Nein zur STAF-Abbauspirale
Die neue Unternehmenssteuerreform verstärkt den schädlichen Wettbewerb zwischen Kantonen und Staaten und reduziert gleichzeitig die öffentlichen Einnahmen. Die Präsidentin der Schweizer Grünen, Regula Rytz, fordert die Bevölkerung auf, dieses Projekt am 19. Mai in einer Abstimmung abzulehnen.
In diesem Frühling zahlen die 30 grössten Unternehmen in der Schweiz über 40 Milliarden Franken Dividenden aus. Gleichzeitig stimmen wir über eine Abbauspirale bei den Unternehmensgewinn-Steuern ab. Das «Bundesgesetz über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung» (STAF) überzeugt nicht. Wir Grünen fordern mehr Harmonisierung statt neue Ungleichheiten.
Standpunkt
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Die Schweiz muss auf internationalen Druck hin die kantonalen Privilegien für globale «Statusgesellschaften» abschaffen. Das ist unbestritten. Trotzdem scheiterte der erste Versuch (USR III) in der Referendumsabstimmung vom Februar 2017 klar. Das Nein der Bevölkerung war ein Fanal gegen die Politik der leeren Kassen.
Wer nun aber hoffte, dass im zweiten Anlauf eine ausgewogene Steuerreform verabschiedet wird, sieht sich leider getäuscht. Auch der neue Vorschlag (STAF) führt zum Abbau von über 2 Milliarden Steuerfranken jährlich, vorab in Gemeinden und Kantonen.
Und auch er heizt das interkantonale und internationale Steuerdumping weiter an. Es ist kein Weg aus der Sackgasse, sondern «alter Wein in neuen Schläuchen». So hat ein bürgerlicher Finanzpolitiker die Steuerreform zusammengefasst.
Kannibalismus zwischen den Kantonen
Tatsächlich: Die prognostizierten Verluste bei Kantonen und Gemeinden sind praktisch gleich hoch wie bei der USR III. Die Korrekturen reichen nicht aus, um das Rennen nach immer tieferen Unternehmenssteuern zu stoppen. Die Konkurrenz zwischen den Kantonen wird mit der STAF-Vorlage gar weiter verschärft.
Kantone mit vielen Statusgesellschaften (z.B. Basel-Stadt) profitieren nach der Aufhebung der Steuerprivilegien von Mehreinnahmen. Kantone mit wenigen Statusgesellschaften dagegen senken ihre Steuersätze aus Angst vor Firmen-Wegzügen ohne Zusatzeinnahmen. Dies führt zu Löchern im öffentlichen Haushalt und zu einer Mehrbelastung des Mittelstandes. Genau dazu hat die Bevölkerung Nein gesagt.
Doppelte Entlastung der Unternehmen
Die Schweiz ist schon heute die Lokomotive des globalen Steuerwettbewerbs. Mit der STAF sinken die Gewinnsteuern noch weiter in den Keller. Um den bisher privilegierten Unternehmen entgegen zu kommen, setzten Bund und Kantone nämlich auf eine doppelte Entlastung:
– Erstens sollen die Bemessungsgrundlagen (der zu versteuernde Gewinn) durch neue Sondersteuer-Instrumente wie die «Patentbox» reduziert werden. Und zwar nicht nur für die bisherigen Statusgesellschaften, sondern für alle Unternehmen in der Schweiz.
– Zweitens wird die Besteuerung des Restgewinns durch eine allgemeine Senkung der Kapital- und Gewinnsteuersätze in vielen Kantonen stark reduziert. Auch hier gibt es einen «Mitnahmeeffekt» für die bisher normal besteuerten grossen Unternehmen wie z.B. UBS Switzerland. Sie werden insgesamt um über 4.5 Milliarden Franken entlastet. Jährlich.
Unter dem Strich vernichtet STAF über 2 Milliarden Franken Steuereinnahmen und lockt weiterhin internationales Kapital in die Schweiz. Die Beurteilung der STAF durch die Entwicklungsorganisation «Alliance Sud» fällt deshalb vernichtend aus. «Gewinnverschiebungen multinationaler Konzerne in Tiefsteuergebiete wie die Schweiz entziehen den Gemeinwesen weltweit jährlich hunderte Milliarden Dollar an potentiellen Steuereinnahmen. Das ist Geld, das dringend für die Bekämpfung der Armut in den Ländern des Südens gebraucht würde.»
Ausgeglichene Reform möglich
Weil Bundesrat und Parlament die Schwächen der STAF-Vorlage kennen, wurde sie mit einer Finanzspritze für die AHV verknüpft. Diese Akzeptanzmassnahme ist zu Recht höchst umstritten: Auch wenn die Stabilisierung der AHV-Finanzen wichtig ist, darf sie nicht mit einem Steuerdeal erkauft werden.
Denn nicht nur die AHV braucht mehr Geld. Auch Kantone und Gemeinden müssen mehr investieren, um die älter werdende Bevölkerung zu unterstützen. Allein in den nächsten zehn Jahren sind dazu 30‘000 neue Pflegestellen nötig. Sie lassen sich nur mit einer ausgeglichenen Steuerreform finanzieren. Diese ist möglich – wenn ein Nein am 19. Mai die Abbauspirale stoppt.
Die in diesem Artikel geäusserten Ansichten sind ausschliesslich jene der Autorin und müssen sich nicht mit der Position von swissinfo.ch decken.
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Ja zu einer Schweiz mit Zukunft, Ja zur AHV-Steuervorlage
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