Timeline: Die Schweiz und der Nahostkonflikt
Der andauernde israelisch-palästinensische Krieg ist das jüngste Kapitel im jahrzehntelangen Konflikt im Nahen Osten. Die Schweiz steht für Neutralität, humanitäre Unterstützung und pocht auf die Einhaltung der UNO-Resolutionen. Welche Rolle sie im Nahostkonflikt über die Zeit gespielt hat.
Wo liegt der Ursprung des Nahostkonflikts? Die Antwort fällt je nach Perspektive anders aus. Einige sehen die Anfänge in der Antike oder in der jüdischen Migration des späten 19. Jahrhunderts. Andere setzen den Ersten Zionistenkongress, der 1897 in Basel stattfand, an den Anfang der Timeline.
Der Erste Zionistenkongress von 1897 in Basel unterstreicht die historischen Bande zwischen der Schweiz und dem entfernten Konflikt. Die Positionen und die Politik des Alpenlandes waren im Laufe der Jahrzehnte geprägt von einer sorgfältigen Abwägung zwischen Neutralität und humanitärem Engagement. Auch orientierte sich die Haltung Berns konsequent an den entsprechenden Resolutionen der Vereinten Nationen.
Zu den Begriffen, die mit einem Sternchen markiert sind, finden Sie im Glossar weitere Erläuterungen.
August 1897: Erster Zionisten*-Kongress in Basel, Schweiz
Eine Woche nach dem Kongress schrieb Theodor Herzl, Initiant und späterer Gründungspräsident der Zionistischen Weltorganisation: «In Basel habe ich den Judenstaat gegründet.»
1917: Die Balfour-Erklärung*
1918-1948: Britisches Mandat für Palästina
1927: Die Schweiz richtet ein Konsulat in Jaffa ein
Jaffa war damals eine wichtige Hafenstadt im südlichen Teil des britischen Mandatsgebiets Palästina und ist heute Teil des südlichen Tel Aviv. Im Jahr 1927 ist Jaffa noch eine überwiegend arabische Stadt, die sich aufgrund der wachsenden zionistischen Bewegung und der zunehmenden jüdischen Einwanderung nach Palästina stark verändert.
1947: Die UNO schlägt einen Teilungsplan für Palästina vor, der von den arabischen Staaten abgelehnt wird
1948: Israel erklärt seine Unabhängigkeit. Die arabischen Staaten antworten mit einem Angriff auf Israel; arabisch-israelischer Krieg
Nach dem Auslaufen des britischen Mandats für Palästina erklärte der Staat Israel seine Unabhängigkeit, was zu einer sofortigen militärischen Intervention der arabischen Länder Ägypten, Transjordanien (heute Jordanien), Syrien, Libanon und Irak führte.
Der Konflikt, der als arabisch-israelischer Krieg von 1948 bekannt ist, endete mit einer militärischen Niederlage für die arabischen Staaten und bedeutenden Gebietsgewinnen für Israel, die über den UNO-Teilungsplan hinausgingen.
Eine wichtige Folge des Krieges war die Nakba*, als schätzungsweise 750’000 der 1,9 Millionen Palästinenserinnen und Palästinenser zu Flüchtlingen jenseits der Grenzen des Staates Israel wurden und nie wieder zurückkehren durften.
1949: Die Schweiz erkennt den Staat Israel an; Waffenstillstandsabkommen
Die Schweiz erkennt am 28. Januar 1949 Israel und Jordanien de facto an. Der Schweizer Bundesrat hatte die Anerkennung 1948 hinausgezögert, um den Eindruck einer Parteinahme zu vermeiden und die Handelsbeziehungen mit den arabischen Ländern, insbesondere Ägypten, aufrechtzuerhalten.
Die Schweizer Behörden waren auch besorgt über Israels sozialistische Tendenzen zu jener Zeit und seine mögliche Annäherung an den kommunistischen Ostblock. Die offizielle Anerkennung folgte dem Beispiel anderer westlicher Staaten und dem sich abzeichnenden Waffenstillstandsabkommen, das als Grüne Linie bekannt werden sollte.
Mit der Grünen Linie wurden die Grenzen zwischen den israelischen Streitkräften und denen der arabischen Nachbarländer abgesteckt. Diese Linien wurden de facto zu den Grenzen Israels, und zwar bis zum Sechstagekrieg 1967.
