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Somalier auf der Suche nach Integration

Reuters

Der bewaffnete Konflikt, die drohende Trockenheit und der Hunger haben tausende von Somaliern in die Schweiz getrieben. Wie leben sie hier? swissinfo.ch ist der Frage nachgegangen.

Die Situation der somalischen Asylbewerber bleibt schwierig. Ihr Aufenthalt in der Schweiz ist provisorisch und ihre Integration ist aufwendig. Ihre Eingliederung in die Arbeitswelt ist mit grossen Hindernissen verbunden. Dennoch ist ihre Zahl in den vergangenen Jahren permanent angestiegen.

2010 waren 4309 Somalierinnen und Somalier in der Schweiz auf Asylsuche. Davon erhielten 3592 eine provisorische Aufenthaltsbewilligung, 712 blieben hängig und 4,7% haben 2011 das Asylrecht erhalten.

«Viele Somalier flüchten aus ihrem Land, denn die Gefahr lauert überall», sagt Mohamed Ali, der Präsident der somalischen Vereinigung «Modulod», die ihren Sitz im Kanton Waadt hat: «In den vergangenen zwei Jahren hat sich die Situation vor allem im Süden verschlimmert. Nach den Interventionen der äthiopischen Truppen haben sich die Stammeskonflikte und die Spannungen innerhalb der verschiedenen Gruppierungen akzentuiert.»

Dazu kommt, dass die Bildung einer Übergangsregierung in Mogadischu und der Rückzug der ausländischen Truppen die Gewalt verschärft haben.

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Somalierinnen erzählen von ihrer Integration

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Vereinsgründerin Leyla Kanyare erhält im November von der Stiftung für Freiheit und Menschenrechte in Bern für ihre Integrationsarbeit den Menschenrechtspreis 2013. An einem Fest zu ihren Ehren konnte swissinfo.ch mit ihr und anderen somalischen Frauen über ihre Flucht aus ihrer Heimat und die Probleme sprechen, die sie bei ihrer Ankunft in der Schweiz erlebt…

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Ort der Stabilität

Familien- oder Stammesbindungen seien oft ausschlaggebend für die Wahl des Ziellandes, sagt Joëlle Morey von der Universität Neuenburg. «Es ist sehr selten, dass Somalier in der Schweiz, in Grossbritannien., in Holland oder in Belgien Asyl finden, wenn sie dort nicht schon Eltern haben, die sich etabliert haben.»

Die meisten Somalier, die in den vergangenen Jahren in die Schweiz gekommen sind, sind jung. «Besorgt über die Zukunft ihrer Kinder ermutigen viele Väter ihre Söhne dazu, auszuwandern», sagt Mohamed Ali.

Unter den jungen Immigranten war auch Leyla Kaniari. Die Tochter einer reichen Familie musste aus ihrem Land fliehen und zu ihrem Mann nach Kenia gehen, nachdem in der Nähe ihres Hauses in Mogadischu eine Bombe explodiert war. Das war 1991, sie war damals 18 Jahre alt und hatte eine fünf Monate alte Tochter.

«Zuerst wollten wir nach London, doch unser Begleiter sagte, die beste Route führe in die Schweiz», erzählt sie. Heute wohnt sie mit ihren fünf Kindern in St. Gallen und bezeichnet die Stadt als ihre Heimat.

Provisorischer Aufenthalt

Die schweizerische Gesetzgebung erlaubt es je nach Fall einem Flüchtling eine provisorische Aufenthaltsbewilligung zu erteilen. Doch dieses Papier bietet keine grosse Sicherheit.

«Das Papier stellt mein Selbstvertrauen in Frage. Es behindert mich daran, mein Leben und meine Zukunft planen zu können», sagt der 38-jährige Somalier Mohamed Abdi, der seit 2008 in der Schweiz wohnt. «Ich bin noch immer anders als die andern und ich brauche sehr viel Kraft, um meine Sorgen zu überwinden.»

Angetrieben von dem Bedürfnis nach Solidarität, haben sich in der Schweiz lebende somalische Flüchtlinge in den letzten zwei Jahrzehnten in verschiedenen Kantonen zu Vereinigungen zusammengeschlossen. Diese unterstützen ihre Mitglieder und helfen ihnen bei der Integration. Sie kümmern sich auch um die Jugendlichen und die Frauen.

Mehr als 8000 Somalier leben in der Schweiz, 1000 sind im Besitz des Schweizer Passes und die meisten von ihnen sind als Asylbewerber gekommen.

In Anbetracht der Unsicherheiten in Somalia schafft die Schweiz keine Asylbewerber dorthin aus, aber sie erteilt ihnen nicht automatisch eine definitive Aufenthaltsbewilligung. Die meisten erhalten eine provisorische Aufnahme.

Vor einigen Jahren setzte sich die somalische Gemeinschaft in der Schweiz aus 53% Männern und 47% Frauen zusammen. Laut den Statistiken für 2012 hat sich das Verhältnis leicht verschoben zu 55,7% Männern und 44,3% Frauen.

Die meisten somalischen Asylbewerber sind zwischen 18 und 35 Jahre alt und stammen aus dem besonders armen Süden des Landes.

Medikamente gegen Tuberkulose

Andere Vereinigungen, die ihren Sitz in der Schweiz haben, konzentrieren sich auf Landsleute, die in Somalia leben. Unter ihnen die 2010 gegründete «Rajo» in Sitten im Kanton Wallis. Seit 2012 führt sie ein Programm für die Alphabetisierung in den Regionen von Mudud und Galgaduud durch.

Laut ihrem Präsidenten Mohamed Abdi besteht das Ziel darin, «die Lücken in der Bildung auszufüllen, welche die Regierung hinterlässt». 2000 Somalier kommen in den Genuss des Programms, darunter sind 70% Frauen.

Eine andere Vereinigung, die 1995 in Zürich gegründete Swiss-Kalmo, kümmert sich um die Gesundheits-Versorgung der Somalier. Die Vereinigung beschäftigt 65 Personen, darunter viele Ärzte.

«Die Gelder für die Finanzierung stammen von Somaliern, die in der Schweiz leben, von Geschäftsmännern, von der Unicef und vom Welternährungs-Programm», sagt Bachir Gobdon, Präsident von Swiss-Kalmo. Die Weltgesundheits-Organisation (WHO) stellt zudem Medikamente und medizinisches Material zur Verfügung. Dank der Unterstützung der UNO konnte Swiss-Kalmo auch ein Medikament gegen die Tuberkulose verteilen.

Grosszügige Schweizer Hilfe

Die somalische Integrations-Vereinigung der Ostschweiz, die vom Kanton St. Gallen subventioniert wird, unterstützt die Spitäler in Somalia mit Medikamenten und Material. Die Vereinigung von Basel-Stadt, die sich um die Integration der Somalier in der Schweiz kümmert, bietet Kurse zum Erlernen der Landessprachen an und organisiert sportliche Aktivitäten.

«Dank den finanziellen Zuwendungen der Eidgenossenschaft und des Kantons St. Gallen können wir seit 2004 Kurse zum besseren Verständnis der schweizerischen Gesetzgebung anbieten», sagt Leyla Kaniari, Präsidentin der somalischen Integrations-Vereinigung der Ostschweiz. «Letztes Jahr haben wir Kurse über das schweizerische Schulsystem organisiert, dieses Jahr gibt es Kurse über das Gesundheitssystem.»

(Übersetzung aus dem Arabischen: Ghania Adamo)

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