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SNB-Präsident Hildebrand tritt zurück

Genug vom Hin und Her: Philipp Hildebrand. Reuters

Der Chef der Schweizerischen Nationalbank, Philipp Hildebrand, tritt mit unmittelbarer Wirkung zurück. SNB-Vize Thomas Jordan übernimmt interimistisch die Nachfolge.

Vor den Medien in Bern begründete Hildebrand seinen Rücktritt damit, dass es ihm nicht möglich sei, «einen abschliessenden und definitiven Beweis» dafür zu erbringen, dass seine Frau ohne sein Wissen am 15. August die umstrittenen Finanztransaktionen veranlasst habe.

Er bleibe aber bei der Aussage, dass seine Frau ohne sein Wissen gehandelt habe. Mit dem Rücktritt wolle er dafür sorgen, dass die Nationalbank ihre Glaubwürdigkeit als höchstes Gut aufrecht erhalten könne, sagte Hildebrand weiter. Er wäre sonst unter Umständen nicht mehr in der Lage gewesen, in nächster Zeit schwierige Entscheide zu treffen und diese umzusetzen.

Hildebrand stand seit rund zehn Tagen wegen angeblicher Devisengeschäfte in der Kritik.

Traurigkeit und Stolz

«Dieser Schritt erfüllt mich mit Traurigkeit», sagte Hildebrand mit Blick auf seinen Rücktritt. Die letzten drei Wochen seien für seine Familie und für ihn selbst sowie für Bundespräsidentin Eveline Widmer-Schlumpf und für die ehemalige Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey eine schwierige Zeit gewesen.

«Ich bin stolz auf das, was wir bei der Schweizerischen Nationalbank seit meinem Einzug ins Direktorium unterstützt durch das öffentliche Vertrauen erreicht haben», sagte Hildebrand weiter. Die Nationalbank habe einen wichtigen Beitrag geleistet, um die Auswirkungen der globalen Krise abzufedern.

Jordan interimistisch Nachfolger

Seine Nachfolge übernehme interimistisch der Vizepräsident der Nationalbank, Thomas Jordan, sagte Hildebrand. Zum Präsidenten müsste Jordan durch den Bundesrat ernannt werden. 

Hildebrand sagte weiter, er trete auch von seinen internationalen Mandaten zurück, etwa von seinem Sitz im Financial Stability Board. Diese Mandate seien mit dem Amt als SNB-Chef verknüpft gewesen.

Auf Nachfragen zu seinem Rücktritt erklärte Hildebrand, es seien drei neue Elemente aufgetaucht seit der letzten Medienkonferenz. Zum einen eine E-Mail von seinem Kundenberater, zum anderen eine Kundennotiz von der Bank Sarasin, die das Gespräch des Kundenberaters darstelle.

Wort genügt nicht

«Der Kundenberater schreibt, dass ich gesagt hätte, wenn meine Frau mehr Dollars kaufen möchte, sei das für mich okay», sagte Hildebrand. Das dritte Element sei am Montagmorgen aufgetaucht. Es handle sich um eine Präzisierung seines Kundenberaters, die für ihn entlastend sei.

«So geht das Hin und Her», stellte Hildebrand fest. «Aber ich kann nicht ein- und für allemal beweisen, dass es so war, wie ich es erzählt habe. Es steht nur mein Wort im Raum.» Dies genüge offensichtlich nicht. Er sei zum Schluss gelangt, dass die Affäre seine Arbeit als SNB-Präsident belasten würde.

Bundesrat: «grosse Kompetenz»

Der Bundesrat hat vom Rücktritt Philipp Hildebrands als Nationalbankpräsident Kenntnis genommen. Er respektiere diesen Entscheid und bedauere die Entwicklungen, die zur Demission geführt hätten, teilte der Bundesrat mit.

Hildebrand habe an der Spitze der Nationalbank seine grosse Kompetenz im Bereich der Geldpolitik unter Beweis gestellt, speziell während der jüngsten, von Krisen geprägten Zeit. Für sein grosses Engagement spreche ihm der Bundesrat den besten Dank aus.

«Der Bundesrat hofft, dass sich die Nationalbank nun wieder voll und ganz ihren Aufgaben im Dienst der Geldpolitik der Schweiz widmen kann», heisst es in der Mitteilung weiter. Des Weiteren erachte es der Bundesrat als nötig, dass die Lehren gezogen würden – unter anderem auch in dem von der Nationalbank und vom Bankrat in Aussicht gestellten Sinn.

