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Todesstrafe ist teurer als «lebenslänglich»

Die Todesstrafe wird in den USA auch mittels Giftspritzen auf einer solchen Liege vollstreckt. Keystone

Vorurteile ausräumen und die öffentliche Meinung darauf sensibilisieren, dass diese Strafe gegen die Menschenwürde verstösst. Das ist das Ziel des 4. Weltkongresses gegen die Todesstrafe, der derzeit in Genf stattfindet.

«Es handelt sich um eine grundsätzlich ungerechte Strafe, die vor allem an Randgruppen der Gesellschaft angewendet wird», sagt Edward McCarthy.

Der US-Amerikaner hat 20 Jahre seines Lebens im Gefängnis verbracht, 19 davon im Todestrakt.

Ein Gericht hatte ihn dreimal zum Tod verurteilt. Eine DNA-Probe beendete schliesslich seinen langen Leidensweg.

Sein Fall ist nur eine der Zeugenaussagen, die am 4. Weltkongress gegen die Todesstrafe gehört werden.

«Die Schweiz, welche den Anlass mitfinanziert, ist der Überzeugung, dass die Anwendung der Todesstrafe ein inakzeptables Hindernis für den Fortschritt der Menschheit darstellt», sagt Botschafter Thomas Greminger, Chef der Division Menschenrechte und humanitäre Politik im Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA).

Der Botschafter bekräftigt das Engagement der Schweiz beim internationalen Kampf zur Abschaffung der Todesstrafe, der von Bern zu einer aussenpolitischen Priorität erklärt worden ist.

Verhaltener Optimismus

Raphael Chenuil Hazan, Direktor der Vereinigung «Gemeinsam gegen die Todesstrafe» (Ensemble Contre la Peine de Mort, ECPM) und Arnaud Gaillard, Koordinator der Konferenz, betonen, die Herausforderung für die Befürworter der Abschaffung sei immer noch immens, trotz der schon erzielten Fortschritte.

Denn diese Strafe gehörte vor 25 Jahren noch in zwei Dritteln aller Länder zum Rechtssystem. Heute nutzen sie nur noch rund ein Drittel. «Trotzdem werden jedes Jahr rund sechstausend Menschen hingerichtet, eine enorme Zahl», sagt der ECPM-Chef.

Seit ihrer Gründung im Jahr 2000 widmet sich die französische Organisation dem Kampf gegen Hinrichtungen. Sie ist aus dem alle drei Jahre tagendenden Weltkongress hervorgegangen und der Gründung der weltweiten Koalition gegen die die Todesstrafe.

Auf dem 4. Kongress werden über 1000 Teilnehmende aus der ganzen Welt erwartet. Der Anlass wird unterstützt von verschiedenen Einrichtungen, auch aus dem Süden, wo die Todesstrafe noch in vielen Ländern angewandt wird.

Die Teilnehmer rekrutieren sich aus 58 Ländern, vor allem aus Asien, der arabischen Welt und einem Teil der karibischen Staaten. Die Liste umfasst auch die Vereinigten Staaten und Japan.

Argumente populistischer Regierungen

In Genf setzen sich die Todesstrafe-Gegner auch für die UNO-Resolution zu einem Moratorium der Todesstrafe ein, über welches voraussichtlich noch Ende dieses Jahres abgestimmt werden wird.

Ausserdem arbeiten sie dafür, dass jene Staaten, welche die Todesstrafe bereits abgeschafft haben, ihre Meinung nicht wieder ändern. Denn man weiss, dass «gewisse populistische Regierungen einiger Länder in Betracht ziehen, die Todesstrafe im Kampf gegen das Verbrechen wieder einzuführen», sagt Arnaud Gaillard. «Gemäss wissenschaftlichen Studien zeitigt die Todesstrafe jedoch keine abschreckende Wirkung.»

Er fügt hinzu, dass eine Tötung häufig eine aus Leidenschaft erwachsene Tat sei, die begangen werde, auch wenn die Todesstrafe drohe.

Es gibt Anstrengungen in Ländern wie Mexiko und Jamaika, die Todesstrafe wieder einzuführen. Andernorts, wie in den Vereinigten Staaten, wurde die Abschaffung einige Male aus wirtschaftlichen Erwägungen verzögert.

Entgegen der landläufigen Meinung ist jedoch bewiesen, dass es teurer ist, die Todesstrafe anzuwenden als nicht. Die Erklärung: Zwischen dem Zeitpunkt, in dem eine Person zum Tod verurteilt wird und der Anwendung der Strafe (oder der Erklärung der Unschuld) können zehn, fünfzehn oder gar 20 Jahre vergehen.

«In dieser ganzen Zeit», erläutert Raphael Chenuil Hazan, «müssen die Anwälte bezahlt werden, die Kosten des Verfahrens, Forschungs- und Laboruntersuchungen, die ganze Maschinerie des Todes…»

In Genf werden aber nicht nur die finanziellen Aspekte dieser Sanktion diskutiert, sondern auch die vielen weiteren Folgen.

Marcela Águila Rubin, swissinfo.ch
(Übertragung ins Deutsche: Etienne Strebel)

Der Kongress findet vom 24. bis 26. Februar 2010 in Genf statt.

Er wird organisiert durch die französische Vereinigung Ensemble Contre la Peine de Mort (ECPM), mit Unterstützung der Schweiz und in Zusammenarbeit mit der weltweiten Koalition gegen die Todesstrafe.

Die Schweiz ist Gastgeberin dieses Kongresses. Er hat zum Ziel, wirksame Handlungsstrategien für die Abschaffung der Todesstrafe zu entwickeln.

Das Engagement für die weltweite Abschaffung der Todesstrafe ist eine Priorität der schweizerischen Menschenrechts-Aussenpolitik.

Bisher fanden die Kongresse statt in Strassburg (2001), Montreal (2004) und Paris (2007).

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