Glossar
Zionismus:
Eine politische Bewegung, deren ursprüngliches Ziel die Schaffung eines Landes für das jüdische Volk war und die heute den Staat Israel unterstützt.
Balfour-Erklärung:
Eine öffentliche Erklärung der britischen Regierung aus dem Jahr 1917. Sie sprach sich für eine «nationale Heimstätte für das jüdische Volk» in Palästina aus, was eine wichtige Unterstützung der zionistischen Bestrebungen darstellte. Darin war jedoch auch festgelegt, dass «nichts unternommen werden darf, was die bürgerlichen und religiösen Rechte der bestehenden nicht-jüdischen Gemeinschaften in Palästina beeinträchtigen könnte».
Nakba:
Arabisch für «Katastrophe», bezieht sich auf die Massenvertreibung und Enteignung der Menschen aus Palästina während des arabisch-israelischen Krieges von 1948.
Naksa:
«Rückschlag» auf Arabisch, bezeichnet die Auswirkungen des Sechstagekriegs von 1967 auf die Palästinenser:innen und die arabischen Nationen. Gemeint waren insbesondere die israelische Besetzung der verbleibenden palästinensischen Gebiete im Westjordanland, in Ostjerusalem, im Gazastreifen sowie auf den syrischen Golanhöhen und der ägyptischen Sinai-Halbinsel.
Jom-Kippur-Krieg:
Auch bekannt als Oktoberkrieg, war ein Konflikt im Jahr 1973 zwischen Israel und einer Koalition arabischer Staaten unter Führung Ägyptens und Syriens zur Rückeroberung der eroberten Gebiete an Jom Kippur, einem jüdischen Feiertag. Er endete mit dem militärischen Sieg Israels.
PLO:
Die Palästinensische Befreiungsorganisation mit ihrer Hauptfraktion Fatah ist eine politische und militärische Organisation, die gegründet wurde, um Palästina durch den bewaffneten Kampf zu befreien. Später jedoch anerkannte die PLO unter Jassir Arafat Israel und strebte eine Zwei-Staaten-Lösung an.
Hamas:
Eine militante islamistische und politische Organisation, welche die Errichtung eines palästinensischen Staates anstrebt und sich in einem politischen und militärischen Konflikt mit Israel befindet. Sie wird von vielen Ländern, darunter Israel, den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union, als terroristische Vereinigung betrachtet.
Intifada, erste und zweite:
Arabisch für «Aufstand». Beide Intifadas waren palästinensische Aufstände gegen die israelische Besatzung, die durch weit verbreitete Proteste, zivilen Ungehorsam und Gewalt sowie Massenverhaftungen von Aufständischen gekennzeichnet waren.
Osloer Abkommen:
Eine Reihe von Vereinbarungen zwischen Israel und der PLO in den 1990er-Jahren. Sie zielten darauf ab, einen Vertrag auf der Grundlage der UNO-Resolutionen 242 und 338 zu schliessen und einen Rahmen für die künftigen Beziehungen zwischen den beiden Konfliktparteien zu schaffen.
Abraham-Abkommen:
Eine Reihe von Abkommen, die im Jahr 2020 unterzeichnet wurden, um die Beziehungen zwischen Israel und mehreren arabischen Staaten zu normalisieren. Initiiert von den Vereinigten Arabischen Emiraten und gefolgt von Bahrain, Marokko und Sudan, markierten die Abkommen den Übergang von der langjährigen arabischen Weigerung, Israel als Staat anzuerkennen, zu einer neuen Phase offener diplomatischer Beziehungen.
1951: Die Schweiz eröffnet eine diplomatische Gesandtschaft in Tel Aviv
1967: Sechs-Tage-Krieg
Israel beginnt einen präventiven Verteidigungskrieg gegen Jordanien, Ägypten und Syrien, da diese offenbar eine Invasion vorbereiten. Diese Offensive überraschte die arabischen Regierungen und führte dazu, dass Israel sein Territorium wesentlich erweiterte. Die annektierten Gebiete umfassten die Sinai-Halbinsel, den Gazastreifen, das Westjordanland, Ostjerusalem und die Golanhöhen.
