Spitzendiplomat geht Finanzbereich an
Michael Ambühl, Chefunterhändler mit der EU bei den Bilateralen Verträgen und Leiter der Libyen-Verhandlungen, wechselt vom Aussen- zum Finanzdepartement, um dem Finanzplatz beizustehen. Ersetzt wird er durch UNO-Botschafter Peter Maurer.
Mitte letzter Woche ist der 58-jährige Stardiplomat, bisher Staatssekretär im Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA), zum ersten Chef des neu geschaffenen Staatssekretariats für internationale Finanz- und Steuerfragen im Eidgenössischen Finanzdepartment (EFD) berufen worden.
Der Bundesrat ernannte Ambühl als Leiter dieses Amtes, das wohl zur Schlüsselstelle der Bundesverwaltung werden dürfte. Er beginnt seine neue Arbeit am 1. März.
Finanzminister Hans-Rudolf Merz, Ambühls künftiger Chef, und Aussenminister Micheline Calmy-Rey, seine Noch-Chefin, haben diesen Transfer in den Weihnachts-Ferien besprochen.
Auf Ambühl wartet nun der stark erhitzte Dampfkochtopf des internationalen Steuerstreits und der Krisen rund um den Finanzplatz Schweiz. Heikle Verhandlungen mit den USA und mit den europäischen Ländern warten auf ihn.
Der versierte Ambühl sei aus elf Kandidaten ausgewählt worden, sagte Merz. Ersetzt wird er im EDA durch Peter Maurer, gegenwärtig Botschafter der Schweiz bei der UNO in New York.
Ambühls Vize wird Alexander Karrer. Sie leiten ein Team von rund 40 Experten in Sachen Finanzen, Geldpolitik und Recht. Micheline Calmy-Rey sagte, dass Ambühl auch weiterhin mit dem Aussenministerium zusammenarbeiten werde.
Positive Reaktionen
Der Entscheid hatte viele positive Kommentare zur Folge. So befand der Wettbewerbsspezialist Stéphane Garelli von der Lausanner IMD Management School, die Ernennung sei ein grosser Schritt nach vorn für die Bundesverwaltung, in der ein Departement oft nicht genügend wisse, was das andere tue.
«Ich denke, die Message lautet, dass die Schweiz künftig viel proaktiver auf der internationalen Szene agieren wird, um zu erklären, wie die Schweizer Gesetzgebung funktioniert und welches unsere Ziele im Finanz- und Wirtschaftsbereich sind.»
«Änderung der Denkweise»
Gegenüber swissinfo.ch sagte Garelli, die Ernennung Ambühls käme einer «Änderung der Denkweise innerhalb der Regierung» gleich. Diese sei in der Vergangenheit dafür kritisiert worden, dass sie eine zu abwartende Haltung gegenüber brennenden Problemen an den Tag gelegt hätte.
Gerade das Finanzdepartement und Bundesrat Merz seien wegen ihrer Haltung 2009 gegenüber dem Bankgeheimnis ins Kreuzfeuer der Kritiker geraten.
«Der Umstand dieser Ernennung zeigt, dass Bern langsam erwacht», schiebt Professor Garelli nach.
Ambühl, der innerhalb des EDA höchstrangige Diplomat, bringt ein breites Vorwissen und Sachverstand im Finanzbereich mit. Er wird als Architekt einer Reihe von Schlüsselverträgen innerhalb der Bilateralen Verträgen mit der EU erachtet.
Er spielte auch eine zentrale Rolle in anderen kritischen Bereichen, zum Beispiel bei der Strafverfolgung der UBS durch die US-Behörden oder bei den Schweizerischen Vermittlungsbemühungen im iranischen Uran-Streit.
«Wir sind überzeugt, dass er die Schweizer Interessen äusserst kompetent vertreten wird», sagt James Nason, Sprecher der Schweizerischen Bankiervereinigung. «Er ist der richtige Mann für den Job.»
Auch Konrad Hummler, der die Vereinigung der Schweizer Privatbankiers präsidiert, hat für Ambühl nur gute Worte übrig.
Herausforderungen
Ambühl dürfte die neue Strategie der Regierung zu implementieren beginnen, um den Banken und Versicherungen des Landes zu ermöglichen, auf einem globalen Spielfeld zu operieren.
Letzten Dezember sagte der Bundesrat, dass der automatische Austausch von Bankkundendaten mit anderen Ländern kein Thema sei. Das dürfte zur harten Verhandlungs-Knacknuss werden.
Ambühls weitere Herausforderungen beträfen Themen wie die «fiskalische Unabhängigkeit in einer stark globalisierten Finanzdienstleistungs-Industrie», so Nason. Der Diplomat werde neue Besteuerungsabkommen mit Ländern wie Italien und Deutschland abschliessen müssen.
Die Schweiz brauche definitiv Ambühls Kompetenz in allen Bereichen, sagt Garelli. «Die UBS-Affäre hat auf beiden Seiten des Atlantiks viel Porzellan zerbrochen. Auch das muss geflickt werden.»
Garelli, früher ein Managing Director des World Economic Forums, sieht in der Ernennung noch weitere Vorteile: Jeder Bundesrat verantwortet ein grosses ministerielles Portfolio und einige kleinere – nicht jeder habe jedoch Staatssekretäre zur Verfügung.
«Jetzt haben wir einsehen müssen, dass unsere Minister einfach nicht alles gleichzeitig wissen oder entscheiden können.»
Justin Häne, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Englischen: Alexander Künzle)
Mehr
Bilaterale Abkommen
Der 1951 geborene Michael Ambühl kommt aus dem Kanton Bern.
Seit 2005 war Ambühl Staatssekretär und Direktor der Politischen Direktion im EDA.
Er führte im vergangenen Sommer die Verhandlungen rund um die Grossbank UBS mit den USA.
Gearbeitet hat er in Kinshasa, Neu Delhi und Brüssel.
Er spielte auch bei den Vermittlungsbemühungen rund um Irans Atomprogramm eine Rolle, und handelte das Gasabkommen zwischen Bern und Teheran aus.
Er studierte Betriebswissenschaften und angewandte Mathematik an der ETH Zürich, wo er auch doktorierte.
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