar. Seit die Nationalbank im September 2011 erklärt hatte, sie werde so viele Devisen wie nötig kaufen, um einen Franken-Mindestkurs von 1,20 gegenüber dem Euro durchzusetzen, schwollen ihre Fremdwährungsbestände von 204 Mrd. Schweizer Franken Ende 2011 auf 470 Mrd. im August 2014 an. Trotz Schwierigkeiten bei der Bewirtschaftung dieses rasanten Zuwachses erklärt die SNB, der Mindestkurs bleibe «das zentrale Instrument, um eine unerwünschte Verschärfung der monetären Rahmenbedingungen zu verhindern».
Bei einer Annahme könnte die Gold-Initiative ein Loch in diese Strategie reissen. Jean-Pierre Danthine, Vizepräsident des SNB-Direktoriums, erklärte letzte Woche, die zentrale Forderung, 20 Prozent der Aktiven in Gold zu halten, «würde die Gestaltung der Geldpolitik stark einschränken». Er argumentierte, wenn es diese Limite gegeben habe, als die SNB den Mindestkurs einführte, so hätte sie nicht nur Euro, sondern auch Gold in grossen Mengen kaufen müssen – «was fast sicher dazu geführt hätte, dass am Devisenmarkt Zweifel an unserer Entschlossenheit aufgekommen wären, diesen Kurs durchzusetzen».
Es ist selten, dass die SNB auf diese Art zu einem eigentlich politischen Vorstoss Stellung einnimmt. Diese Kommentare zeigen denn auch, wie empfindlich die Entscheidungsträger reagieren, wenn es um die Glaubwürdigkeit ihrer Frankenstrategie geht. SNB-Präsident Thomas Jordan hatte im September erklärt, die SNB habe seit 2012 nicht mehr intervenieren müssen, um den Mindestkurs zu halten. Doch noch immer wird der Franken nahe am Kurs von 1,20 zum Euro gehandelt – und bleibt wegen der Euro-Schwäche und der erneuten globalen Risikoscheue unter Aufwertungsdruck. Es gibt andauernde Spekulationen, dass die SNB schliesslich – wie es auch die EBZ tat – zu Negativzinsen greifen könnte, um die Währung in Schach zu halten.
Die Nationalbank ist auch sehr besorgt, was ihren Handlungsspielraum bei der Verwaltung der Reserven angeht. Danthine verwies darauf, dass ein Verbot von Goldverkäufen dazu führen könnte, dass die Aktiven der SNB irgendwann hauptsächlich aus Gold bestehen würden – denn sie wäre verpflichtet, bei jeder geldpolitisch bedingten Vergrösserung ihrer Bilanz Gold zu kaufen und bei einer Verkleinerung Euro zu verkaufen.
Er erwähnte auch, dass Goldbestände weder Zinsen noch Dividenden abwerfen würden, und unterstrich andere, inhärente Absurditäten der Initiative, wie die Rückführung von Gold, das in Grossbritannien und in Kanada gelagert wird, wo es wenn nötig rasch verkauft werden könnte, oder festzulegen, dass Reserven, die eigentlich für den Verkauf in Notsituationen gedacht waren, nicht verkauft werden dürften.
Noch ist unklar, ob eine reale Aussicht besteht, dass diese Massnahmen je Gesetz werden. Bevölkerungswachstum und Massenkommunikation haben es einfacher gemacht, die 100’000 Unterschriften zu sammeln, die es braucht, damit eine Initiative in der Schweiz zur Abstimmung kommt. Von 66 Initiativen, über die seit 2000 abgestimmt wurde, sind nur 10 angenommen worden. Erste Meinungsumfragen werden erst später im Oktober publiziert.
Doch das Referendum über die Unabhängigkeit Schottlands im vergangenen Monat diente als Erinnerung daran, wie rasch politische Risiken an Devisenmärkten in den Vordergrund treten können. Analysten von Nomura warnen, dass Spekulanten die Kursuntergrenze testen könnten, falls erste Umfrageergebnisse in den kommenden Wochen Unterstützung für die bevorstehende Abstimmungsvorlage zeigen könnten.
Die Abstimmung verdiene Aufmerksamkeit, erklärt Derek Halpenny, Stratege bei der Bank of Tokyo Mitsubishi. Er denkt, die SNB könnte – bei einer genügend langen Vorlaufzeit –, sowohl ihre Goldbestände auf das von der Initiative verlangte Niveau anheben, als auch ihren Mindestwechselkurs bewahren. Dies könnte Folgewirkungen haben auf Forex-Märkten, da die Bank zur Finanzierung der Goldkäufe Euro in Dollar umwandeln müsste.
Analysten sagen, die andere logische Möglichkeit – das 20-Prozent-Kriterium mit einem Abbau bei den Devisenreserven zu erreichen – würde es unmöglich machen, den Deckel auf dem Franken zu halten.
Langfristig betrachtet, argumentiert Halpenny, dass «eine Verlagerung zurück zu viel grösseren Goldbeständen» nur dazu beitragen würde, «den Status des Franken als sicheren Hafen zu bekräftigen. Die Einführung einer Limite würde als Beschneidung des Handlungsspielraums der Währungsbehörde gesehen, mit einer Frankenabwertung gegen Inflation vorzugehen».
Zusätzliche Berichterstattung: James Shotter
Copyright The Financial Times Limited 2014
(Übertragung aus dem Englischen: Rita Emch)
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