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«Wir Homosexuellen brauchen keine Sonderrechte»

Swissinfo Redaktion

Die Bundesversammlung will die Antirassismus-Strafnorm erweitern. Neu sollen auch homophobe Äusserungen verboten werden. Dagegegen wurde das Referendum ergriffen. «Das Strafrecht ist kein gesellschaftspolitisches Lenkungsinstrument», schreibt Michael Frauchiger. Er ist schwul und gegen das neue Gesetz.

«Toleranz lässt sich mit strafrechtlichen Mitteln nicht erzwingen.»

Als Homosexueller engagiere ich mich mit Überzeugung gegen die vorliegende Erweiterung der Antirassismus-Strafnorm. Es ist mir wichtig, in aller Deutlichkeit zu unterstreichen, dass ein gesetzlicher Sonderschutz der Gleichberechtigung von Homo- und Bisexuellen diametral zuwiderläuft. Das sehen auch andere so, die mit mir zusammen das Komitee «Sonderrecht Nein!» gegründet haben. Mittlerweile zählt unser Komitee Mitglieder und Unterstützer aus der FDP, CVP, liberalen Kreisen und der SVP.

Diese Unterstützung beweist, dass in der «Community» längst nicht alle der irreführenden Behauptung folgen, Hass und Hetze liessen sich per Gesetz aus der Welt schaffen.

Ebenfalls zeigt es auf, dass nicht alle LGBTI dem linken Gesinnungsterror verfallen sind. Ich möchte an dieser Stelle nochmals in Erinnerung rufen, was eigentlich selbstverständlich sein müsste: LGBTI sind wie Heterosexuelle genauso ein heterogener Querschnitt der Bevölkerung. Wir haben unterschiedlichste politische Einstellungen und Werthaltungen – viele stehen politisch links, andere in der Mitte und wiederum andere sind rechts. Es ist deshalb sehr kurzsichtig und vereinfachend zu sagen, die gesamte «LGBTI-Community» fordere dieses Zensurgesetz.

Wir sind nicht schwach, wir brauchen keinen Schutz

Ich kämpfe für die Akzeptanz und Normalisierung meiner Sexualität. Normalisierung heisst für mich aber auch, keine Sonderrechte einzufordern. Ein Sonderschutz würde LGBTI stigmatisieren, als schwach darstellen. Doch wir sind nicht schwach. Wir müssen keinen Sonderschutz vom Staat bekommen.

Standpunkt

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Ich erlebe um ein x-faches mehr Anfeindungen wegen meiner Funktion als SVP-Politiker denn als Homosexueller. Die Schweizerinnen und Schweizer sind kein Volk von «Homo-Hassern», sondern stehen uns in überwältigender Mehrheit positiv gegenüber. Selbstverständlich müssen jede einzelne Ausgrenzung und jeder Übergriff bekämpft werden. Jeder ist einer zu viel.

Es gibt bereits genügend Instrumente

Jegliche Arten von Gewaltübergriffen und Aufrufen zu Gewalt sind längst strafbar. Unser Strafrecht bietet genügend Instrumente, um sich gegen Ehrverletzungsdelikte oder üble Nachrede, Verleumdung, Beschimpfung oder Drohung zu wehren.

Die einzigen «Gesetzeslücken» bestehen heute darin:

  • Es fehlt ein Gesetz, mit dem auch gegen allgemein gehaltene, für diskriminierend befundene Äusserungen vorgegangen werden kann
  • Nur betroffene Einzelpersonen, nicht aber Vereinigungen (z.B. LGBT-Verbände) sind berechtigt, Anzeige zu erstatten.

Unter dem Deckmantel der Toleranz wollen die Befürworter dieses Zensurgesetzes bestimmte Meinungen aus dem demokratischen Diskurs verbannen. Dabei ist die Toleranz eine innere Haltung. Toleranz lässt sich mit strafrechtlichen Mitteln nicht erzwingen. Darum eignet sich das Strafrecht denkbar schlecht als gesellschaftspolitisches Lenkungsinstrument. Wer versucht, die Welt mithilfe des Strafrechts zu verbessern, wird enttäuscht und gefährdet die Autorität des Rechts. Das ist in einer Demokratie brandgefährlich.

Demnächst werden wir wohl über die Ehe für alle abstimmen dürfen. Wie soll man darüber eine anständige politische Diskussion führen, wenn die Gegner, einen Maulkorb verpasst bekommen und ständig Angst haben müssen, von linken Kreisen wegen Rassendiskriminierung angeklagt zu werden?

Der Kern der Meinungsäusserungs-Freiheit umfasst das Recht, Dinge zu sagen, die an-deren nicht passen. Die Meinungsfreiheit bedeutet nicht, sich von aktuellen gesellschaftlichen Trends beeinflussen zu lassen und Minderheitsmeinungen zu zensieren.

Das freie Wort, Rede und Gegenrede, das sind die Grundlagen unserer Demokratie. Wo uns «Diskriminierungsschutz» verkauft wird, geht es in Wahrheit um ein Zensurgesetz, das die Meinungsfreiheit sowie die Gewissens- und Gewerbefreiheit bedroht und keine Probleme löst.

ist Co-Präsident des Referendumskomitees «Sonderrecht NEIN!» uns Vorstandsmitglied der SVP Bezirk Dielsdorf.

Die in diesem Artikel geäusserten Ansichten sind ausschliesslich jene des Autoren und müssen sich nicht mit der Position von swissinfo.ch decken.

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