Steuertransparenz: Schweiz nimmt wichtige Hürde
Die Gefahr, dass die Schweiz als Steueroase auf einer schwarzen Liste landet, ist gebannt. Die OECD hat das Land aufgrund gesetzlicher Nachbesserungen zur 2. Phase der Länderüberprüfung zugelassen. Doch der Druck bleibt bestehen, denn ab Herbst 2015 wird die OECD die Praxis der Steueramtshilfe beurteilen.
«Wir sind auf gutem Weg und wollen die Anstrengungen für einen integren und wettbewerbsfähigen Finanzplatz weiterführen», sagt der für internationale Finanzfragen zuständige Jacques de WattewilleExterner Link zur Phase II des Länderexamens, die im Herbst 2015 beginnen und mehrere Monate dauern wird.
«Die Schweiz hat einen Schritt in die richtige Richtung gemacht, aber der wirkliche Prüfstein wird das Examen der Phase II, also die praktische Anwendung sein», sagt Pascal Saint-AmansExterner Link, Direktor des Zentrums für Steuerpolitik der OECD gegenüber swissinfo.ch.
In den vergangenen Wochen jedoch hat die Schweiz nach Jahren der Unsicherheit die erste Phase des Länderexamens bestanden. In dieser Phase ging es darum festzustellen, ob die gesetzlichen Grundlagen den OECD-Normen für die Amtshilfe bei Steuerdelikten genügten.
Sie genügen nicht, die Schweiz muss schnell und mit Turbodruck nachbessern. – So lautete das Urteil des Global ForumExterner Link über Transparenz und Informationsaustausch im Steuerbereich im Jahr 2011. Vor allem drei Punkte bemängelte das Forum damals: zuwenig Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) nach gültigem OECD-Standard, die vorgängige Information ausländischer Schweizer Bankkunden über eine eingegangene Anfrage für Amtshilfe, sowie die Existenz von so genannten Inhaberaktien, also Aktien, bei denen der Besitzer nicht bekannt ist.
57 DBA abgeschlossen
Im Juni 2014 hat die Schweiz einen Zusatzbericht und ein weiteres Examen durch das Global Forum beantragt und auf die vorgenommenen und projektierten gesetzlichen Reformen hingewiesen. So müssen seit dem 1. August 2014 die Schweizer Behörden Steuersünder nicht mehr in jedem Fall vorgängig informieren, wenn sie Daten über diese an andere Staaten übermitteln.
Im Dezember 2014 hat das Parlament quasi in letzter Minute ein Gesetz verabschiedet, das bei Inhaberaktien Transparenz über deren Besitzer herstellt. Schliesslich hat die Schweiz etliche DBA neu verhandelt, an den OECD-Standard angepasst oder neu abgeschlossen.
Kritisch war aus Sicht der OECD vor allem, dass die Schweiz mit dem Nachbarland Italien kein konformes DBA abgeschlossen hatte. Kurz vor Beginn des Länderexamens konnte die Schweiz ein DBA mit Italien abschliessen und die Anzahl der DBA auf 57 erhöhen.
Störfaktor HSBC
Begonnen hat das Examen ausgerechnet am 9. Februar, also am Tag, an dem die Zeitungen rund um den Globus über die Beihilfe zur Steuerhinterziehung in Milliardenhöhe durch die Schweizer Filiale der britischen Grossbank HSBC berichteten. Laut den bis dahin geheimen Dokumenten hat die Bank auch Politikern, Waffenhändlern und Kriminellen geholfen haben, Geld vor dem Fiskus zu verstecken.
Das alles geschah vor einigen Jahren, als das Schweizer Bankgeheimnis gegenüber dem Ausland noch in Stein gemeisselt schien. Die Schweizer Delegation musste während Stunden erklären, dass das für das Examen zu beurteilende gesetzliche Regelwerk ganz anders daherkommt, als zur Zeit der HSBC-Verfehlungen.
Evaluation der Amtshilfe-Praxis
Das ist gelungen: Das Global Forum hat die Evaluation abgeschlossen und ist zum Schluss gekommen, dass die Schweiz die Vorgaben nun erfüllt und die Gesetze entsprechend geändert hat. Damit ist der Weg frei für die zweite Etappe, die im Herbst 2015 beginnen wird.
Die Schweiz erwartet dabei aller Voraussicht nach eine intensive und nicht ganz einfache Prüfung, denn beurteilt werden wird die konkrete Anwendung der Amtshilferegeln. Etliche Staaten haben in den vergangenen Jahren zahlreiche Amtshilfe-Gesuche gestellt und etliche davon wurden noch nach den bisherigen gesetzlichen Bestimmungen und damit nicht standardkonform beurteilt.
Zu diesem Thema wird die Schweizer Diplomatie also glaubhaft darlegen müssen, dass sich mit den Gesetzen auch die Praxis geändert hat, zumal eine schlechte Note in der Phase II tiefgreifende Reputationsschäden verursachen und eine lange Phase der Unsicherheit einleiten kann. So wurde Luxemburg 2013 zur zweiten Phase zugelassen, aber als nicht konform beurteilt. In der Folge hat das Land die nötigen Reformen zügig an die Hand genommen und Ende 2014 ein Gesuch für ein neues Examen gestellt. Das im Herbst 2015 beginnende Examen wird ein Jahre dauern. Mit andern Worten: Im besten Fall wird Luxemburg drei Jahre gebraucht haben, um definitiv nicht mehr als Steueroase zu gelten.
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