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Schweizerische Post setzt auf Wachstum im Ausland

Rund ein Fünftel des Umsatzes der Schweizerischen Post stammt aus dem Ausland. Keystone

Drei prominente Rücktritte an der Spitze sorgen für Verunsicherung beim Gelben Riesen. Die Zukunft der Post liege in einer angemessenen Expansion im Ausland, meint Matthias Finger von der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Lausanne.

Die Rücktritte folgten Schlag auf Schlag. Innerhalb von wenigen Wochen nahmen drei Verantwortliche an der Spitze der Schweizer Post, darunter der Konzernchef, den Hut. Als Begründung nannten sie Differenzen über die Strategie, die der neue Verwaltungsratspräsident Claude Béglé dem Unternehmen verleihen will. Eine Strategie, die eine Expansion im Ausland vorsieht.

Trotz einigen Misstrauenszeichen auf höchstem Niveau hat Verkehrsminister Moritz Leuenberger den Konzernverantwortlichen bisher das Vertrauen nicht entzogen. Aber das Departement wird von den Erneuerungswahlen des Verwaltungsrats im Mai profitieren, um dessen «Zusammensetzung zu überprüfen, die Ereignisse grundlegend zu überdenken und die nötigen Schlüsse daraus zu ziehen».

Verunsicherung

Die Verunsicherung über die Zukunft des zweitgrössten Arbeitgebers der Schweiz zeigt sich nicht nur in den Unstimmigkeiten im Führungsgremium, sondern auch in einem weiteren politischen Umfeld. Wie ihre Schwesterunternehmen im Ausland ist auch die Schweizerische Post infolge wachsender elektronischer Kommunikation mit einem Rückgang des Briefpostverkehrs konfrontiert.

Auf dem bereits restrukturierten Paketmarkt steht sie vor allem im Wettbewerb mit den Postriesen aus Deutschland und Holland. Diese beiden Konzerne sind Beispiele erfolgreicher Expansion im Ausland. Aber auch alle andern Postbetriebe haben auf die eine oder andere Art versucht, die wegen der Liberalisierung erlittenen Umsatzeinbussen auf dem Heimmarkt durch Auslandaktivitäten zu kompensieren, sagt Matthias Finger, Titularprofessor am Lehrstuhl für Management in Regiebetrieben (der von der Post finanziert wird) an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Lausanne (EPFL).

Die Holländische Post, die sich gemessen an ihrer Grösse mit der Schweizerischen Post vergleichen lässt, hatte als erste gehandelt, was ihren Erfolg im Express-Geschäft erklärt. Sie hat wie beiläufig einen australischen Spezialisten aufgekauft und wurde dann privatisiert. Die Deutsche Post hat sich dank ihrer Grösse und mit Unterstützung der Regierung den DHL-Konzern erworben.

Swissair und Swisscom

«Wie Swissair oder Swisscom ist auch die Schweizerische Post zu gross, um sich auf den Schweizer Markt zu beschränken, aber zu klein, um ein ernstzunehmender Konkurrent auf internationalem Niveau zu sein», sagt Matthias Finger. Trotzdem gibt es laut Finger keine Alternative zu einer «angemessenen und kontrollierten Expansion im Ausland. Es sei denn, man akzeptiert, dass die Post schrumpft, Marktanteile verliert und Stellen abbaut».

Aber das Ziel dieser Expansion dürfe nicht die Finanzierung der allgemeinen Dienstleistungen in der Schweiz sein, die bisher durch das Monopol auf dem Briefverkehr «bezahlt» wurden.

«Dieser Service muss neu definiert und modernisiert werden, den veränderten Bedürfnissen der modernen Kunden entsprechend. Danach muss man die Kosten dieser allgemeinen Dienstleitungen kalkulieren und einen Finanzierungsmechanismus finden.» Mit andern Worten, der Ertrag für diese Dienstleitungen muss im Inland generiert, und die Gewinne aus dem Ausland müssen reinvestiert werden, um einer Konkurrenz die Stirn bieten zu können, die keine Inland-Dienstleistungen finanzieren muss.

