Schweizern im Ausland helfen – auch ausserhalb der Bürozeiten
Anschläge, Krisen oder Katastrophen wie das Erdbeben in Nepal bedeuten auch Hochbetrieb für die telefonische Helpline der Schweiz. Besorgte Angehörige geben Suchmeldungen auf und Schweizer, die das Krisenland so schnell wie möglich verlassen wollen, verlangen Hilfe.
«Mehrere hundert Anrufe und Mails» hat laut dem zuständigen Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten EDA die Helpline nach dem verheerenden Erdbeben vom 25. April 2015 in Nepal entgegengenommen und beantwortet.
«Besorgte Angehörige haben Suchmeldungen aufgegeben. Die entsprechenden Angaben wurden jeweils zwecks weiterer Abklärung in Zusammenarbeit mit den örtlichen Behörden an die Schweizer Botschaft in Nepal weitergeleitet», so das EDA. «Reisende vor Ort und Personen, die eine Reise nach Nepal geplant haben, haben sich nach der aktuellen Lage im Land erkundigt. Weiter haben uns Betroffene kontaktiert, die das Land so rasch als möglich verlassen und Flüge umbuchen wollten. Diese Personen wurden gebeten, sich mit Ihrem Reisebüro oder der Fluggesellschaft in Verbindung zu setzen.»
Ärger für Anrufer
Naturkatastrophen, aber auch vergleichsweise banale Ereignisse wie ein verlorener Pass oder ein verweigertes Visum, das sind Probleme, die sich nicht an die Bürozeiten der Verwaltung halten. Deshalb hat die Schweiz im Jahr 2011 eine HelplineExterner Link ins Leben gerufen, die während 24 Stunden an sieben Tagen die Woche erreichbar ist und weiter hilft. Das die Einrichtung einem Bedürfnis entspricht, zeigen die Zahlen: 2011 verzeichnete die Helpline 16’000 Anrufe, 2014 waren es 41’000 und im ersten Drittel des laufenden Jahres waren es 17’000 Anrufe.
«Früher hat der Kunde die zentrale Nummer der Bundesverwaltung angerufen und eine Auskunft verlangt. Die Telefonistin hat versucht, ihn mit den zuständigen Sachbearbeitern zu verbinden», erzählt Hans-Peter Heiniger, Chef der Helpline im Gespräch mit swissinfo.ch. «Das war nicht immer sehr einfach, die Leute waren nicht da, in einer Sitzung oder in der Pause. Die Anrufer haben sich jeweils geärgert, wenn sie mehrere Male weiterverbunden wurden. Sie haben ja angerufen, weil sie ein Problem hatten.»
Mit zwölf an sieben Tagen rund um die Uhr bedienten Telefonlinien gehört der Ärger der Vergangenheit an. Im Katastrophenfall, nach Anschlägen oder bei einem Unglück richtet das EDA unter derselben Nummer zusätzlich eine Hotline mit zusätzlichem Personal und zusätzlichen Linien ein.
Luxor – das prägende Erlebnis
Sein prägendes Erlebnis hatte Heiniger nach dem Terroranschlag am 17. November 1997 im ägyptischen Luxor, bei dem 60 Menschen, darunter 36 Schweizer, ums Leben kamen. Er war damals konsularischer Mitarbeiter auf der Schweizer Botschaft in Kairo und musste sich in Luxor um die Verletzten und die Angehörigen kümmern sowie die Toten identifizieren. «Damals verfügte die Krisenzelle des EDA über drei Telefonlinien, über die Angehörige die Behörden kontaktieren konnten. Die Linien waren ständig überlastet.» Heute verfügt das Aussendepartement im Katastrophenfall über 16 Linien und 140 für die schwierigen Aufgaben entsprechend geschulte und ausgebildete freiwillige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die bei Bedarf einen lückenlosen 24-Stunden-Betrieb aufrecht erhalten.
Die Telefone der Helpline hingegen werden von Festangestellten betreut. «Alle haben eine konsularische Fachausbildung, kennen die Bundesverwaltung sehr gut und sind auf dem neusten Stand, beispielsweise was neue Gesetze oder Verordnungen betrifft», so Heiniger. Am Anfang sei aus Kostengründen auch eine Auslagerung an ein Call Center zur Diskussion gestanden. Doch dieses Modell sei am Datenschutz gescheitert und auch daran, dass es eben Personal mit entsprechenden Erfahrungen und Kenntnissen brauche.
Das Portal itineris
Schweizer, die ins Ausland reisen können sich auf einem Portal Externer Linkregistrieren.
Die Angaben dienen den Behörden dazu, die Reisenden besser zu lokalisieren und im Falle einer schweren Krise zu kontaktieren. Der Datenschutz ist gewährleistet.
Die registrierten erhalten eine Mitteilung, wenn sich in einem Gebiet die Sicherheitslage unerwartet markant verschlechtert.
