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Ein Schweizer Pass für alle

Swiss Democracy Passport.
So sieht er aus, der Swiss Democracy Passport. Bruno Kaufmann

Ein Stapel roter Schweizer Pässe liegt vor Ihnen, und Sie können sich bedienen. Ohne mühsame Einbürgerungs-Tests über die Geschichte der alten Eidgenossen oder die korrekte Fondue-Zubereitung. Und der Pass ist gratis. Ein Märchen? Nein, Realität.

Um das Geheimnis gleich zu lüften: Beim roten Büchlein handelt es sich nicht um den Pass für Schweizer Staatsbürger:innen, sondern um den Swiss Democracy Passport. Die Erstausgabe erfolgte am 15. September 2021 – dem Internationalen Tag der Demokratie. Die überarbeitete und aufdatierte Ausgabe 2022 wurde in diesem Sommer veröffentlicht.

Zwar stimmen Farbe des Umschlags und Format mit jenen des offiziellen Schweizer Passes überein. Doch damit hat es sich auch schon mit den Parallelen.

Die Vorstellung des Passes erfolgte am 15. September 2021 im Polit-Forum Käfigturm in Bern im Rahmen des Welt-Demokratietags, den die UNO 2007 ins Leben gerufen hatte.

Ausserdem an zwei internationalen Anlässen, die in der Schweiz über die Bühne gingen: Am 24. und 25. September 2021 fand in Zofingen das 1. Internationale Forum der Schweizer Demokratie Stiftung statt, bei dem SWI swissinfo.ch Medienpartner war.

Star der Veranstaltung war der deutsch-amerikanische Politikwissenschaftler Yascha Mounk. Mit seinem Buch «Der Zerfall der Demokratie. Wie der Populismus den Rechtsstaat bedroht» (2018) zählt er zu den wichtigsten Stimmen in der aktuellen Demokratiedebatte.

Mounk nahm in Zofingen unter anderem an einem Panel zum Thema «Die Demokratie im Coronatest» teil, das swissinfo.ch-Chefredaktorin Larissa Bieler moderierte.

Im September 2022 dann ist in Luzern das 10. Global Forum on Modern Direct DemocracyExterner Link geplant. Die Stiftung fungiert dort als Mitorganisatorin.

So gibt es den Pass in keiner der vier Landessprachen, sondern nur in Englisch. Der Swiss Democracy Passport soll also in der Welt, ausserhalb der Schweiz, Beachtung finden.

Der Untertitel macht klar, was es damit auf sich hat: «Guide to Modern Representative Democracy With Initiative and Referendum». Ein Begleiter zur modernen repräsentativen Demokratie mit Initiative und Referendum also.

Der Pass, das ist eine 56-seitige Broschüre, die kompakt in Text, Bild und Grafiken Auskünfte über und Einblicke in die Schweizer Demokratie gibt. «Mit dem Demokratiepass wollen wir dem grossen und weltweiten Missverständnis entgegentreten, dass sich direkte Demokratie und repräsentative Demokratie gegenseitig ausschliessen», sagt Adrian Schmid, Präsident der Schweizer Demokratie StiftungExterner Link, die den Pass mit inhaltlicher Unterstützung der Universität Bern herausgibt.

Denn die Schweiz zeige, dass sich direkte und parlamentarische Demokratie «nicht nur ergänzen, sondern auch gegenseitig unterstützen», sagt Schmid.

Hier können Sie in der digitalen Version blättern:

Swiss Democracy Passport 2. Ausgabe 2022 (nur in Englisch)

Download:Swiss Democracy Passport 2. Ausgabe 2022 (nur in Englisch)

Schweizer Botschaften als Verteilerinnen

Wie können Sie zu einem solchen Schweizer Demokratiepass kommen? Das Schweizer Aussendepartement EDA wird einen grösseren Teil der Startauflage von 2000 Exemplaren in den Schweizer Botschaften rund um die Welt auflegen lassen. Zielpublikum sind alle Demokratie-Interessierten aus Politik, Wirtschaft, Bildung und Zivilgesellschaft.

