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Ja zur Initiative für günstigen Wohnraum

Swissinfo Redaktion

Der freie Markt in der Schweiz hat viel leerstehenden Wohnraum geschaffen. Doch ein Grossteil davon ist zu teuer oder befindet sich in abgelegenen Gegenden: Diese Meinung vertritt Ständerätin Marina Carobbio Guscetti. Die sozialdemokratische Parlamentarierin ist überzeugt, dass die Volksinitiative "Mehr bezahlbare Wohnungen", über die am 9.Februar abgestimmt wird, die Marktverzerrungen teilweise beheben kann. Die Initiative komme den mittleren und unteren Einkommensschichten zu Gute.

Die Mieten stellen neben den Krankenkassenprämien die höchsten Ausgabenposten im Budget einer Schweizer Familie dar. Trotz eines Rückgangs der Zinsen und einer Zunahme an leerstehendem Wohnraum sind die Mieten in der Schweiz seit dem Jahr 2005 um 18,8 Prozent gestiegen. Das zeigen die Statistiken auf.

Am kommenden 9. Februar hat das Schweizer Volk die Gelegenheit, die Dinge zu ändern. Nachdem das Parlament die Initiative «Für bezahlbare Wohnungen» des Mieterinnen- und Mieterverbands ohne Gegenvorschlag bachab geschickt hat, stimmen wir über die Möglichkeit ab, den gemeinnützigen Wohnungsbau zu fördern und einen Teil des Marktes der Immobilienspekulation zu entziehen. Und genau dies ist notwendig.

Standpunkt

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Zu teuer und am falschen Ort

In der Schweiz wird immer mehr gebaut. Grünflächen verschwinden, um Platz für neue Wohnungen zu schaffen. Die tiefen Zinsen beflügeln die Bautätigkeit. In vielen Gemeinden ist daher tatsächlich neuer Wohnraum entstanden, doch meistens befindet sich dieser in abgelegenen Gebieten, abseits der Zentren. Der Wohnraum entsteht also nicht dort, wo er wirklich gebraucht wird. Häufig werden Luxusappartements erstellt, die für den Mittelstand unbezahlbar sind und für die es keine Nachfrage gibt.

In der Folge bleiben die Mietzinse gerade in den städtischen Zentren sehr hoch. Für viele Familien, ältere Personen und junge Menschen liegen diese Mietzinse in der Regel ausserhalb ihrer finanziellen Möglichkeiten. Kurzum: Das Wohnungsangebot hat nicht zu einer Reduktion der Mieten geführt.

Auch der Bundesrat hat in seiner Botschaft zur Volksinitiative «Für bezahlbare Wohnungen» die Schwierigkeiten anerkannt, die Mittelstandsfamilien mit geringer Kaufkraft bei der Suche nach günstigem Wohnraum haben.  Gleichwohl empfiehlt der Bundesrat die Initiative zur Ablehnung, weil eine Umsetzung angeblich zu teuer wäre und gegen die Gesetze des Marktes verstossen würde.

Aber meiner Meinung nach muss der Staat genau dann eingreifen, wenn der Markt in Bezug auf die Mieten nicht spielt! Und in Bezug auf die Kosten ist zu sagen, dass die Darlehen für den Bau von gemeinnützigen Wohnungen immer zurückbezahlt wurden und der Bund von den Zinsen profitiert.

Marina Carobbio Guscetti
Marina Carobbio Guscetti stammt aus dem Kanton Tessin und ist ausgebildete Ärztin. Ab 2007 war sie Mitglied des Nationalrats, den sich von November 2018 bis Dezember 2019 präsidierte. Seither ist sie Mitglied des Ständerats. Sie ist die erste Frau und die erste Sozialdemokratin, die von der Tessiner Wählerschaft als Repräsentantin in die Kantonskammer gewählt wurde. Sie ist Vizepräsidentin der SP Schweiz und Vizepräsidentin des Schweizerischen Mieterinnen- und Mieterverbands, zudem Erstunterzeichnerin der Eidgenössischen Volksinitiative «Für bezahlbare Wohnungen». Keystone / Gaetan Bally

Ein soziales Modell, das dem Landschaftsschutz zu Gute kommt

Die Volksinitiative möchte den gemeinnützigen Wohnungsbau fördern. Das bedeutet, es soll Wohnraum geschaffen werden, der für Familien mit geringen oder mittleren Einkommen erschwinglich ist. Mindestens zehn Prozent aller neu gebauten Wohnungen müssen gemeinnützig sein. Im Moment erreicht der Anteil nur fünf Prozent.

Gemäss einer Studie, die im Auftrag des Bundesamts für Wohnungswesen (BWO) im Jahr 2017 publiziert wurde, sind konventionelle Drei-Zimmer-Mietwohnungen um 16,5 Prozent teurer als Wohnungen gleicher Grösse im gemeinnützigen Wohnungsbau. In den grossen Städten beträgt die Differenz sogar 26 Prozent. Das heisst: Mieter bezahlen im Durchschnitt einen Gegenwert von zwei zusätzlichen Mietzinsen, wenn sie nicht in einer gemeinnützigen Wohnung leben. In den Städten entspricht der Aufpreis sogar drei Monatsmieten.

In Wohnungen, die Genossenschaften, Gemeinden oder gemeinnützigen Stiftungen gehören, werden tiefere Mieten bezahlt als in Mietobjekten, die den Regeln des freien Markts unterworfen sind. Zudem haben gemeinnützige Wohnungen einen gewissen Beruhigungseffekt auf die Mieten in der Umgebung. Diese Wohnungen verbrauchen in der Regel auch weniger Grundfläche, so dass Umwelt und Ressourcen geschont werden. Zugleich hat der gemeinnützige Wohnungsbau einen positiven Effekt in Bezug auf die soziale Durchmischung der Bewohnerschaft.

Dieses Wohnmodell soll gefördert werden, indem Kanton und Gemeinden ein Vorkaufsrecht für den gemeinnützigen Wohnungsbau erhalten. Ein Vorkaufsrecht gibt es auch auf Grundstücke, die vom Bund und bundesnahen Betrieben (wie SBB oder Post) veräussert werden.

Das ist ein wichtiges Element der Initiative, insbesondere wenn man bedenkt, dass sich diese Grundstücke beziehungsweise Immobilien häufig an privilegierter Lage befinden, also genau dort, wo mietzinsgünstige Wohnungen Mangelware sind. Schliesslich verlangt die Initiative, dass Subventionsprogramme der öffentlichen Hand zur Förderung von Sanierungen nicht zum Verlust von preisgünstigen Mietwohnungen führen.

Das Jahr 2020 wird folglich dank der Initiative «Für bezahlbaren Wohnraum» ein wichtiges Jahr für Mieterinnen und Mieter sein. Mit einem Ja können wir sicherstellen, dass gemeinnütziger Wohnungsbau gefördert wird und Haushalte mit tiefen und mittleren Einkommen preisgünstig wohnen können.

Die in diesem Artikel geäusserten Ansichten sind ausschliesslich jene der Autorin und müssen sich nicht mit der Position von swissinfo.ch decken.

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(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

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