«Versicherungsbetrug ist ungerecht und asozial»
Der Einsatz von Sozialdetektiven während der letzten zwölf Jahre habe die Missbrauchsquoten massiv vermindert. Sollte das neue Gesetz nicht angenommen werden, würden wie zuvor wieder die Prämien- und Steuerzahlenden die Geprellten sein, schreibt SVP-Nationalrat Mauro Tuena.
Bis vor 16 Jahren galt in weiten Bevölkerungskreisen die Meinung, wer Versicherungsleistungen oder auch Sozialhilfe bezieht, betrügt nicht. Als die Schweizerische Volkspartei (SVP) als einzige Partei wagte, das Gegenteil zu sagen, wurde sie mit Häme übersät.
Doch die Realität sieht anders aus. Auf Druck der SVP und später der Medien kamen unzählige Missbräuche durch Bezüger von Versicherungs- und Sozialhilfeleistungen ans Tageslicht. Die durch die Betrugsmaschen verursachten Schäden bewegten sich sowohl bei den Versicherungen wie auch in der Sozialhilfe in der Grössenordnung von sechs Prozent der gesamthaft ausbezahlten Leistungen. Es geht also um Milliardensummen.
Nutzen von Sozialdetektiven unbestritten
In den letzten zwölf Jahren war der Einsatz von Versicherungs- wie auch von Sozialdetektiven unbestritten. Auch linke Kreise nahmen die Erfolge des genaueren Hinsehens zur Kenntnis. Die Missbrauchsquoten gingen massiv zurück. Mutmassliche Erschleicher von ungerechtfertigten Leistungen wussten, dass sie damit rechnen mussten, erwischt zu werden. Der präventive Charakter des Einsatzes von Versicherungs- und Sozialdetektiven ist also offensichtlich.
Mit einem Entscheid vom 18. Oktober 2016 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Überwachungsmassnahmen durch eine Versicherung für nicht zulässig erklärt. Er bemängelte, dass hierfür die gesetzlichen Grundlagen fehlen.
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Sofort stellten die Sozialversicherungen und diverse Sozialämter den Einsatz von Überwachungsmassnahmen ein. Das Betrügen wurde wieder salonfähig, man musste keine Kontrollen mehr fürchten. Die Geprellten sind bei Versicherungen die Prämienzahlenden und im Falle der Sozialhilfe die Steuerzahlenden.
Ausgewogene Vorlage des Parlaments
Die Gesundheitskommission des Ständerates erarbeitete einen Entwurf, um der Forderung des Strassburger Gerichtes nachzukommen. Ziel war es, so schnell wie möglich die rechtlichen Grundlagen für den Einsatz vom bewährten Instrument der Versicherungsdetektive zu schaffen.
National- und Ständerat unterstützten die Ergänzung des Bundesgesetzes über den allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts zur Schaffung der gesetzlichen Grundlage für die Überwachung von Versicherten in der Frühlingssession dieses Jahres. Die neu geschaffenen Änderungen sind ausgewogen und zementieren die Praxis der letzten zwölf Jahre.
Gegen diesen Beschluss haben linke Kreise das Referendum ergriffen.
Sozialbetrüger sind asozial
Das missbräuchliche Erschleichen von Versicherungsleistungen ist asozial. Es treibt die Prämien für alle ehrlichen Versicherten massiv in die Höhe. Sie sind die Leidtragenden von Versicherungs-Betrügereien.
Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva) zum Beispiel hat 2017 ohne den Einsatz von verdeckten Versicherungsermittlern 12,5 Mio. Franken an ungerechtfertigten Leistungsbezügen verhindert. Mit dem Einsatz von Versicherungsdetektiven waren es im Jahr zuvor, also 2016, 5,5 Mio. Franken mehr, also rund 18. Mio. Franken.
Die Schweizerische Sozialversicherungsanstalt Zürich hat 2017 über 700 Meldungen bezüglich möglichem Betrug erhalten. Das sind 43 Prozent mehr als 2016. Infolge fehlender Observationsmöglichkeiten gingen aber die aufgedeckten Fälle um rund 35 Prozent zurück.
Eine Umfrage bei Versicherungen ergab überall das gleiche Bild: Die im Jahr 2017 aufgedeckten Missbrauchsfälle gingen gegenüber dem Durchschnitt der letzten zehn Jahre massiv zurück. Sämtliche angefragten Versicherungen sagen übereinstimmend, dass das Mittel der Observation eines Versicherten bei ernsten Verdachtsfällen des Betrugs unerlässlich ist.
Hohe Hürden
Zur Aufdeckung von Missbräuchen sind Versicherungsdetektive das letzte Instrument. Es müssen hohe versicherungsinterne Hürden überwunden werden, bevor ein Detektiv zum Einsatz kommt. Nicht zuletzt verhindern die grossen Kosten einer Überwachung, dass die Versicherungen ohne einen harten Verdacht einen Detektiv losschicken.
Jetzt gilt es, asozialem Versicherungsbetrug einen Riegel zu schieben. Das Nachsehen haben die zigtausenden ehrlichen Prämienzahler. Ihre Versicherungsprämien steigen infolge von Betrügereien jährlich an. Ehrliche Bezüger von Versicherungsleistungen brauchen sich auch weiterhin keine Sorge zu machen. Ihre Leistungen bleiben unangetastet. Und sie werden auch nicht überwacht, auch nicht vorsorglich.
Aus diesen Gründen bitte ich Sie, diese Vorlage zur Ergänzung des Allgemeinen Teils des Sozialversicherungsrechts zu unterstützen und somit Nein zu sagen zum Versicherungsbetrug!
Die in diesem Artikel geäusserten Ansichten sind ausschliesslich jene des Autors und müssen sich nicht mit der Position von swissinfo.ch decken.
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