Nein macht Weg frei für gerechte Unternehmenssteuer-Reform
Die speziellen Steuerregimes der Schweizer Kantone gehörten abgeschafft. Doch die Unternehmenssteuer-Reform III, mit der Bundesrat und Parlamentsmehrheit Steuerprivilegien abbauen möchten, sei ein überladenes Fuder, das zu neuen Steuerschlupflöchern und damit zu einem Leistungsabbau in der Schweiz führe. Das sagt Prisca Birrer-Heimo, Nationalrätin der Sozialdemokratischen Partei (SP).
Die Schweiz hat während Jahrzehnten international tätigen Firmen ermöglicht, einem Teil ihrer steuerlichen Verpflichtungen zu entgehen, wenn sie ihren Hauptsitz hier ansiedelten. So genannte Statusgesellschaften (Holdings, Gemischte- und Domizilgesellschaften), wurden steuerlich privilegiert, die Schweiz wurde international zu einem Tiefsteuerstandort.
Die speziellen Steuerregime dienten nur dazu, in anderen Staaten erarbeitetes Steuersubstrat (also zu versteuernde Gewinne) verschwinden zu lassen. Das Geld fehlt entsprechend in den betreffenden Ländern für staatliche Aufgaben, für Schulen, das Gesundheits- oder Sozialwesen.
Diese Praktiken hat die Sozialdemokratische Partei (SP) Schweiz schon lange kritisiert und gefordert, dass die Schweiz dieses internationale Steuerdumping aufgeben solle. Die bürgerlichen Parteien und der Bundesrat haben sich aber lange geweigert.
Erst als der internationale Druck zu gross wurde und die lebenswichtige Exporttätigkeit der Schweiz gefährdet war, weil das Risiko wuchs, auf schwarzen Listen zu landen, willigte die Regierung ein, diese Steuerprivilegien für die Statusgesellschaften aufzuheben.
Das Problem ist, dass einerseits der Bund, aber auch einzelne Kantone wie Genf, die Waadt, Zug oder Basel-Stadt (das seinen multinational tätigen Chemiefirmen die gleichen Privilegien eingeräumt hat) inzwischen so abhängig von diesen Gesellschaften sind, dass man einen Ersatz für die Privilegien schaffen musste.
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Deshalb soll dem Abbau der alten Steuerprivilegien mit neuen Privilegien und gewaltigen Steuergeschenken begegnet werden: Einerseits sollen die Steuern für alle Unternehmen, also auch die bisher ordentlich besteuerten, drastisch gesenkt und anderseits neue Steuerschlupflöcher geschaffen werden.
Neue Steuerschlupflöcher
Der Bundesrat hatte jedoch auch Gegenfinanzierungsmassnahmen vorgeschlagen, um die Steuerausfälle einzugrenzen. Das nach den Wahlen vom Oktober 2015 nach rechts gerückte Parlament hat aber die Kompensationsmassnahmen gestrichen und die Vorlage des Bundesrats völlig überladen.
Anstatt den durch die neuen Steuergeschenke gewonnen Mehrwert bei Aktionären und Unternehmen wieder abzuschöpfen, hat man noch zusätzliche Steuerschlupflöcher eingeführt: Neue Steuersparinstrumente wie beispielweise die zinsbereinigte Gewinnsteuer, d.h. Firmen können auf Teilen des Eigenkapitals fiktive Zinskosten abziehen, die sie gar nie bezahlt haben, oder Abzüge von 150% für Forschung und Entwicklung, also mehr als die tatsächlichen Kosten.
Die genauen finanziellen Auswirkungen sind eine «Blackbox». Viele städtische Finanzdirektoren befürchten, dass diese Instrumente zusammen mit den Steuersatzsenkungen zu gewaltigen Ausfällen führen werden. Der Bundesrat räumt denn auch Ausfälle von mindestens 3 Milliarden Franken bei Bund, Kantonen, Städten und Gemeinden ein, hofft aber, dass dies durch weiteren Zuzug von Unternehmen kompensiert wird.
Drohender Leistungsabbau
Das wird an anderen Orten wieder Steuersubstrat entziehen. Entwicklungspolitische Organisationen wie Alliance Sud warnen bereits: «Aus entwicklungspolitischer Sicht sind vor allem die verschiedenen neuen Sondersteuerregime problematisch, die der Bundesrat und das Parlament mit der Unternehmenssteuer-Reform III (USR) einführen wollen…» Wofür solle die zinsbereinigte Gewinnsteuer zurzeit gut sein, wenn nicht, um weitere Gewinnverschiebungen zu ermöglichen?
Sicher ist, dass die USR III in der Schweiz zu einer weiteren Verschärfung des Steuerwettbewerbs in den Kantonen führen wird, zu einem «race to the bottom». Zu den bereits angekündigten, teilweise massiven Gewinnsteuersenkungen kommen die neuen Steuerschlupflöcher hinzu.
Das Milliardenloch, das die USR III in die Kassen der öffentlichen Hand reisst, muss gestopft werden. Das geht nur mit Leistungsabbau – zum Beispiel bei der Bildung, bei Ergänzungsleistungen und Prämienverbilligungen – und höheren Steuern und Gebühren. Das trifft den Mittelstand, Familien und Rentner und Rentnerinnen.
Ein Nein zur USR III macht den Weg frei für eine faire, ausgewogenere und von der Wirtschaft gegenfinanzierte Reform.
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