Bankrat: zum Schutz der Institution

Die Schweiz verliere durch den Rücktritt von Philipp Hildebrand einen hervorragenden Zentralbanker mit ausgezeichneten internationalen Beziehungen, die der Schweiz von grossem Nutzen gewesen seien. Dies erklärte der Bankrat der Nationalbank am Montag.

Die Ereignisse und Erkenntnisse der letzten Tage hätten Philipp Hildebrand nun dazu veranlasst, von seinem Amt zurückzutreten, schreibt der Bankrat in einem Communiqué. Er akzeptiere diesen Entscheid, den Hildebrand zum Schutz der Institution getroffen habe.

Hohes Mass an Motivation

Hildebrand habe es verstanden, zusammen mit seinen Kollegen im Direktorium die Nationalbank mit Erfolg durch eine Zeit aussergewöhnlicher geld- und währungspolitischer Herausforderungen zu führen. Seine Motivation und sein Ziel hätten dabei stets darin bestanden, das Mandat der Nationalbank in optimaler Weise zu erfüllen.

Die Entscheid- und Handlungsfähigkeit des Direktoriums bleibe vollumfänglich gewährleistet. Die entstandene Vakanz im Direktorium solle so rasch als möglich wieder besetzt werden.

SVP verlangt Sondersession und PUK

SVP-Nationalrat Christoph Blocher, dessen Rolle in der Affäre noch nicht klar ist, betonte nach dem Rücktritt Hildebrands erneut, er habe keine gestohlenen Bankdaten erhalten. Die Forderung nach einer Sondersession und einer Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) hält seine Partei mit Nachdruck aufrecht.

Dass die SNB-Direktionsmitglieder Devisen- und Aktiengeschäfte tätigten, sei nun öffentlich und klar belegt. Ein solches Verhalten sei ihm vor einigen Monaten noch unmöglich erschienen. Es gebe weltweit keine andere Notenbank, wo so etwas möglich wäre.

Während für die Schweizerische Volkspartei (SVP) der Rücktritt von Hildebrand unausweichlich war, spricht die Bürgerlich-Demokratische Partei (BDP) von einem schwarzen Tag für die Schweiz.

Die Sozialdemokratische Partei und die Grüne Partei bezweifeln, dass der Nationalbank unter Bankratspräsident Raggenbass ein Neuanfang gelingen kann.

Für die Freisinnig-Demokratische Partei (FDP.Die Liberalen) und die Christlich-demokratische Volkspartei (CVP) ist der Rücktritt bedauerlich, aber verständlich.

1963 In Bern geboren, Ökonom und Politologe.

Als 16-Jähriger vier Jahre Aufenthalt in den USA, wo sein Vater, ein gelernter Schreibmaschinen-Mechaniker, für IBM arbeitete.

In den 1980er-Jahren war Hildebrand zweifacher Schweizer Schwimm-Meister. Er absolvierte auch Boxtrainings.

1994 doktorierte er an der University of Oxford.

Seine berufliche Laufbahn begann Hildebrand 1994 beim World Economic Forum in Genf.

1995 wechselte er zum US-amerikanischen Vermögensverwalter und Hedgefonds Moore Capital Management (MCM).

Ende April 1996 Publikation eines kritischen Artikels in der Zeitung

Finanz und Wirtschaft

über die Währungspolitik der Notenbank.

Er wurde danach von SNB-Direktoriumsmitglied Bruno Gehrig kontaktiert, der ihn zu seinem Nachfolger aufbaute.

2000 bis 2003 bei der Zürcher Privatbank Vontobel und bei der Union Bancaire Privée in Genf.

Auf Juli 2003 wurde der damals 39-jährige Hildebrand vom Bundesrat zum jüngsten Mitglied des Direktoriums der Schweizerischen Nationalbank (Dreiergremium) ernannt.

Anfang Mai 2007 beförderte ihn der Bundesrat zum Vizepräsidenten der SNB, auf Anfang 2010 zum Präsidenten.

Hildebrand ist Mitglied des Verwaltungsrates der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) und seit November 2011 Vize-Vorsitzender des Financial Stability Board (FSB).

Hildebrand ist verheiratet mit Kashya. Die ehemalige Hedgefonds-Bankerin, die heute eine Galerie in Zürich führt, hat pakistanische Wurzeln und ist schweizerisch-amerikanische Doppelbürgerin. Die beiden haben eine Tochter.

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