Wie die Schweiz ihr Geld ausgibt – und wo es herkommt
Die Schweiz plant auch im nächsten Jahr wieder mit mehr Einnahmen als Ausgaben. Wo viel Geld ist, bleibt wenig zu streiten. Aber immer noch genug.
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Kai arbeitet als Designer im Multimedia Team von SWI swissinfo.ch. An der Schnittstelle zwischen Journalismus und Design entwickelt er Infografiken, Animationen, Karten und neue Formate für Social Media.
Das Parlament berät in der ersten Woche der laufenden Wintersession dieses Budget fürs nächste Jahr. Es sieht bei Ausgaben von gut 75,2 Milliarden Franken einen Überschuss von 435 Millionen Franken vor.
Zwei Drittel des Schweizer Haushalts werden nächstes Jahr durch Einnahmen aus der Mehrwertsteuer und der direkten Bundessteuer abgedeckt. Bei der direkten Bundessteuer kommt mehr als die Hälfte der 24 Milliarden von Unternehmen und nur 45 Prozent von natürlichen Personen, vor allem von Gutverdienenden.
Weitere Einnahmen kommen durch Steuern auf Treibstoffe (4,5 Mia. Franken), Tabak (2 Mia. Fr.) und Finanztransaktionen, den sogenannten Stempelabgaben (2,2 Mia. Franken) zustande.
Die übrigen Fiskaleinnahmen (7 Milliarden) setzen sich aus Verkehrsabgaben und Lenkungsabgaben wie der CO2-Abgabe zusammen.
Unter nichtfiskalischen Einnahmen budgetiert der Bund etwa Gewinnausschüttung der Schweizerischen Nationalbank, aber auch Einnahmen aus Wehrpflichtersatzabgabe oder Gebühren.
Die soziale Wohlfahrt frisst einen Drittel aller Ausgaben, die Hälfte davon entfällt auf die Altersversicherung.
Auffällig: Am zweitmeisten – über 11 Milliarden Franken – gibt die Schweiz für Finanzen und Steuern aus. Diese 15 Prozent der Ausgaben enthalten Rückvergütungen an Kantone und Zinskosten.
Von den Verkehrsausgaben (10,4 Mia.Fr.) fliessen zwei Drittel in den öffentlichen Verkehr, ein Dritteln in den Strassenverkehr.
Unter Sicherheit (6,4 Milliarden) figurieren Ausgaben für Armee, Polizei, Grenzkontrollen und Nachrichtendienst.
5 Prozent des Bundesbudgets sind für die Landwirtschaft reserviert. Hier geht der grösste Teil als Direktzahlungen an die Bauern.
Bei den Auslandbeziehungen (3,7 Mia. Fr.) fliesst das Geld zu drei Vierteln in die Entwicklungshilfe, der Rest in die Diplomatie und das Konsularwesen.
Die grösste Differenz betrifft die Bildungsausgaben. Die Ständeratskommission will diese um rund 100 Millionen Franken erhöhen, die Nationalratskommission lehnt das ab.
Uneinig sind sich die Kommissionen von National- und Ständerat auch bei den Asylausgaben. Die Nationalratskommission verlangt eine Kürzung der Betriebsausgaben der Bundesasylzentren um 27 Millionen Franken sowie eine Kürzung der Sozialhilfegelder für Asylsuchende, vorläufig Aufgenommene und Flüchtlinge um 13 Millionen Franken. Sie begründet dies mit der tiefen Zahl der Asylgesuche.
Zu reden geben werden auch die Gelder für Entwicklungshilfe. Hier liegen sowohl Anträge für eine Erhöhung der Kredite als auch solche für Kürzungen vor.
Wie jedes Jahr werden auch Kürzungen beim Bundespersonal zur Debatte stehen.
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Die Schweiz ist eines der wenigen Länder Europas, welche die Haushaltsdisziplin respektieren. Die EU hatte diese vor zwanzig Jahren angenommen, von ihren Mitgliedern wird sie aber wenig angewendet. Die Schweizer Staatsschuld entspricht knapp 33% des BIP. Jene der 28 EU-Staaten liegt durchschnittlich bei über 85%. Dennoch legt die Schweizer Regierung jedes Jahr ein Sparprogramm für die öffentlichen Ausgaben vor. Eine besonnene Finanzpolitik oder Sparwut?
"Die Schweiz geht in Richtung Bankrott", prognostizierte das Wochenmagazin Facts 1997, nach einer Serie von Milliarden-Defiziten in der Staatskasse. Die Zeitschrift ging einige Jahre später Pleite, während es den Schweizer Finanzen gut geht. Alles bestens. Zusammen mit Norwegen, wo die Einnahmen aus Erdöl die Steuererträge alimentieren, ist die Schweiz gar das einzige Land Europas, das seit Ausbruch der letzten grossen Finanz- und Wirtschaftskrise 2007 seine öffentlichen Schulden senken konnte. Und dies sogar, ohne auf die Umsetzung teurer Infrastrukturprojekte zu verzichten, wie den Gotthard-Basistunnel, den längsten Eisenbahntunnel der Welt, der am 1. Juni eingeweiht worden ist.
Die Schweiz, die kein EU-Mitglied ist, gehört zu den wenigen Ländern, die von Anfang an "die Kriterien der Konvergenz" des Abkommens von Maastricht erfüllen. Mit dem Vertrag von 1992 wurde die Basis für die Wirtschafts- und Währungsunion sowie die Einführung des Euros gebildet.
Länder, die der Einheitswährung beitreten wollen, müssen sich verpflichten, ihre Staatsverschuldung auf unter 60% ihres Bruttoinlandprodukts (BIP) zu beschränken.