Mehr als 142’000 Anrufe
«Unser Ziel ist es, die meisten Fragen und Probleme zu beantworten und zu lösen», sagt Heiniger weiter. «Damit entlasten wir auch die Fachbereiche der Bundesverwaltung. Grundsätzlich hat sich die Helpline bewährt. Wir sind lediglich in 0.2% der Fälle mit Beschwerden konfrontiert. Zuhören und die Anrufer ernst nehmen, hat sicherlich auch dazu beigetragen, dass sich die Beschwerden in einem kleinen Rahmen halten.»
In den gut vier Jahren ihres Bestehens haben die Angestellten der Helpline mehr als 142’000 Anrufe entgegengenommen. Rund ein Viertel der Anrufenden sind Touristen, die in die Schweiz kommen möchten und ein Visum benötigen. «Vor der Reisezeit nehmen diese Anrufe jeweils noch zu. Auch Schweizer Gastgeber rufen an, wenn sie für ihre Gäste Visa brauchen. In Rund 30% der Fälle geht es um ein verweigertes Visa. Die sind jeweils komplexer zu lösen», sagt Heiniger.
Problem: die lange Anreise
Auch Schweizer, die ins Ausland reisen möchten, wenden sich mit Fragen nach der Notwendigkeit eines Visums für ihre Reiseland oder zu Zollvorschriften an. Dazu kommen die Schweizer, die im Ausland ihre Identitätskarte verloren haben oder denen der Pass gestohlen worden ist und die nun wissen wollen, unter welchen Bedingungen sie gleichwohl nach Hause reisen können.
Für zahlreiche Auslandschweizer sind Passerneuerungen oder Zivilstands-Änderungen vor allem auch seit der Ausdünnung des Netzes an Konsulaten ein Problem, denn vielfach müssen sie nun dafür eine längere Anreise in Kauf nehmen. Das führe zuweilen zu Friktionen, räumt Heiniger ein. «Wir suchen meistens nach einer pragmatischen Lösung, um das Problem zu lösen. Wir haben viele positive Feedbacks. Die Leute sind froh, dass jemand direkt das Telefon abnimmt und sich Zeit nimmt für ihr Anliegen, statt dass sie nach zahlreichen Aufforderungen viele Tasten drücken müssen und dennoch bei einem Band landen.»
Schwelle für Reisewarnungen ist hoch
Die Helpline ist auch zuständig für die Reisehinweise, also die Warnungen für Reisen in Krisengebiete. «Die Schwelle, damit wir von einer Region oder einem Land abraten, ist hoch». Es gibt klare Richtlinien und das ist auch richtig so», sagt Heiniger.
So hätten Anfang Januar 2015, als die Charlie Hebdo-Attentäter während Tagen Paris in Atem hielten, viele Verunsicherte, die eine Städtereise geplant hatten, angerufen. «Wir haben damals nicht von Paris abgeraten», sagt Heiniger, denn Terrorismus sei ein weltweites Phänomen und die letztendliche Verantwortung für eine Reise liege bei jedem Einzelnen. «Wir hätten auch keine Freude, wenn Deutschland oder Frankreich von Reisen nach Bern abraten würden, weil Jugendliche wieder einmal randaliert haben.»
Keine Repatriierungsflüge
Nach dem Erdbeben in Nepal funktionierte der reguläre Flugverkehr lediglich für eine kurze Zeit nicht. Deshalb hat die Schweiz keine Repatriierungsflüge organisiert, sondern die Schweizer, die Nepal verlassen wollten, aufgefordert, Linienflüge zu benutzen.
Am 30. April reisten 12 Schweizer mit dem Bundesrat-Jet zurück in die Schweiz. Das Flugzeug hatte vorher humanitäre Helfer und Material nach Nepal geflogen.
Rund ein Dutzend Schweizer wurden zudem von Frankreich ausgeflogen. Es handelte sich ebenfalls um Flüge, die zuvor humanitäre Helfer und Material nach gebracht hatten und auf dem Rückflug über freie Plätze verfügten.
Dass die Schweiz keine Repatriierungsflüge organisiert hat, begründete Aussenminister Didier Burkhalter auch damit, dass das Land für solche Aufgaben über kein Transportflugzeug verfüge. Gleichzeitig erinnerte er in einem Radio-Interview an die Eigenverantwortung bei Auslandreisen, eine «Philosophie», die auch im neuen Auslandschweizergesetz verankert sei.
«Wenn wir ein Transportflugzeug hätten, dann hätten wir sicher versucht, es nach Nepal zu schicken», so Burkhalter.
Bereits mit dem Rüstungsprogramm 2004 wollte der Bundesrat zwei Transportflugzeuge kaufen. Das Vorhaben scheiterte jedoch im Parlament.
Nun gibt es wieder Bestrebungen, ein oder mehrere solche Flugzeuge zu kaufen. Der Bundesrat befürwortet das Vorhaben. Der Ständerat hat ihm im März zugestimmt. Demnächst wird sich der Nationalrat damit befassen. Die Opposition kommt vor allem aus den Reihen der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei, die argumentiert, damit würden «in Tat und Wahrheit vor allem militärische Auslandeinsätze» forciert.
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