Wie Finnland

Die Kleinheit des Landes und die Grösse der Unternehmung, mit diesem Dilemma ist zum Beispiel auch Finnland konfrontiert. Aber während sich Finnland auf sein «Hinterland» – die Baltischen Staaten und einen Teil Skandinaviens – ausbreiten kann, steht die Schweizerische Post einer starken deutschen Konkurrenz und einem geschlossenen französischen Markt gegenüber.

Übrig bleibt der Markt, der die Post bedroht: Die elektronische Post. Auf diesem Markt kann sich die Schweizerische Post betätigen, zumal sie – wie die Postbetriebe Frankreichs, Italiens oder Japans – als eine von wenigen an ihren Finanzdienstleistungen festgehalten hat und deshalb einen globalen Service anbieten kann.

Konkretes Beispiel: Eine Bank oder Versicherung übermittelt der Post eine Adresskartei mit einer Botschaft für ihre Kunden. Die Post befördert diese – in elektronischer oder brieflicher Form – weiter und druckt sie kurz vor der Zustellung.

«Die Schweizerische Post verwaltet bereits die interne Post einiger Unternehmungen. Wenn Sie einmal in diese Technologien investiert haben, können Sie diese anderswo ohne grössere Risiken entfalten, insbesondere für Schweizer Multis», sagt Matthias Finger.

Eine Vorstellung, die Angst macht

Nach dem Debakel mit Swissair und den Misserfolgen der Swisscom in Indien, Malaysia oder Deutschland, macht die Vorstellung, Risiken im Ausland einzugehen, vielen Schweizern Angst.

«Für die Post ist die Situation anders, mit den technologischen Investitionen, die auf jeden Fall in der Schweiz getätigt werden und die massgeschneiderte Investitionen im Ausland erlauben. Es geht nicht darum, eine ausländische Post zu kaufen, was die Politik auch niemals zulassen würde», vermutet Finger.

Anders als es Verwaltungsratspräsident Claude Béglé verlauten liess, hätte eine Auslandstrategie wie jene von Nestlé wenig Chancen. «Es geht darum, auf ausländischen Nischenmärkte Produkte anzubieten, die in der Schweiz entwickelt wurden. Die Schweizerische Post praktiziert dies im Übrigen seit langem. Einen Achtel ihrer Umsätze realisiert sie heute im Ausland. Man muss die Post auf diesem Gleis weiterfahren lassen, was mit den strategischen Zielen der Regierung durchaus vereinbar ist.»

Pierre-François Besson, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Französischen: Peter Siegenthaler)

Klar gegen eine Expansion ins Ausland sind SP sowie SVP. Die Post habe weder das nötige Fachwissen noch die kritische Grösse oder die Mittel, um im Ausland angemessen tätig zu sein, sagte SP-Präsident Christian Levrat.

Mit der angelaufenen Liberalisierung des Marktes sei sie in ihrem inländischen Kerngeschäft bereits genügend gefordert, heisst es bei der SVP.

Die Schweizerische Post ist neben ihrem Heimmarkt mit ihren Dienstleistungen
weltweit in 20 Ländern aktiv. 8000 Mitarbeitende erbringen Dienstleistungen im Kerngeschäft, im postnahen Geschäft sowie im öffentlichen Verkehr.

Rund ein Fünftel des Umsatzes der Schweizerischen Post stammt heute aus dem Ausland – insgesamt 1,8 Mrd. Franken.

Die Post ist ein Bundesbetrieb. Der Bundesrat legt die strategischen Ziele der Post jeweils für eine Vierjahresperiode fest.

Mit der Post stellt der Bund die verfassungs- und gesetzmässige Verpflichtung zur landesweiten Grundversorgung mit Post- und Zahlungsverkehrs-Dienstleistungen sicher.

Im Ausland kann die Post Wachstumsmöglichkeiten in Nischenmärkten ausserhalb
der Grundversorgung wahrnehmen.

Das Postgesetz befindet sich zurzeit in Revison.

Seit April 2009 ist Claude Béglé Verwaltungsrats-Präsident der Post.

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