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Schweizer UNO-Gruppe fordert offenes Bewerbungsverfahren

Transparentes Verfahren statt Grossmächte-Deal: Das fordert die von der Schweiz geleitete ACT-Ländergruppe für das Ernennungsverfahren des UNO-Generalsekretärs. Keystone

UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon ist noch bis Ende 2016 im Amt. Mit Blick auf seine Nachfolge ruft ACT, eine von der Schweiz koordinierte Gruppe von UNO-Mitgliedstaaten, dazu auf, mehr Transparenz in den undurchsichtigen Prozess der Besetzung des höchsten UNO-Amts zu bringen.

Ursprüngliches Ziel der von der Schweiz organisierten ATC ist die Reformierung des UNO-SicherheitsratesExterner Link. Nun fordert die Gruppe, dass auch das Verfahren zur Auswahl und Benennung des Generalsekretärs der Vereinten NationenExterner Link klarer geregelt wird.

Denn dabei mangle es an Transparenz, es gebe kein eigentliches Verfahren, sagte Paul Seger, der Schweizer UNO-Botschafter in New York, der Ende Juli seinen Posten verlässt. «Die Ernennung des Generalsekretärs ist weniger transparent als die Wahl des Papstes», erklärte Seger letzte Woche in einem Gespräch mit swissinfo.ch und der Schweizer Nachrichtenagentur sda.

Unter dem Titel «A call for ACTion» (Ein Aufruf zum Handeln) organisierte die Schweiz als Koordinatorin der überregionalen Staatengruppe ACT (Accountability, Coherence, Transparency – Rechenschaftspflicht, Kohärenz, Glaubwürdigkeit) am 30. Juni in New York eine Podiumsdiskussion. Die ACT-Gruppe lancierte dabei ihre Vorschläge für ein besseres Auswahl- und Ernennungsverfahren. Die Vorschläge gingen in einem Schreiben auch an die Präsidenten des UNO-Sicherheitsrats und der UNO-GeneralversammlungExterner Link.

Artikel 97 der UNO-ChartaExterner Link stipuliert, dass die Generalversammlung den Generalsekretär aufgrund von Empfehlungen des Sicherheitsrats ernennt. ACT will an den existierenden Vorgaben nichts ändern, ist aber der Ansicht, es gebe viel Raum, die Transparenz des Prozesses zu verbessern und alle Mitgliedstaaten stärker einzubeziehen.

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Einer für alle

«Der Generalsekretär ist nicht nur der Generalsekretär dieser drei ständigen Mitglieder, sondern der Generalsekretär aller 193 Mitgliedstaaten, er steht für uns alle», unterstrich Seger. «Es ist daher schlicht legitim, dass alle 193 Mitgliedstaaten bei der Ernennung für dieses Amt etwas zu sagen haben sollten. Mindestens müssten sie besser darüber informiert werden, wer die Kandidaten sind.»

Aufgrund seines Amtes sei der Generalsekretär eine Person von hoher moralischer Autorität, und die Mitgliedstaaten müssten besser informiert sein über das Selektions- und Ernennungsverfahren. Und dieses sollte offener sein und besser strukturiert, forderte der Schweizer Diplomat.

«Wir lancierten daher konkrete Vorschläge, wie die nächste Wahl strukturiert sein sollte, mit einer öffentlichen Ausschreibung, einer Liste mit den Kandidierenden, mit öffentlichen Anhörungen, bei denen die Kandidaten ihre Motivation, ihre Visionen für die UNO darlegen können, damit alle Mitgliedstaaten sich eine Idee davon machen können, wer diese Leute sind, was ihre Werte sind, wofür sei einstehen.»

ACT-Reformvorschläge zur Wahl des Generalsekretärs

Die von ACT präsentierten Vorschläge umfassen u. a.:

Offizieller Aufruf für Nominationen, um den Prozess auf transparente Art und Weise einzuleiten, zum Beispiel, indem die Präsidenten der Generalversammlung und des Sicherheitsrat die Mitgliedstaaten in einem gemeinsamen Schreiben auffordern, bis zu einem bestimmten Termin Nominationen einzureichen. Das Schreiben sollte die Staaten auch deutlich ermuntern, Frauen zu nominieren.