1973: Jom-Kippur-Krieg*
Ein Überraschungsangriff Ägyptens und Syriens auf Israel führt zu einem kurzen, aber heftigen Konflikt. In dieser Zeit verdeutlicht die Schweizer Diplomatie ihre Position im Nahen Osten und bringt ihre Sympathie für Israel zum Ausdruck, insbesondere nach dem Jom-Kippur-Krieg. Dies spiegelte sich auch in der Entscheidung der Schweiz wider, die Subventionen der UNESCO zu stoppen, nachdem die UNO-Organisation 1975 eine israelkritische Resolution verabschiedet hatte.
Gleichzeitig begann sie, eine proaktivere und nuanciertere Haltung einzunehmen. Dies war teilweise beeinflusst durch Anschläge militanter Palästinenser auf Schweizer Boden, darunter der bis heute ungeklärte Bombenanschlag auf ein Swissair-Flugzeug im Jahr 1970. Dabei kamen alle 47 Menschen an Bord ums Leben. Die Behörden vermuteten eine Verbindung zu militanten Palästinensern.
22. Oktober 1973: UNO-Resolution 338
Die Resolution fordert alle Parteien auf, den Beschuss und alle militärischen Aktivitäten unverzüglich einzustellen. Sie besagt, dass alle Parteien Verhandlungen aufnehmen sollen, um einen gerechten und dauerhaften Frieden im Nahen Osten zu erreichen.
Die Schweiz unterstützte den Friedensprozess, ihre Haltung zur Resolution 338 ist jedoch nicht eindeutig dokumentiert.
1975: Die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) eröffnet in Genf ein Büro
Die Eröffnung des Büros war Teil einer umfassenderen Strategie der Schweiz, in Kontakt mit verschiedenen Parteien im Nahostkonflikt zu treten. Dieser Ansatz wurde von dem Wunsch der Schweiz beeinflusst, eine Vermittlerrolle zu spielen. Dahinter stand aber auch die Sorge um die Sicherheit der Schweizer Bürgerinnen und Bürger im Ausland, insbesondere nach der Serie von Anschlägen militanter Palästinenser auf Schweizer Boden.
Damals wurde ein geheimes Abkommen zwischen der Schweiz und der PLO vermutet, das diplomatische Unterstützung für die palästinensische Sache als Gegenleistung für die Zusicherung vorsah, von weiteren Anschlägen verschont zu bleiben. Eine Untersuchung der Schweizer Regierung fand keine Beweise, die ein solches Treffen oder eine solche Vereinbarung bestätigt hätten.
1979: UNO-Resolutionen 446 und 452
Beide Resolutionen befassen sich mit israelischen Siedlungen in den seit 1967 besetzten palästinensischen Gebieten, einschliesslich Ost-Jerusalem. In der Resolution 446 werden diese Siedlungen als «rechtlich ungültig» bezeichnet, während die Resolution 452 Israel auffordert, den Bau solcher Siedlungen einzustellen.
Die Haltung der Schweiz zu beiden Resolutionen ist klar: Die Schweiz setzte sich konsequent für die Beendigung der israelischen Siedlungsaktivitäten in den besetzten Gebieten ein, schloss sich der Position der UNO an und betonte die Notwendigkeit eines Stopps der Siedlungsexpansion.
1980: UNO-Resolutionen 465, 476 und 478
In der Resolution 465 wird Israel aufgefordert, die bestehenden Siedlungen aufzulösen und die Planung und den Bau neuer Siedlungen einzustellen. Die Resolution 476 bekräftigt die Unrechtmässigkeit der israelischen Massnahmen zur Veränderung des Status und der demographischen Zusammensetzung Jerusalems.
In der Resolution 478 wird Israel verurteilt, weil es Jerusalem zu seiner Hauptstadt erklärt hat, und die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, ihre diplomatischen Vertretungen aus der Stadt abzuziehen.
Die Haltung der Schweiz steht im Einklang mit diesen Resolutionen: Sie lehnt die israelischen Siedlungen in den besetzten Gebieten ab, erkennt Ostjerusalem als besetztes Gebiet an und unterstützt eine Verhandlungslösung für Jerusalem, behält aber ihre Botschaft in Tel Aviv.
1981: UNO-Resolution 497
Die Resolution stellt fest, dass Israels Gesetze auf den Golanhöhen null und nichtig sind und keine internationale Rechtswirkung haben.