Die Finanzierung stemmte die Schweizer Demokratie Stiftung, wobei die Abnehmer einen Teil vergüten – neben dem Bund ist dies unter anderem auch die Stadt Luzern. Sie wird die Pässe am 10. Weltforum für direkte Demokratie auflegen, das im September 2022 dort stattfinden wird (mehr dazu unten).

Demokratie-Stunde für die First Lady: 1998 lässt sich Hillary Clinton, Gattin des damaligen US-Präsidenten Bill Clinton, von den Mitgliedern des Kinderparlaments Luzern in die Welt der inklusiven und direkten Demokratie einweihen. Das Bild geht jetzt im neuen Swiss Democracy Passport um die Welt. Priska Ketterer

Angesichts des Drucks auf Demokratien und demokratische Freiheiten geht es den Initiantinnen und Initianten mit dem Pass nicht nur um Information, sondern auch um Ermächtigung. «Der Pass ist eine Art Toolbox. Mit den darin dargestellten Instrumenten der direkten Demokratie können Minderheiten versuchen, Mehrheiten für ihre Anliegen zu finden», sagt Adrian Schmid.

Bevölkerung ins Boot holen

Die internationale Demokratieförderung ist integraler Teil der Schweizer Aussenpolitik. Sie ist auch in der Verfassung festgeschrieben.

Was aber soll mehr Demokratie anderen Ländern bringen? Der Schweizer Aussenminister Ignazio Cassis nennt in seinem Vorwort folgende Schlüsselargumente:

  • Die direkte Demokratie erhöht die Unterstützung der Bevölkerung für politische Entscheidungen.
  • Sie zwingt alle Beteiligten zu Kompromissen, um in bestimmten Fragen Mehrheiten zu sichern.
  • Die Kombination von direkter Demokratie, Föderalismus und Rechtsstaatlichkeit sichert ab, dass Minderheiten Gehör finden und geschützt werden.

Der Swiss Democracy Passport ist die vierte Version dieser Broschüre.

Den ersten «Demokratiepass» gab es in der schwedischen Stadt Falun.

Dann folgte der «Demokratiepass der Europäischen Union», der in 23 Sprachen vorliegt. Mit einer Auflage von über einer halben Million Exemplaren ist er das EU-Dokument mit der höchsten Printauflage.

Seit 2017 gibt es den «Globalen Demokratiepass», der u. a. auch in einer chinesischen Version vorliegt.

Erfinder der Demokratiepässe ist der Schweizer Journalist Bruno Kaufmann, der auch seit Jahrzehnten für die SRG als internationaler Korrespondent arbeitet – bei SRF und SWI swissinfo.ch.

«Alles fing damit an, dass sich eine schwedische Sekundarlehrerin bei mir darüber beklagte, ihr fehle ein einfaches Lehrmittel im Staatskundeunterricht», sagt Kaufmann zur Entstehung.

«Vor allem auf der europäischen Ebene hat der Demokratiepass dazu beigetragen, dass neue Instrumente wie das Europäische Bürgerinitiativrecht viel bekannter geworden sind.» Das zeige sich auch in der stark gesteigerten Nutzung dieses ersten grenzüberschreitenden Volksrechts.

Cassis weist aber auch darauf hin, dass die direkte Demokratie für die Aussenpolitik auch eine Herausforderung darstellen könne. Geraden in Zeiten, wo «Innen- und Aussenpolitik mehr denn je eng miteinander verwoben sind», wie er schreibt. Neue Instrumente wie das Soft Law ermöglichten der Aussenpolitik zwar rasche Antworten auf neue globale Probleme. Doch solche nicht verbindliche Übereinkünfte, Absichtserklärungen oder Leitlinien «werfen auch berechtigte Fragen bezüglich der demokratischen Mitwirkung an ihrer Ausarbeitung auf.»

Eine Herausforderung ganz anderer Art für Cassis ist China, zu dem die Schweiz seit der frühen Anerkennung 1950 traditionell gute Beziehungen unterhält.

Angesichts der Zunahme von Menschenrechtsverletzungen in China, die Cassis 2019 feststellte, müsse die Schweiz ihre Interessen und Werte gegenüber Peking robuster vertreten. Dazu meint er aber nicht die Verteilung des Schweizer Demokratiepasses, sondern die Stärkung des internationalen Rechts und des multilateralen Systems.

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