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Hornkuh-Initiative: ein Schlag ins Wasser

Swissinfo Redaktion

Die Hornkuh-Initiative sei nicht notwendig und könnte zu Konflikten zwischen den verschiedenen Produzenten führen, schreibt Nationalrat Pierre-André Page von der Schweizerischen Volkspartei, der selber Landwirt ist.

Standpunkt

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Während zehn Jahren war ich Züchter gehörnter Kühe. Seit zwanzig Jahren züchte ich etwa vierzig Kühe….ohne Hörner. Meine Überlegungen beruhen also auf Erfahrungen , die mich heute dazu bringen, die Volksinitiative «Für die Würde der landwirtschaftlichen Nutztiere» abzulehnen.

Ich sage «Nein» zu dieser Initiative, weil es nicht notwendig ist, einen solchen Text in unsere Bundesverfassung aufzunehmen. Denken wir daran, dass unsere Verfassung nicht zu einer Arche Noah, einem Katalog von Verordnungen werden darf, sondern das Buch unserer Rechtsgrundsätze bleiben muss. Bereits heute, und insbesondere in Artikel 104, werden finanzielle Anreize für Landwirte geschaffen, die besonders tierfreundliche Formen der Nutztierhaltung fördern.

Warum also plötzlich Kühe mit Hörnern bevorzugen und in der Verfassung verankern? Eine Ungleichbehandlung, mit welcher der «Kollateralschaden» bereits programmiert ist: Walliser Bauern werden sich sagen, warum nicht die Kühe der Herens-Rasse unterstützen, und ihre Freiburger Kollegen werden folgen. Vergessen wir nicht die schwarz-weisse Rasse unserer Voralpen, während die Bauern jenseits der Sahne Hilfe für ihr Grauvieh verlangen werden…

Pierre-André Page
Der gelernte Landwirt Pierre-André Page bewirtschaftet in einer Betriebsgemeinschaft ein 62 Hektar grosses Anwesen in Châtonnaye im Bezirk Glâne (Kanton Freiburg). Auf dem Mischbetrieb werden Milch und Feldfrüchte produziert. Pierre-André Page war Stadtrat und dann Gemeinderat und Mitglied des Grossen Rates im Kanton Freiburg. Seit 2015 ist er Nationalrat der SVP. Pierre-André Page

Ich sage aus finanziellen Gründen «Nein» zu dieser Initiative. Die Hilfe für Hornkühe wird etwa 10 bis 30 Millionen Franken kosten. Dieses Geld muss aus der Bundeskasse für die Landwirtschaft entnommen werden. Aber zu wessen Nachteil? Jahr für Jahr setze ich mich gemeinsam mit meinen Parlamentskollegen, welche die Landwirtschaft verteidigen, dafür ein, die Subventionen auf einer Höhe von drei Milliarden Franken zu sichern. Das bedeutet, dass die Hilfe für gehörnte Kühe durch Kürzung einer weiteren Hilfe geleistet werden muss: aber welche? Unterstützung der Milchproduzenten, der Rübenbauern, der Bergbauern, der Händler, der Schweine- und Schafhalter? Konflikte sind programmiert.

Ganz zu schweigen davon, dass die gesamte Bundeshilfe kontrolliert werden muss. Das ist eine zusätzliche Verwaltungsaufgabe für den Landwirt! Und es bedeutet zusätzliche Bürokratie in der Bundesverwaltung: Jedes Jahr werden Inspektoren im Land herumreisen, um zu überprüfen, ob eine bestimmte Herde wirklich Hornkühe hat. Büroangestellte werden damit beschäftigt sein, noch mehr Formulare auszufüllen…. Das «Nein» zu dieser Initiative hilft, eine solche Verschwendung zu vermeiden.

Lassen wir die rechtlichen und finanziellen Argumente beiseite, um über die Kuh zu sprechen, mit oder ohne Hörner. Es wird oft gesagt, die Hornkuh sei das Symbol der Schweiz…. Erinnern wir uns daran, dass es in unserem Land mehrere Rassen von Kühen ohne Hörner gibt. Aber wissen wir wirklich, welche – mit oder ohne Hörner – die glücklichste ist? Sehr clever, wer diese Frage beantworten kann! Erwähnenswert ist hingegen Folgendes:

Die Entfernung der Knospe aus dem Horn einer Kuh ist für das Tier nicht schmerzhaft und beeinträchtigt seine Fähigkeit zur Milchproduktion nicht.

Hornlose Kühe bedeuten Sicherheit: zuerst für die Tiere selbst. Innerhalb einer Herde verletzen sie sich nicht gegenseitig. Und auch ohne Hörner bleibt die Hierarchie der Herde erhalten: Wer als Erste auf der Wiese sein will, drängt vor und schubst seine Artgenossen mit einem Kopfstoss. Aber auch für den Menschen: Im Stall kann der Landwirt oder der Tierarzt von einem unbeabsichtigten Hornstoss getroffen werden.

Ein weiteres Paradoxon dieser Initiative ist, dass der Bundesrat den Bau und die Entwicklung von Freilaufplätzen gefördert hat, um den Anforderungen des Tierschutzes gerecht zu werden. Aber der Landwirt muss verhindern, dass seine gehörnten Kühe verletzt werden, und deshalb seine Stallungen vergrössern, damit seine Tiere mehr Platz haben…. oder aber zu einer Form der eingeschränkten Zucht zurückkehren.

Ich sage «Nein» zu dieser Initiative:

  • aus rechtlichen Gründen: In der Schweiz ist bereits alles vorhanden, um das Tier zu schützen;
  • aus finanziellen Gründen: Der Bund verfügt nicht über die finanziellen Mittel, um die Halter gehörnter Kühe zu entschädigen;
  • aus Gründen des Tierschutzes: ohne Hörner ist die Kuh sicherer, hat mehr Bewegungsfreiheit und ist genauso glücklich.

Die in diesem Artikel geäusserten Ansichten sind ausschliesslich jene des Autors und müssen sich nicht mit der Position von swissinfo.ch decken.

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(Übertragung aus dem Französischen: Peter Siegenthaler)

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