Die Schweiz betrachtet die Golanhöhen als besetztes Gebiet und lehnt deren Annexion ab.
1987-1993: Erste Intifada*
1988: Gründung der Hamas*
In der Vergangenheit hat die Schweiz davon abgesehen, die Hamas als terroristische Organisation zu bezeichnen, und unterhielt Kontakte mit ihr im Rahmen ihrer Politik des integrativen Dialogs und der Guten Dienste.
Eine Hamas-Delegation besuchte 2012 sogar die Schweiz, um an einer Sitzung der Interparlamentarischen Union (IPU) in Genf sowie an einer Universitätskonferenz zum Thema Gaza teilzunehmen. Diese Politik blieb bis 2023 in Kraft.
1993: Oslo-Abkommen*; die Schweiz unterstützt den Friedensprozess
2000-2005: Zweite Intifada
2002: UNO-Resolutionen 1397 und 1402
Die Resolution 1397 bekräftigt die Vision von zwei Staaten, Israel und Palästina, die innerhalb sicherer und anerkannter Grenzen nebeneinander existieren. Die Resolution 1402 fordert den Rückzug der israelischen Streitkräfte aus den palästinensischen Städten, die Einstellung der Gewalt und eine Rückkehr zu Verhandlungen.
Die Position der Schweiz steht im Einklang mit diesen Resolutionen und unterstützt sowohl die Zweistaatenlösung als Grundlage für den Frieden als auch die Beendigung der Gewalt und die Wiederaufnahme der diplomatischen Gespräche.
Oktober 2003: Genfer Initiative
Der Friedensvorschlag, der sich mit den wichtigsten Konfliktthemen (Jerusalem, palästinensische Flüchtlinge und Grenzverlauf) befasst, wurde von israelischen und palästinensischen Persönlichkeiten unterzeichnet und vom Schweizer Rechtswissenschaftler Alexis Keller und seinem Vater, einem ehemaligen Diplomaten und Bankier, vermittelt.
Trotz internationaler Unterstützung stiess die Initiative auf Widerstand. Auch stiess die Beteiligung der Schweiz auf Kritik. 2023 distanziert sich die Schweiz von der Genfer Initiative und begründete dies mit dem dramatisch veränderten politischen Kontext und der Notwendigkeit innovativerer Ansätze.
2003: UNO-Resolution 1515
Die Resolution unterstützt die «Roadmap for Peace», die ein Ende der Gewalt und eine Zweistaatenlösung fordert. Die Schweiz unterstützt die Resolution vollständig.
2006: Die Hamas gewinnt die palästinensischen Parlamentswahlen; die Schweiz unterhält Kontakte zur Fatah und zur Hamas
2008-2009, 2012, 2014, 2021: Israelisch-palästinensische Kriege; die Schweiz leistet humanitäre Hilfe und ruft zu Waffenstillständen auf
September 2020: Abraham-Abkommen*
Eine von den Vereinigten Staaten vermittelte Reihe von Abkommen zur Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und mehreren arabischen Staaten.
November 2020: Nahost-Besuch von Ignazio Cassis
Der Schweizer Aussenminister Ignazio Cassis besucht Israel, Palästina und die Vereinigten Arabischen Emirate und konzentriert sich dabei auf die Umsetzung der Strategie der Schweiz für den Nahen Osten und Nordafrika (MENA) für den Zeitraum 2021 bis 2024.
Die wichtigsten Themen in den Gesprächen mit den regionalen Führungspersönlichkeiten sind Dialogförderung, Innovation und Nachhaltigkeit.
Januar 2022: Die Schweiz beschliesst, die Genfer Initiative fallen zu lassen und ihre Nahost-Strategie neu zu definieren
2023: Israelisch-palästinensischer Krieg
Als Reaktion auf die Angriffe von Hamas-Kämpfern auf Israel am 7. Oktober verurteilt die Schweiz die Angriffe und die Regierung erklärt, dass die Hamas als terroristische Organisation zu betrachten sei. Als Reaktion auf die Angriffe verhängte Israel eine totale Blockade des Gazastreifens und erklärte der Hamas den Krieg.
Editiert von Virginie Mangin. Übertragung aus dem Englischen: Renat Kuenzi
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