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Spannung um «Lex Netflix»

Die "Lex Netflix" würde nach Schätzungen des Bundes jährlich 18 Millionen Franken zusätzlich in das lokale Filmschaffen fliessen lassen. © Keystone / Michael Buholzer

Zwei Wochen vor den Eidgenössischen Abstimmungen vom 15. Mai bleibt der Ausgang des Urnengangs über das Filmgesetz laut der zweiten SRG-Umfrage ungewiss. Die beiden anderen Vorlagen sind weniger umstritten: Das Transplantationsgesetz und die Frontex-Finanzierung werden voraussichtlich deutlich angenommen.

Die Befürworterinnen und Befürworter des Filmgesetzes haben im Lauf der Abstimmungskampagne an Boden verloren. Das zeigt die zweite Umfrage der SRG SSR, die Ende April vom Institut gfs.bern durchgeführt wurde.

Am 15. Mai stimmen die Schweizer Stimmberechtigten im In- und Ausland über ein neues Gesetz ab, das die grossen Video-on-Demand-Plattformen zur Kasse bitten will. Sie sollen verpflichtet werden, die Kreation von Schweizer Filmen und Serien mit 4% ihres im Land erzielten Umsatzes zu finanzieren.

Für die zweite demografische Umfrage im Vorfeld der Eidgenössischen Volksabstimmung vom 15. Mai 2022 befragte das Institut gfs.bern zwischen dem 20. und 27. April 6315 repräsentativ ausgewählte Stimmberechtigte in allen Sprachregionen der Schweiz und im Ausland. Die statistische Fehlermarge liegt zwischen +/-2,8 Prozentpunkten.

56% der Befragten unterstützen das Projekt mit dem Spitznamen «Lex Netflix» noch immer, während 41% nun dagegen und 3% noch unentschlossen sind. Das Ja-Lager hat damit seinen komfortablen Vorsprung, den es zu Beginn der Kampagne hatte, verloren. Im Vergleich zur ersten Umfrage verlor es drei Prozentpunkte, während das Nein-Lager um neun Prozentpunkte zulegen konnte.

Die Umfrage von gfs.bern zeigt auch, dass die Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer das Gesetz stärker unterstützen (61%) als ihre Landsleute im Inland. Viele von ihnen leben in Ländern, die solche Gesetze bereits kennen, was ihre Unterstützung für die Vorlage erklären könnte.

In der Tat hat fast die Hälfte der europäischen Länder eine Investitionspflicht eingeführt, die etwa in Frankreich 26% und in Italien 20% beträgt. Innerhalb der Europäischen Union müssen Streamingdienste zudem bereits der Verpflichtung nachkommen, 30% ihrer Inhalte auszustrahlen, die in Europa produziert wurden.

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Die Links-Rechts-Polarisierung hat sich im Lauf der Wochen verschärft. Kreise, die der Schweizerischen Volkspartei (SVP / rechtskonservativ) nahestehen und der Regierung misstrauen, lehnen die Vorlage noch deutlicher ab. Aber auch die Wählerinnen und Wähler der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP.Die Liberalen / rechtsbürgerlich) haben ins Nein-Lager gewechselt.

Die Umfrage zeigt auch eine Diskrepanz zwischen den Sprachregionen auf. Die Französisch- und die Italienischsprachigen wollen ein klares Ja zur «Lex Netflix» einlegen, während sich in der Deutschschweiz nur eine knappe Mehrheit für das Gesetz ausspricht.

Auch wenn die Chancen für ein Ja grösser sind als für ein Nein, sei der Ausgang der Abstimmung schwer vorherzusagen, schreibt das Institut gfs.bern. In jedem Fall werden die Ergebnisse voraussichtlich knapp ausfallen.

Ja zum Transplantationsgesetz wahrscheinlich

Eine Annahme wird erwartet beim Prinzip der mutmasslichen Einwilligung zur Organspende (erweiterte Widerspruchslösung). Demnach ist die Organentnahme zulässig, sofern sich die verstorbene Person zu Lebzeiten nicht dagegen ausgesprochen hat.

61% der Personen befürworten die Vorlage, während 37% dagegen sind und 2% noch keine feste Meinung haben, so die Umfrage. Der Vorsprung des Ja-Lagers hat sich seit Beginn der Kampagne nur geringfügig verringert. Die Zustimmung ist bei den Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern noch ausgeprägter (73%), wahrscheinlich weil viele europäische Länder die mutmassliche Einwilligung bereits eingeführt haben.

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Über die Änderung des Transplantationsgesetzes scheint ein breiter gesellschaftlicher Konsens zu herrschen. Nur die Wählerschaft der SVP und Personen, die der Regierung misstrauen, lehnen das Gesetz ab.

Die Argumente für das Gesetz scheinen auch mehr zu überzeugen als jene dagegen. 80% der Befragten erkennen ausdrücklich an, dass es in der Schweiz zu wenig Organspenden gebe und wichtig sei, eine Lösung für dieses Problem zu finden.

In Anbetracht dieser Ergebnisse ist «die Annahme des Transplantationsgesetzes derzeit das plausibelste Szenario», so das Institut gfs.bern.

Der Bund wird Frontex weiterhin finanzieren

Die Stimmbürgerinnen und -bürger unterstützen auch die finanzielle Beteiligung der Schweiz an der Agentur Frontex. Sie ist für die Überwachung der europäischen Aussengrenzen, die Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität und die Steuerung der Migrationsströme zuständig.

Das Ja-Lager, das bereits mit einem grossen Vorsprung gestartet war, gewann während der Kampagne noch mehr an Boden. 69% der Befragten unterstützen nun die Finanzierung der EU-Agentur für Grenz- und Küstenwache, nur 25% sind dagegen und 6% unentschlossen, so die Umfrage. Bei dieser Vorlage zeigen sich die Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer mit 62% Unterstützung etwas weniger enthusiastisch.

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Während die Wählerschaft der SVP zu Beginn der Kampagne in dieser Frage gespalten schien, spricht sie sich nun klar für den Gesetzestext aus (65%). Ihre Position wurde sicherlich durch den Entscheid der Parteidelegierten beeinflusst, die Stärkung von Frontex zu unterstützen.

Auch unter denjenigen, die der Regierung misstrauen, hat die Skepsis abgenommen: Die einzige Gruppe, die bei der ersten Umfrage mit Nein gestimmt hatte, ist nun weitgehend für die Vorlage. Unter diesen Umständen wäre «jedes andere Ergebnis als eine klare Annahme des Frontex-Projekts sehr überraschend», schreibt gfs.bern.

(Übertragung aus dem Französischen: Christian Raaflaub)

(Übertragung aus dem Französischen: Christian Raaflaub)

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