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Eine nationale Institution der Menschenrechte: ein Luxus?

Der Schweizer Aussenminister Didier Burkhalter spricht vor dem versammelten Menschenrechtsrat. Reuters

Die Schweizer Regierung hat entschieden, eine ständige Institution zur Verteidigung und Förderung der Menschenrechte in der Schweiz zu schaffen. Das Projekt dürfte bei der politischen Rechten anecken, die bereits das Kompetenzzentrum für Menschenrechte kritisiert hatte. Dieses Zentrum, das vor fünf Jahren ins Leben gerufen wurde, soll durch die neue Institution ersetzt werden.

«Der Beschluss des BundesratsExterner Link ist ein erster Schritt. Aber wir wissen erst etwas: Die künftige Institution wird mit einem Budget von einer Million Franken dotiert sein. Mindestens ein Teil dieses Budgets ist ohne Zweckbestimmung einsetzbar. Aber die Bundesverwaltung muss zuerst ein Gesetz vorbereiten, dessen Detailbestimmungen ich nicht kenne», sagt Jörg Künzli, der Verantwortliche des Kompetenzzentrums für Menschenrechte, ein Pilotprojekt für die künftige nationale Institution für Menschenrechte.

Ohne sich über das genaue Profil der künftigen Institution zu äussern, erinnert Jörg Künzli an die Grundsätze, welche die UNO festgelegt hat, damit das Organ glaubwürdig und anerkannt wird. Dieses benötigt eine rechtliche Grundlage, die in der Verfassung oder in einem Gesetz festgehalten werden muss, sowie ein Mandat zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte. Garantiert sein muss die Unabhängigkeit des Zentrums von der Regierung, und es braucht eine ausreichende Infrastruktur für die Erfüllung des Mandats.

Menschenrechte der Linken oder der Rechten?

Olivier Meuwly rechnet damit, dass sich in der Debatte über den Gesetzesentwurf zur Schaffung einer Schweizer Institution für Menschenrechte erneut die Anhänger der Rechten und Linken gegenüberstehen werden. Die SVP werde es nicht verpassen, das Thema zu bewirtschaften, sagt der Historiker, aktives Mitglied der freisinnigen Partei (FDP.Die Liberalen).

«Die Freisinnigen verteidigen die Rechte, die aus der britischen ‹Bill of rights› und der französischen Revolution hervorgegangen sind. Die politische Linke verteidigt auch die Rechte der 2. und 3. Generation», sagt Meuwly.

Die von der UNO 1949 verabschiedete Allgemeine ErklärungExterner Link der Menschenrechte beinhaltet die beiden ersten Generationen, nämlich die zivilen und politischen Rechte, die von den westlichen Regierungen klar und deutlich verteidigt werden, und die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte, die von den Ländern des Südens bevorzugt werden.

Die kollektiven Rechte bilden die 3. GenerationExterner Link, allen voran das Selbstbestimmungsrecht der Völker, das in den beiden internationalen Pakten aufgeführt ist, die aus der Allgemeinen Erklärung hervorgingen.

Die Länder des Südens haben weitere hinzugefügt, wie das Recht der Völker, über ihren natürlichen Reichtum verfügen zu dürfen, das Recht auf Entwicklung, Frieden und Sicherheit sowie das Recht auf eine zufriedenstellende Umwelt. Aber diese Erweiterung wird längst nicht von allen UNO-Mitgliedstaaten unterstützt, am wenigsten von den Ländern des Nordens.

F. Burnand, swissinfo.ch

Diese Institutionen sind Teil der EmpfehlungenExterner Link der UNO seit deren Bestehen. In den darauf folgenden Jahrzehnten hat sich die Idee präzisiert. 1991 wurden in Paris Kriterien definiert, damit diese Institutionen wirksam werden konnten. Diese «Grundsätze von Paris» – sie wurden 1993 von der UNO-Generalsversammlung angenommen – legen insbesondere fest, dass das Mandat einer nationalen Institution so weitreichend wie möglich und in einem Verfassungs- oder Gesetzestext klar erwähnt sein müsse. Dieser soll auch die Zusammensetzung und den Kompetenzbereich festlegen.

Widerstand programmiert

«Es wird zweifellos Widerstand geben», sagt Jörg Künzli, Rechtsprofessor an der Universität Bern, voraus. «Das war schon vor fünf Jahren bei der Eröffnung des Kompetenzzentrums für MenschenrechteExterner Link (SKMR) der Fall.»

«Die Eröffnung unseres Zentrums hat – am Anfang und danach etwas abgeschwächt – einige Kritik ausgelöst. Aber vielleicht sind sich die Politiker unserer Existenz nicht bewusst», antwortet Künzli.

Amnesty International, eine überzeugte Verteidigerin dieser Menschenrechts-Institution, sei sich der Schwierigkeiten dieser Übung durchaus bewusst, sagt Alain Bovard, Jurist der Schweizer SektionExterner Link der internationalen NGO. «Es war nicht im Voraus entschieden. Wir wissen, dass es Widerstand im Bundesrat gibt, vor allem seitens des Finanzministers. Aber auch die anderen Departemente fühlen sich nicht unmittelbar von den Menschenrechten betroffen und anerkennen die Wichtigkeit einer solchen Institution nicht. Ausserdem ist das politische Klima dafür nicht geeignet. Wir müssen in der eidgenössischen Verwaltung und danach im Parlament noch viel Arbeit leisten, um ein gutes Projekt zu bekommen.»

