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AHVplus «gefährdet unsere wichtigste Sozialversicherung»

Swissinfo Redaktion

Eine Erhöhung der Renten um 10%, wie es die Volksinitiative "AHVplus" vorsehe, könnte zum Zusammenbruch der Hauptsäule des Schweizer Rentensystems führen, sagt Cristina Gaggini. Laut der Leiterin der Westschweizer Geschäftsstelle des Wirtschafts-Dachverbands Economiesuisse müsse die Politik stattdessen "das gesamte Rentensystem neu überdenken, wie es die Reform 'Altersvorsorge 2020', vorsieht, die gegenwärtig im Parlament diskutiert wird".

2014 übertrafen die Ausgaben der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) zum ersten Mal in ihrer Geschichte die Einnahmen. Diese Entwicklung ist der demografischen Veränderung zuzuschreiben und wird sich noch verstärken. Einerseits ist die Geburtenrate in den letzten Jahrzehnten gesunken, andererseits nahm die Lebenserwartung erheblich zu.

Konkret: Eine immer höhere Anzahl Pensionierte profitiert über längere Zeit von einer AHV-Rente, während eine geringere Anzahl von Arbeitnehmenden diese finanzieren muss. Werden keine Korrekturmassnahmen ergriffen, fehlen den AHV-Kassen bis 2030 pro Jahr 7,5 Milliarden Franken. Die gegenwärtigen Leistungen der AHV aufrecht zu erhalten, ist deshalb eine enorme Herausforderung.

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In diesem Kontext ist es schon alarmierend genug, dass sich das Stimmvolk zum Vorschlag der Gewerkschaften äussern kann, die Renten für alle Pensionierten um zehn Prozent anzuheben. Laut dem Bundesrat würde es bei einer Annahme der Initiative in der ersten Zeit zu Mehrkosten von 4,1 Milliarden pro Jahr und bis 2030 jährlich 5,5 Milliarden kommen (wegen der Zunahme an Pensionierten).

Ein Betrag, der zu dem bereits erwähnten Defizit von 7,5 Milliarden Franken hinzugefügt würde, so dass schliesslich ein Loch von insgesamt 13 Milliarden Franken pro Jahr entstehen könnte. Angesichts des Fortbestehens unserer ersten Säule und unserer Verantwortung gegenüber der Jugend kann der Vorschlag der Gewerkschaften nur verblüffen: Statt sich für die finanzielle Stabilität der AHV einzusetzen, bringen sie diese zum Einsturz.

Belastung für Arbeitnehmer und Unternehmen

Cristina Gaggini, 47, ist seit 2008 Westschweizer Direktorin von Economiesuisse. Nach einem Studium der Politikwissenschaften an der Universität Lausanne setzte sie ihre Ausbildung in den Bereichen Verwaltung, Kommunikation und Wirtschaft fort. Vor ihrer Anstellung bei Economiesuisse arbeitete sie für die Schweizerische Zentrale für Handelsförderung (Osec, heute Switzerland Global Enterprise) und den Versicherungskonzern Vaudoise, wo sie in verschiedenen Leitungsfunktionen tätig war. Keystone

Sprachlos lässt auch die Leichtigkeit, mit der die Initiantinnen und Initianten vorschlagen, die höheren Renten zu finanzieren. Zunächst hatten sie eine Erbschaftssteuer geplant; ein Vorschlag, der letztes Jahr vom Stimmvolk bachab geschickt wurde. So kam man auf die Idee, ein ganzes Prozent aus der Mehrwertsteuer («Mehrwertsteuer-Demografieprozent») der AHV zukommen zu lassen, wie auch sämtliche Tabak- und Alkoholsteuern.

In der Zwischenzeit hat der Ständerat entschieden, das «Mehrwertsteuer-Demografieprozent» in die Reform «Altersvorsorge 2020» aufzunehmen, womit der Betrag nicht mehr verfügbar ist.

Die in die Enge getriebenen Initiantinnen und Initianten schlagen heute einen Lohnabzug vor, zu Lasten von Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Im internationalen Vergleich sind die Arbeitskosten in der Schweiz bereits sehr hoch. Eine nochmalige Erhöhung wird die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen belasten und damit auch die Beschäftigung, ein Eigentor auch für die Arbeitnehmenden.

Darüber hinaus würde die Last alle Löhne betreffen, vor allem die kleineren. Ein Paradox der Gewerkschaften! Nicht zuletzt wäre es unfair, Milliarden von Franken von den Gehältern der jüngeren Generation abzuziehen, wenn sogar die Zukunft der AHV selber nicht einmal garantiert ist.

Verschlechterung für am stärksten benachteiligte Rentner

Noch schwerer aber wiegt die Tatsache, dass die Initiative die finanzielle Situation der ärmsten Rentnerinnen und Rentner verschlechtern würde. Sollten die AHV-Renten tatsächlich ansteigen, würden die Ergänzungsleistungen (EL) nämlich um einen gleichwertigen Betrag reduziert, werden diese doch gemäss den Bedürfnissen berechnet.

Konkret würde sich die Situation für neun von zehn EL-Begünstigte nicht verändern, wie der Bundesrat erklärt. Schlimm aber ist, dass für eine Person von zehn, also für etwa 22’000 Rentnerinnen und Rentner, die Leistungen abgebaut würden: Weil sie das Recht auf EL verlieren würden, müssten sie höhere Steuern bezahlen (im Gegensatz zu Renten sind EL steuerbefreit). Zudem würden sie das Recht auf weitere Vorteile wie die Erstattung von Krankheits- und Invaliditätskosten verlieren, und die Befreiung der Radio- und Fernsehempfangsgebühren könnte wegfallen, zumindest teilweise.

Die Initiative wird nicht nur die Situation der Pensionierten nicht verbessern, sondern sie gefährdet auch unsere wichtigste Sozialversicherung. Um die finanzielle Stabilität der AHV zu garantieren, müssen wir das gesamte Rentensystem neu überdenken, wie es die Reform «Altersvorsorge 2020″, vorsieht, die gegenwärtig im Parlament diskutiert wird».

Die in diesem Artikel geäusserten Ansichten sind ausschliesslich jene der Autorin und müssen sich nicht mit der Position von swissinfo.ch decken.

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