Aktivere Rolle der Generalversammlung beim Selektionsverfahren.

Mehr öffentliche Anhörungen, die Reichweite der Konsultationen sollte über die Mitglieder des Sicherheitsrates hinaus vergrössert werden, die Ansicht aller Mitgliedstaaten sollte in Betracht gezogen werden.

Mehr Transparenz innerhalb des Sicherheitsrates: Treffen mit den Kandidaten auf der engeren Auswahlliste, damit ständige und nicht-ständige Mitglieder des Rates einen informierten Entscheid fällen können, welche Kandidatur sie unterstützen wollen.

ACT sähe auch gerne öffentliche Informationsveranstaltungen des Sicherheitsrates zum Stand des Nominierungsprozesses.

Angemessene Berücksichtigung der geografischen Verteilung durch Rotation sowie ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis.

Zudem bringt ACT auch eine Verlängerung der Amtszeit von fünf auf sieben Jahre aufs Tapet. 

«Die Schweiz und die anderen ACT-Mitglieder glauben, dass ein Prozess, der offen, transparenter und integrativer ist, für die UNO auf lange Sicht besser ist. Mit mehr Transparenz werden Glaubwürdigkeit und Vertrauen nur zunehmen.» Die Gruppe hoffe, dass es gelingen werde, das Selektions- und Ernennungsverfahren für den nächsten Generalsekretär – oder eine Generalsekretärin – transparenter zu gestalten, sagte Seger weiter.

Gleichgewicht der Geschlechter

Zu den Teilnehmerinnen an der Podiumsveranstaltung über die ACT-Vorschläge gehörte Mary Robinson, Irlands erste Präsidentin und ehemalige UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte. Sie sprach als Vertreterin der «Elders», einer unabhängigen Gruppe globaler Führungskräfte, die kein öffentliches Amt mehr bekleiden. Die Gruppe setzt sich für Frieden und Menschenrechte ein und wurde 2007 von Nelson MandelaExterner Link initiiert.

Wie ACT befassen sich «The Elders» mit dem Thema Selektions- und ErnennungsverfahrenExterner Link für den Generalsekretär.

«Der Generalsekretär der UNO muss eine Person mit einer hohen moralischen Autorität sein, eine Person, die sich für die Armen, die Marginalisierten einsetzen kann, gleichzeitig aber auch jemand mit sehr guten Management-Fähigkeiten», sagte Robinson. Sie erklärte, ihre Gruppe appelliere an die UNO-Mitgliedstaaten, sich einzusetzen für ein transparenteres und integrativeres Verfahren für Auswahl und Ernennungsprozedere.

Die Vorschläge von ACT würden weit gehen. «Aber wir sollten noch mutiger sein», sagte Robinson. Der Generalsekretär sei der Vertreter aller Menschen. Wieso nicht auch die Zivilgesellschaft stärker einbinden? Es wäre zudem gut, wenn der Sicherheitsrat mehr als nur einen Namen vorlegen würde, sagte sie. «Der Generalsekretär muss eine unabhängige Person sein, jemand, der niemandem gegenüber verpflichtet ist. Wir finden auch, dass nur eine, dafür vielleicht etwas längere Amtszeit von sieben Jahren besser wäre.» Zurzeit dauert eine Amtszeit fünf Jahre.

«Zudem ist es nach acht Generalsekretären höchste Zeit für eine Frau in diesem Amt – sollte sich jedoch ein Mann als bester Kandidat entpuppen, so sei dem so», sagte die Irin und erklärte zudem, eine Frau auf dem Posten hätte grossen symbolischen Wert für die Stärkung der Rolle der Frauen weltweit. Zudem hätten Frauen oft eine andere Art zu Führen, einen praktischeren Ansatz, Dinge anzugehen.

