Schweizer Unternehmen sparen freiwillig Energie
Während der allgemeine Energieverbrauch stetig zunimmt, haben einige Schweizer Unternehmen ihren CO2-Ausstoss freiwillig gesenkt. Auf diese Bilanz stützt sich die Energie-Agentur der Wirtschaft im Kampf gegen Zwangsmassnahmen in der Energiepolitik.
«Klimaschutz auf freiwilliger Basis»: Schweizer Wirtschaftskreise halten an diesem Prinzip fest. Es sei effizienter als ein System, dem Bussen zugrunde lägen, argumentiert die Energie-Agentur der Wirtschaft (EnAW).
«Unser Modell, das auf freiwilligen, realistischen Zielsetzungen basiert, hat auch das Interesse anderer Länder geweckt, namentlich Deutschland und Luxemburg. Wir wollen es nicht opfern!»
Der 1999 gegründeten EnAW gehören heute 2119 Unternehmen aus allen Wirtschaftssektoren an. Die meisten stammen aus dem Lebensmittelbereich, der Hotellerie und der Landwirtschaft.
Laut Armin Eberle, Direktor der EnAW, haben diese Unternehmen 2010 insgesamt 1,3 Mio. Tonnen CO2 und 1000 GWh Strom gespart, ein Drittel der Produktion des Kernkraftwerks Mühleberg. Die energieintensivsten Branchen (Lebensmittel, Papier, Chemie, Metall- und Rohstoffindustrie) hätten dabei die höchsten Energiereduktionen erzielt.
Die beteiligten Unternehmen haben seit 2001 gesamthaft 150 Mio Franken für neue Anlagen und für sparsamere Produktions- und Kommunikationsprozesse investiert. Sie hätten diese Investitionen gebilligt, «weil sie rentabel sind», sagt Pascal Gentinetta, Präsident der EnAW.
Die Stiftung Klimarappen sowie die Branchenvereinbarung der Zementindustrie haben sich ebenfalls zum Ziel gesetzt, die CO2-Produktion der Wirtschaft zu reduzieren. Zusammen mit der EnAW repräsentieren die drei Institutionen den «Beitrag der Wirtschaft». Sie haben den CO2-Ausstoss im Durchschnitt um 4 Tonnen pro Jahr senken können. 80% des Kyoto-Ziels wären damit bereits realisiert.
Ökonomischer Anreiz statt Zwangsmassnahmen
Die der EnAW angeschlossenen Unternehmen machen 28,6% des Elektrizitätsverbrauchs in Industrie und Dienstleistungen aus. «Es sind die einzigen Unternehmen, die ihren Stromverbrauch senken konnten. In den privaten Haushaltungen und beim Verkehr hat der Verbrauch sogar stark zugenommen», sagt Gentinetta.
Der ökonomische Anreiz, Geld zu verdienen, wenn die festgelegten Ziele übertroffen werden, ist laut Gentinetta eine ausgezeichnete Methode. Die Unternehmen können ihre CO2-Reduktionen, die über die Zielvereinbarungen hinausgehen, an die Stiftung Klimarappen verkaufen oder vom Bonus der Elektrizitätswerke profitieren.
Eines der Grundprinzipien der EnAW sei der Erfahrungsaustausch unter den angeschlossenen Unternehmen, sagt Direktor Armin Eberle. Rund 40 Moderatoren sowie Instrumente zur Überprüfung der Wirksamkeit der Sparmassnahmen stünden den Unternehmen zur Verfügung.
Die Kontrollen hätten gezeigt, dass die wirksamsten Massnahmen die mechanischen Prozesse sowie die Wärmegewinnung in der industriellen Produktion betreffen. Verbesserungen bei der Heizung, der Ventilation und Klimatisierung seien ebenfalls sehr effizient gewesen, so Eberle.
Sensibilisierte Kunden
Ihren Erfolg illustriert die Agentur am Beispiel des französischen Konzerns Alcatel-Lucent, der im Bereich Infrastruktur und Telekommunikation aktiv ist und in der Schweiz 650 Personen beschäftigt. Seit 1996 hat Alcatel-Lucent seinen CO2-Ausstoss um zwei Drittel und den Stromverbrauch um über 42% gesenkt.
«Der Druck kam auch von unseren Kunden», sagt Daniel Wermuth, bei Alcatel-Lucent verantwortlich für Immobilien, deren Administration und Unterhalt. «Sie sind immer sensibilisierter dafür, dass die Anbieter ökologische Grundsätze einhalten.»