Einer, der die Skepsis gegenüber solchen Institutionen vertritt, ist Olivier Meuwly, ein Historiker, welcher der politischen Rechten nahesteht. Er fragt sich, weshalb die Schweiz in diesem Bereich mehr als andere tun müsse.

Ein Trumpf für die Diplomatie

Die Schweiz folgt in der Tat lediglich einer Tendenz, die sich auch in Europa zeigt. Die Plattform humanrights.ch (die bis 2015 mit dem SKMR zusammengearbeitet hat) führt 22 Organe dieses Typs auf, von Albanien über Frankreich, Deutschland, oder Luxemburg bis Ungarn. Weltweit sind es sogar deren 70.

Seitdem vor zehn Jahren eine regelmässige Überprüfung der Menschenrechtssituation in jedem UNO-Mitgliedsstaat eingeführt wurde, empfehlen mehrere Staaten der Schweiz, eine solche Institution ins Leben zu rufen.

Die Schweizer Diplomatie kann ihre Glaubwürdigkeit stärken, wenn sie sich international zugunsten der Menschenrechte engagiert. Beobachter und Nichtregierungsorganisationen zeigen sich seit Jahren beunruhigt über den wachsenden Graben zwischen den Positionen, die von der Diplomatie im Menschenrechtsrat vertreten wird, und der Situation, die sich in der Schweiz verschlechtert, insbesondere die kontinuierliche Verschärfung der gegen Ausländer, Migranten oder Flüchtlingen gerichteten Massnahmen. Diese Verschärfung droht mit der Vervielfachung djihadistischer Anschläge in Europa zuzunehmen.

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Menschenrechte

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Bis zum Zweiten Weltkrieg waren die Menschenrechte fast ausschliesslich Angelegenheit jedes einzelnen Staates. Die Charta der 1945 gegründeten Vereinten Nationen (UNO) enthält den klaren Auftrag an die Staatengemeinschaft, die Achtung und Verwirklichung der Menschenrechte und Grundrechte für alle zu fördern.

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Wenn dem Gesetzesentwurf nicht jegliche Substanz genommen wird, wird die Institution für Menschenrechte die Arbeit des SKMR fortsetzen. Das heisst: Antworten auf Fragen der Gemeinde-, Kantons- oder Bundesverwaltung sowie von Unternehmen zu diesem oder jenem Problem liefern, das in Zusammenhang mit Menschenrechten steht.

Aber im Unterschied zum SKMR wird sie in eigener Regie Untersuchungen anstellen und die Öffentlichkeit sowie die Behörden über nicht oder wenig anerkannte Verletzungen informieren können.

Obwohl ihr Status nur konsultativ sein wird, verleiht sie den in der Schweiz lebenden Personeneinen besseren Schutz ihrer Rechte.

«Die Institution wird deshalb auch eine Überwachungsfunktion haben, ein Wachhund für die Menschenrechte sein. Und all jene, die gegen fremde Richter meckern, sollten mit der Schaffung einer nationalen Institution zufrieden sein», kommentiert Alain Bovard mit Blick auf die Initiative über fremde Richter der rechtskonservativen SVP, die darauf abzielt, Schweizer Recht über europäisches oder internationales Recht zu stellen.

Ob dieses Argument sticht, ist allerdings nicht gewiss, zumal es dem Willen der UNO entspricht, dass solche Institutionen in den Mitgliedstaaten ins Leben gerufen werden.

Eine polyvalente Institution

Olivier Meuwly bringt noch eine andere Frage zur Sprache: Auf Bundesebene gibt es bereits eine Reihe Organe zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte, wie die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus, das Büro für Gleichstellung von Mann und Frau oder die Eidgenössische Kommission gegen Folter. Was bringt es also, eine weitere hinzuzufügen? Damit riskiere man nur, mehr Unklarheit und Komplexität zu stiften, sagt der Historiker.

«Wir arbeiten bereits mit diesen Organen zusammen, und es gibt keine Probleme», kontert Jörg Künzli.

Es gibt kein Risiko für Doppelspurigkeiten, sagt auch Alain Bovard: «Die bestehenden Organe haben sehr präzise Mandate und führen Aktionen vor Ort durch, wie den Besuch von Gefängnissen. Die neue Institution sollte ein polyvalentes Aufgabenspektrum haben und Fragen, wie Polizeigewalt oder Diskriminierung Homosexueller behandeln sowie Gesetze und Vorschriften prüfen. Diese Institution wird für den Bund, die Kantone aber auch private Unternehmen für deren Investitionen im Ausland, für die Erarbeitung eines betrieblichen Ethikcodes, oder auch für Universitäten nützlich sein.»

Unter der Voraussetzung natürlich, dass der künftige Gesetzesentwurf die parlamentarische Hürde – voraussichtlich im nächsten Jahr – schaffen wird.

(Übertragung aus dem Französischen: Peter Siegenthaler)

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