«Der Wandel, den wir beim Selektions- und Ernennungsverfahren sehen möchten, ist machbar. Machbar schon dieses Mal, es braucht dazu keine Anpassung der UNO-Charta.» Wenn man den Sicherheitsrat überzeugen könne mitzuziehen, könne man jetzt vorwärts machen. Nach Ansicht von Robinson wären mehr Transparenz und Struktur in dem Prozess auch ein Zeichen, dass die UNO fähig sei, sich weiter zu entwickeln, wenn ein System nicht länger annehmbar sei.

Genug geredet

Ebenfalls auf dem Podium sass William Pace, Exekutivdirektor des Institute for Global Policy, der «1 for 7 Billion»Externer Link vertrat, eine Kampagne für mehr Demokratie bei der Wahl des Generalsekretärs, die von mehr als 100 Organisationen der Zivilgesellschaft weltweit unterstützt wird.

Wie ACT und The Elders bedauern Pace und seine Kampagne, dass es keine formellen Selektionskriterien, keinen klaren Zeitplan mit Fristen, keine öffentliche Kandidatenliste für das Amt des Generalsekretärs gebe – und keine Möglichkeit, dass alle Mitgliedstaaten sich bei Anhörungen ein Bild der Kandidaten verschaffen könnten. Die Kampagne macht sich auch stark für eine einzelne, nicht erneuerbare Amtszeit für den Posten, um zu verhindern, dass es im Verlauf der ersten Amtszeit zu wahltaktischen und Wahlkampf-Manövern komme. Und beklagt, dass bisher nie eine Frau ernsthaft in Betracht gezogen wurde für das Amt.

Pace sagte, er hoffe, dass die UNO-Mitgliedstaaten und der Sicherheitsrat nach praktisch 20 Jahren, in denen über dieses Thema geredet worden sei, dieses Jahr endlich einen Schritt nach vorn machen würden, «damit die am besten qualifizierten Kandidierenden eine Chance haben, überhaupt gefunden zu werden, denn Millionen von Menschen sind auf die UNO angewiesen, um ihre Lebensqualität zu verbessern.» Es wäre tragisch, wenn das Verfahren weiterhin nicht verbessert würde.

Mit Matthew Rycroft, dem britischen UNO-Botschafter, sass auch eines der fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats auf dem Podium. Rycroft erklärte, Grossbritannien unterstütze gewisse Reformen, auch was die Geschlechterfrage angehe. «Es ist höchste Zeit, dass eine Frau in Betracht gezogen wird.»

Grossbritannien befürworte auch einen regulären, zuverlässigen Zeitplan, sagte Rycroft. Er werde sich im Sicherheitsrat dafür einsetzen, Anpassungen wie diese zu unterstützen. Zudem sprach er sich für ein transparenteres und offeneres Verfahren aus, das den Kandidaten oder Kandidatinnen ermöglichen würde, sich über das UNO-Hauptquartier hinaus einem weiteren Kreis vorzustellen, der auch die Zivilgesellschaft einschliessen würde. 

ACT: Rechenschaftspflicht, Kohärenz, Transparenz

Hinter dem Akronym ACT (Accountability, Coherence, Transparency) steht eine überregionale Gruppe von 27 kleinen und mittelgrossen Ländern, die sich darum bemühen, Rechenschaftspflicht, Kohärenz und Transparenz des UNO-Sicherheitsrats zu verbessern.

ACT wurde im Mai 2013 lanciert und konzentriert sich auf Fragen zum Funktionieren und zur Arbeit des Sicherheitsrats nach innen und dessen Beziehungen zu den übrigen UNO-Mitgliedstaaten.

Mit konkreten und pragmatischen Vorschlägen versucht ACT, die Arbeitsmethoden des Sicherheitsrats in seiner heutigen Form zu verbessern und für mehr Transparenz und Inklusion (Einbezug) zu sorgen.

Die umfassende Reform des Sicherheitsrats, bei der es um die Zusammensetzung und Grösse des Gremiums geht, ist nicht Thema der Aktivitäten von ACT.

Die Schweiz ist die Koordinatorin der Staatengruppe. 

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