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Homophobie-Verbot «füllt eine Gesetzeslücke»

Swissinfo Redaktion

Das Schweizer Stimmvolk entscheidet am 9. Februar über eine Ausweitung der Antirassismus-Strafnorm. Neu sollen auch homophobe Äusserungen und Diskriminierungen aufgrund der sexuellen Orientierung verboten sein. Laut Muriel Waeger, Westschweizer Direktorin des Dachverbands der Schwulen- und Lesbenorganisationen, ist die Gesetzesanpassung essentiell, denn das aktuelle Gesetz schütze nicht vor Aufruf zu Hass gegen Homosexuelle.

Das Schweizer Recht weist eine Lücke auf. Ich kann mich verteidigen, wenn eine Person öffentlich und in allgemeingültigen Worten Hass gegen meine Ethnie, Rasse oder Religion propagiert. Aufgrund eines Rechtsvakuums kann ich mich aber nicht wehren, wenn der Aufruf zu Hass meine sexuelle Orientierung betrifft.

«Ein Ja am 9. Februar wäre ein extrem starkes Signal.»

Eine Flut von Hasskommentaren gegenüber Lesben auf dem Internet, beleidigende Kommentare, die zu Hass gegenüber Homosexuellen im Fernsehen aufrufen, ein Hotel, das ein Frauenpaar abweist oder eine Krippe, welche die Kinder eines Schwulenpaars nicht aufnehmen will – das sind alles Beispiele von Diskriminierungen, die erlaubt sind, wenn sie sich gegen Lesben, Schwule oder Bisexuelle richten, nicht aber, wenn sie sich gegen andere Minderheiten in der Schweiz richten.

Eine Anpassung unseres Strafgesetzbuches ist nicht nur notwendig, um die gleichen rechtlichen Mittel zu haben, sondern ist auch ein Mittel, um einen jahrtausendealten Kreis der Aggressionen zu durchbrechen. Leider ist die Situation in der Schweiz nicht rosig, was die Gewalt gegen LGBTIQ-Personen (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender, Queer und Intersexuelle) anbelangt. Diese traurige Realität spiegelt sich in der Selbstmordrate wider, die bei sexuellen Minderheiten bis zu fünfmal höher ist.

Die Anpassung des Gesetzes wäre eine Möglichkeit, die Gewalt zu stoppen. Eine Methode, die es ermöglichen würde, das Problem an der Wurzel zu packen und nicht darauf zu warten, dass die Gewalt physisch stattfindet. Denn Worte, die zu Hass und Diskriminierung aufstacheln, reichen aus, um sehr realen Schaden anzurichten.

Das Zusammenleben erhalten

Ein Ja am 9. Februar wäre ein extrem starkes Signal. Für den Staat würde das bedeuten, dass Homo-, Bi- oder Heterophobie nicht erlaubt sind. Das ist eine Regel des Zusammenlebens, die den Opfern die Kraft und Legitimität gibt, Beschwerde einzureichen und sich gegen diese Formen von Gewalt zu wehren, bevor sie ausarten.

Die meisten Opfer von Homophobie gehen nicht zur Polizei oder den Behörden. Die Gründe sind vielfältig, aber das rechtliche Vakuum sowie mangelndes Vertrauen in die Institutionen sind die wichtigsten Erklärungsfaktoren.

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Wenn die Schweizer Bürgerinnen und Bürger gemeinsam Nein sagen zu Hass aufgrund der sexuellen Orientierung, würden sie dazu beitragen, das Vertrauen in die Behörden wieder zu stärken.

Das Umfeld und die Familien der Opfer leiden ebenfalls unter den Verleumdungen und Beleidigungen. Hass gegenüber bestimmten Bevölkerungsgruppen schaffen Unsicherheiten, spalten die Gesellschaft und untergraben den sozialen Zusammenhalt.

Meinungsfreiheit wird gewahrt

Die Gesetzesänderung ist keine Einschränkung der Meinungsfreiheit. Witze und kritische Standpunkte wären immer noch erlaubt, so wie es auch der Fall ist in Debatten über Rasse, Ethnie oder Religion. Nur die Aufstachelung zu Hass und Diskriminierung wären strafbar.

Das ist normal in einer Gesellschaft, die das Zusammenleben fördern will, denn in einer öffentlichen demokratischen Debatte soll niemand die Menschenwürde anderer herabsetzen dürfen. Kritische Argumente, die nicht beleidigend sind, werden in der Schweizer Demokratie immer willkommen sein.

Die 25-Jährige ist die Westschweizer Direktorin der Schweizerischen Lesbenorganisation (LOS) und von Pink Cross, dem Schweizer Dachverband der schwulen und bi Männer* in der Schweiz. Sie war auch Vizepräsidentin der «Jungsozialist*innen der Schweiz».

Die in diesem Artikel geäusserten Ansichten sind ausschliesslich jene des Autors und müssen sich nicht mit der Position von swissinfo.ch decken. Die Zwischentitel wurden von swissinfo.ch gesetzt.

(Übertragung aus dem Französischen: Sibilla Bondolfi)

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