Unter anderem dank einer neuen Wärmepumpe sowie der Optimierung von Beleuchtung und Büroausstattung konnte Alcatel-Lucent 75’000 Liter Heizöl einsparen, das entspricht einer Reduktion von 54% zwischen 1996 und 2011. Die Investition habe 2010 und 2011 Einsparungen im Umfang von 1 Mio. Fr. gebracht (Der Konzern erarbeitet weltweit einen Umsatz von 16 Mrd. Fr.).
«Alle diese Massnahmen, seit 1996 insgesamt 84, werden durch den Kanton Zürich überwacht und kontrolliert», so Wermuth. «Man muss nicht alles ersetzen. Auch sehr kleine Schritte können zu grossen Resultaten führen.»
Transportgutscheine
So empfiehlt der Konzern etwa seinen Angestellten, den öffentlichen Verkehr zu benutzen. Sie erhalten Transportgutscheine und Kurse für sparsames Fahren, falls sie sich verpflichten, für den Arbeitsweg auf das Auto zu verzichten.
«Das ist etwas, was man in Zürich anbieten kann, da die Stadt über ein exzellentes öffentliches Netz verfügt, aber nicht unbedingt in Paris. Wir sind die Pioniere des Konzerns und unsere Aktionen werden in Paris sehr genau beobachtet», sagt Daniel Wermuth.
Hans-Ulrich Bigler, EnAW-Vizepräsident und unter anderem Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbandes, legt den Finger auf die wunden Punkte, welche die Revision des gegenwärtig im Parlament behandelten CO2-Gesetzes für die Schweizer Wirtschaft habe. Er fordert «die Nutzung von wirtschaftlicher Dynamik und Eigeninitiative durch ein ausbalanciertes Anreizsystem, das Innovation und Produktentwicklung ermöglicht».
«Nicht nur das generelle Ziel der Revision ist höher als irgendwo sonst. Die Tatsache, dass die Bundesverwaltung mit jedem Unternehmen individuelle Zielvereinbarungen treffen will, mit einer Busse bei Nichteinhaltung, ist kontraproduktiv. Jene, die weiter gehen möchten, können das nicht und jene, die nicht über die nötigen Mittel verfügen, die Massnahmen umzusetzen, werden bestraft», sagt Bigler.
Die EnAW ist prinzipiell gegen die Idee, die Teil der Gesetzesrevision ist, die Unternehmen zu verpflichten, sich auf CO2-Einsparungen nur in der Schweiz zu konzentrieren.
«Das Parlament sollte sich bei der kommenden Abschlussberatung des CO2-Gesetzes sehr gut überlegen, ob es wirklich ein eingespieltes, bewährtes und erfolgreiches Modell gegen ein unbekanntes, planwirtschaftliches, teureres System eintauschen will. Die Wirtschaft wird sicher nicht tatenlos zuschauen, wie die Politik dieses Erfolgsmodell für Klimaschutz und Stromeffizienz kaputt macht», sagt EnAW-Präsident Pascal Gentinetta.
Das aktuelle CO2-Gesetz ist in Kraft bis Ende 2012. Der Bundesrat hat eine Revision mit den dringendsten Massnahmen vorgeschlagen, um die Treibhausgas-Emissionen bis 2020 zu reduzieren.
Die Revision ist ein indirekter Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Für ein gesundes Klima». Der Ball liegt gegenwärtig beim Parlament.
Die Initiative verlangt bis 2020 eine Reduktion der in der Schweiz entstandenen Treibhausgase von mindestens 30% gegenüber dem Niveau von 1990. Die Gesetzesrevision verlangt 20%.
Der 1999 gegründeten Energie-Agentur der Wirtschaft (EnAW) gehören rund 2100 schweizerische Unternehmen an. Sie haben eine gemeinsame Erklärung unterzeichnet, um ihre CO2-Emissionen zu reduzieren und die Energieeffizienz zu erhöhen. Federführend sind der Wirtschafts-Dachverband Economiesuisse und der Schweizerische Gewerbeverband.
«Als Dienstleistungsplattform für Unternehmen unterstützt die EnAW Industrie-, Gewerbe- und Dienstleistungsbetriebe bei der Reduktion ihrer CO2-Emissionen und der Steigerung der Energieeffizienz. Sämtliche Massnahmen werden betriebsspezifisch formuliert und folgen dem Prinzip der Wirtschaftlichkeit. Damit wird das Engagement für die Umwelt zum Gewinn für den Betrieb.»
(Quelle: www.enaw.ch)
(Übertragen aus dem Französischen: Peter Siegenthaler und Christian Raaflaub)
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