Gewisse Länder verstiessen jedoch bereits bei ihrem Beitritt zum Euro gegen derlei Vorgaben: Etwa Griechenland mit 107%, Italien mit 109%, Belgien mit 114%. Mit der Finanz- und Wirtschaftskrise sahen sich weitere EU-Länder gezwungen, ihre Ausgaben massiv zu erhöhen, um den Bankensektor zu stützen und die Konjunktur anzukurbeln.
Heute übersteigt die Staatsverschuldung der wichtigsten Wirtschaften der Euro-Zone, aber auch jene Grossbritanniens, die Schwelle von 60%.
Die öffentlichen Finanzen der Schweiz konnten in diesen Jahren jedoch von einer unerwarteten wirtschaftlichen Stabilität profitieren, was auch der Steuerkasse zu Gute kam.
Die Schweizer Wirtschaft, die nur 2009 einen Rückgang erlebte, kam rasch aus der internationalen Krise heraus: Die Nachfrage der Konsumenten hielt stand, die Exporte brachen nicht ein, trotz Rückgang der Nachfrage auf den EU-Märkten, und die Arbeitslosenrate blieb bei 3-4%.
Die Schweizerische Nationalbank spielte dabei eine wichtige Rolle, etwa bei der Rettung der UBS und indem sie über Jahre der Aufwertung des Frankens entgegenwirkte. Die Schweiz stand auch beim Verhältnis der Staatsausgaben zum BIP besser da als andere europäische Länder, die von einem wuchtigen Staatsapparat belastet waren.
Ausschlaggebend für einen gesunden Staatshaushalt war auch die so genannte "Schuldenbremse". Diese war 2003 von der Eidgenossenschaft eingeführt worden, um eine Schieflage der Staatsfinanzen und einen Schuldenanstieg zu vermeiden, wie das in den 1990er-Jahren passiert war.
Dieser Mechanismus zielt darauf ab, Einnahmen und Ausgaben im Lauf eines Konjunkturzyklus' auszugleichen: Wenn sich die Wirtschaft abschwächt, sind Defizite begrenzt zugelassen, während in Jahren der Hochkonjunktur Überschüsse erwirtschaftet werden müssen. Ähnliche Modelle wurden auch in den vielen Kantonen eingeführt.
Dank der Schuldenbremse konnte das Gleichgewicht des Staatshaushalts schnell wieder hergestellt werden: Die Gesamtschuld (öffentliche Verwaltung und soziale Sicherheit) ging so von 50,7% im Jahr 2003 auf 33,1% im 2015 zurück.
Im letzten Jahrzehnt wiesen die Konten der Eidgenossenschaft – ausgenommen 2014 – immer Milliardenüberschüsse aus. Ein Resultat, das auf europäischer Ebene praktisch einzigartig ist.
Die Sanierung der Finanzen wird von allen politischen Kräften unterstützt, da sie nicht nur die Ausgaben zur Zahlung der Schuldzinsen ermöglicht, sondern auch die Resistenz des Landes angesichts neuer Krisen stärkt. Für einige Parteien und auch für gewisse Ökonomen hat die Sparpolitik jetzt aber das Mass überschritten: Im letzten Jahrzehnt hat die Eidgenossenschaft auch in konjunkturell schwachen Jahren Überschüsse erzielt. Trotz dieser Gewinne legt die Regierung Jahr für Jahr neue Kürzungen bei den öffentlichen Ausgaben auf den Tisch.
Die Linke fordert, dass die finanziellen Mittel des Bundes in einem Konjunkturtief hauptsächlich zur Stärkung des Sozialstaates eingesetzt werden sowie zur Unterstützung der Wirtschaft und der Schaffung von Arbeitsplätzen. Gemäss den Mitte- und Rechtsparteien braucht die Wirtschaft keine staatliche Unterstützung, sondern zusätzliche Steuererleichterungen.
Trotz guter Entwicklung bei den Bundesfinanzen gehört die Finanzpolitik seit Jahren zu den umstrittensten Themen im Parlament. So auch in diesem Jahr. Im Rahmen der neuen Unternehmenssteuerreform hat die Mehrheit der Parlamentarier aus dem Mitte- und Rechtslager eine ganze Reihe von Steuererleichterungen in Milliardenhöhe für Unternehmen gutgeheissen. Für die Linke ist diese Reform ein Angriff auf die Staatskasse. Sie will dagegen das Referendum ergreifen. Gleichzeitig hat Finanzminister Ueli Maurer bereits drei Sparpläne für die kommenden Jahre vorgelegt, die insbesondere die Sozialversicherungen, die Bildung sowie die Entwicklungshilfe betreffen. Verschont werden jedoch die nationale Verteidigung, die Landwirtschaft sowie das Verkehrswesen. Diese Sparpläne sorgen für grosse Konflikte unter den Parteien.
Wie die übrigen Länder Europas ist auch die Schweiz mit zwei Kostenfaktoren konfrontiert, welche die öffentlichen Ausgaben in die Höhe treiben könnten: die Alterung der Bevölkerung und die Explosion der Gesundheitskosten. In den nächsten 30 Jahren werden laut dem neusten Bericht des Finanzdepartements 150 Milliarden Franken benötigt, um den Aufwand für die Folgen der demografischen Entwicklung zu finanzieren.
Ohne Sparmassnahmen oder höhere Steuereinnahmen wird die Staatsverschuldung bis 2045 auf 59% des BIP ansteigen. Reformen bei der Kranken- und der Sozialversicherung sind allerdings schon seit rund 20 Jahren auf dem Tapet, ohne dass sich die Parteien auf einen Kompromiss hätten einigen können.
Eine Lösung ist allerdings dringend nötig, denn die demografische Entwicklung stellt eine Zeitbombe dar, die das Gleichgewicht der Staatsfinanzen massiv bedrohen könnte.
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