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Berset: «Macron versteht das Schweizer System»

Berset und Marcon laufen eine Treppe hinunter
Bundespräsident Berset und Staatspräsident Macron im Elysée-Palast. © KEYSTONE / PETER KLAUNZER

Bundespräsident Alain Berset und der französische Präsident Emmanuel Macron verteidigen beide den Multilateralismus. Allerdings brachte das Treffen vom Mittwoch in Paris keine wesentlichen Fortschritte in Sachen Rahmenabkommen mit der Europäischen Union.

Beim Treffen im Elysee-PalastExterner Link in Paris stellte der Schweizer Bundespräsident Alain Berset beim französischen Präsidenten Emmanuel Macron «ein Verständnis für das institutionelle System der Schweiz» fest. Auch wenn es noch Stolpersteine gebe, «existiert die gemeinsame Bereitschaft, ein Rahmenabkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union zu erreichen».

Es war bereits das zweite TreffenExterner Link zwischen Berset und Macron, nach ihrer Begegnung an der Frankfurter Buchmesse im Oktober 2017. Beide sind in ihren Vierzigern – Macron ist 40, Berset 46 –, frankophon, sozialdemokratisch mit einer guten Dosis Pragmatismus, besonders bei Macron. Es spricht also vieles dafür, dass sich die beiden Männer verstehen.

«Es ist ein guter Kontakt», sagt der Bundesrat, der dieses Jahr die Bundespräsidentschaft innehat. «Vielleicht spielt es eine Rolle, dass wir beide der gleichen Generation angehören, wie auch unsere gemeinsame Verpflichtung zu starken Werten, besonders zum Multilateralismus.»

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Der Tweet von Alain Berset…

… und jener von Emmanuel Macron zur gleichen Zeit:

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Berset als Retter?

Reicht eine Stunde aus, um die heiklen Streitpunkte zwischen Bern und Paris wie auch jene zwischen Bern und Brüssel beizulegen? Die extreme Vorsicht von Berset an seiner Pressekonferenz zeigt, dass noch viel zu tun bleibt.

In der Schweiz wird Berset in der Frage des Rahmenabkommens fast als «Messias» angesehen. An der schwierigen Frage der flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit haben sich schon zwei andere Bundesräte die Finger verbrannt.

Es geht dabei besonders um jene Wartefrist von acht Tagen, die den europäischen Unternehmen vor ihrer Tätigkeit auferlegt wurde, um Lohndumping zu verhindern. Das gefällt Brüssel gar nicht.

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Um einen Kompromiss mit Brüssel zu beschleunigen, schlug Aussenminister Ignazio Cassis im vergangenen Juni vor, diesen Zeitraum auf vier Tage zu verkürzen. Die Gewerkschaften liefen Sturm: «Es gibt keinen Grund, wegen der Meldefrist gegenüber der EU einzuknicken», sagte Paul Rechsteiner, Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds (SGB).

Während des Sommers sollte Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann das zerbrochene Geschirr mit den Gewerkschaften wieder kitten. Doch er hatte kaum mehr Erfolg.

«Unruhiger Sommer»?

Im August zitierte das Boulevardblatt Blick Schneider-Ammanns Parteikollegin, die freisinnige Nationalrätin Christa Markwalder, indirekt mit folgender Aussage über Berset: «Der jugendliche Landesvater solle eine vermittelnde Rolle einnehmen und seine Parteifreunde an den Verhandlungstisch bringen.»

Was sagt nun der «Messias» Berset dazu? In den Verhandlungen mit der EU «haben wir im ersten Halbjahr grosse Fortschritte gemacht», gibt der Bundespräsident zu bedenken. «Der Sommer war unruhiger.»

Sollen nun die Diskussionen fortgesetzt werden, oder sollte man auf bessere Tage warten, auch wenn dies bedeutet, alle Diskussionen zu beenden? «Wir haben mit Emmanuel Macron über keinen Termin gesprochen. Die Schweiz hat über ihre Beziehung zur Europäischen Union mehr als jedes andere Land der Welt abgestimmt. Bei uns endet alles immer in einer Volksabstimmung. In diesem Punkt brauchen wir Verständnis. Ich denke, die Botschaft wird im Elysée gut verstanden», sagte Berset.

Jahrestag des Waffenstillstands

Lieber spricht Berset aber über ein einvernehmlicheres Thema: über den gemeinsamen Kampf für den Multilateralismus. «In Zeiten, in denen multilaterale Institutionen in Frage gestellt werden, kann die Schweiz eine zentrale Rolle spielen, besonders durch das internationale Genf«, so der Bundespräsident.

Deshalb will Berset am 11. November auf Einladung Macrons erneut nach Paris reisen. «Es mag vielleicht überraschen, dass ein Schweizer Bundespräsident an der Gedenkfeier zum Waffenstillstand von 1918 teilnimmt», sagte Berset. «Doch man darf die starke humanitäre Tradition der Schweiz nicht vergessen, besonders durch die Arbeit des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK).» Zudem will der Bundespräsident auch am Pariser FriedensforumExterner Link teilnehmen, das von Macron organisiert wird.

Frankreich – Schweiz: 10 Jahre auf und ab

April 2009: «Frankreich hat für die Beendigung von Steueroasen, Bankgeheimnis und organisiertem Betrug gekämpft», sagt der damalige französische Präsident Nicolas Sarkozy. Die Schweiz wird auf eine «graue Liste» der OECD gesetzt. Nach Unterzeichnung von 12 Steuerkooperations-Abkommen, die den Informationsaustausch auf Anfrage vorsehen, kommt sie auf die weisse Liste.

August 2009: Die französische Finanzministerin Christine Lagarde und ihr Schweizer Amtskollege Hans-Rudolf Merz unterzeichnen ein neues Doppelbesteuerungs-Abkommen.

August 2012: Das neue Erbschaftssteuer-Abkommen wird von beiden Staaten paraphiert. In Frankreich lebende Erben von Personen mit Wohnsitz in der Schweiz werden von den französischen Steuerbehörden besteuert.

Juni 2014: Der Nationalrat lehnt das neue französisch-schweizerische Erbschaftssteuer-Abkommen ab. Frankreich kündigt daher das bisherige Abkommen auf.

April 2015: Bei einem Besuch in der Schweiz erklärt der damalige französische Präsident François Hollande, man habe die fiskalischen Spannungen «hinter sich» gelassen.

Juli 2017: Im Steuerbereich beginnt der Dialog «wieder auf einer konstruktiven Basis», sagt der neue französische Präsident Emmanuel Macron.

Januar 2018: Am World Economic Forum (WEF) in Davos erklärt Macron gegenüber dem Westschweizer Fernsehen RTS, dass es «kein System geben kann, das Rosinenpickerei im europäischen Binnenmarkt ist. (….) Wenn Sie vollen Zugang zum Binnenmarkt wollen, müssen Sie einen Budgetbeitrag leisten und alle Freiheiten des Binnenmarkts akzeptieren».

(Übertragung aus dem Französischen: Christian Raaflaub)

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