Brauchen Killerroboter strikte Regeln?
Die Nationen sind sich uneinig, ob strikte Regeln für Killerroboter eingeführt werden sollen oder nicht. Aktivisten zweifeln ernsthaft daran, dass die Vereinten Nationen in Genf der richtige Ort sind, das Problem anzugehen.
Mary Wareham von Human Rights WatchExterner Link schäumt vor Wut, wenn sie an die wochenlangen Gespräche über tödliche autonome Waffen (LAW) am Sitz der Vereinten Nationen (UNO) in Genf denkt.
«Wir sind ziemlich entsetzt», sagt die Koordinatorin der Kampagne gegen KillerroboterExterner Link. «Wo sind Diplomatie, Verantwortungsgefühl und Führerschaft der grossen Nationen geblieben?», sagte sie am Freitag gegenüber swissinfo.ch.
Das Resultat sei extrem frustrierend: «Das Übereinkommen über bestimmte konventionelle WaffenExterner Link (CCW) war eine Möglichkeit, Nichtregierungs-Organisationen (NGO) davon zu überzeugen, dass die Regierungen sinnvolle Massnahmen gegen LAW ergreifen würden. Jetzt reden sie nur noch von möglichen unverbindlichen Prinzipien, für die ich voraussehen kann, dass Regierungsdelegierte darüber noch ein oder zwei Jahre verhandeln werden.»
Seit 2014 haben sich Diplomaten, Abrüstungsexperten und Aktivisten sechsmal in Genf im Rahmen des multilateralen CCW getroffen, um über die vielfältigen ethischen, rechtlichen, operativen, sicherheitstechnischen und technischen Herausforderungen von Killerrobotern zu diskutieren.
Vollautonome Waffen existieren zwar derzeit noch nicht, aber Aktivistinnen und Aktivisten erklären, solche könnten angesichts der raschen Fortschritte und hohen Ausgaben für künstliche Intelligenz und andere Technologien in nur wenigen Jahren im Kampf eingesetzt werden.
In 12 Ländern sollen über 380 teilautonome Waffen- und militärische Roboter-Systeme – wie etwa durch künstliche Intelligenz (KI) betriebene Panzer, Flugzeuge und Schiffe – eingesetzt worden sein oder sich in der Entwicklung befinden. Darunter China, Frankreich, Israel, Grossbritannien, Russland und die Vereinigten Staaten.
Im Bereich der Rüstungskontrolle haben sich mehrere Länder verpflichtet, keine LAW zu erwerben oder zu entwickeln. Letzte Woche machte Japan diesen Schritt. Und eine Mehrheit der Staaten hat sich für eine Art neues Völkerrecht ausgesprochen, das Verbote und Vorschriften für LAW enthalten soll.
28 Länder – und die Kampagne gegen Killerroboter – verlangen ein präventives globales Verbotsabkommen über die Entwicklung, den Besitz und den Einsatz solcher Waffen der Zukunft. Andere setzen sich für eine strenge Regulierung ein, um das Prinzip der «sinnvollen menschlichen Kontrolle» über kritische Funktionen zu bekräftigen.
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Die Maschine und die Moral
Laut Kritikern werfen LAW grosse ethische Fragen auf, wie jene der Übertragung von tödlichen Entscheiden an Maschinen oder über die Rechenschaftspflicht. Sie befürchten, dass die immer autonomer agierenden Drohnen, Raketenabwehr-Systeme und Panzer bei einem Cyberangriff durchdrehen oder falsch funktionieren könnten.
Eine Handvoll Länder allerdings übt starken Widerstand gegen ein solches Abkommen aus, darunter die USA, Russland, Israel und Südkorea. Die Befürworter argumentieren, LAW würden den Krieg humaner machen. Solche seien genauer bei der Auswahl und Eliminierung von Zielen, würden menschliche Emotionen wie Angst oder Rache nicht zulassen und die Zahl der zivilen Todesopfer begrenzen, sagen sie.
«Es gibt hier eine echte Kluft zwischen den ‹Etwas tun›- und den ‹Nichts tun›-Staaten», sagt Wareham. «Ich glaube nicht, dass die Öffentlichkeit zufrieden sein wird, wenn das Endergebnis hier beim CCW darin besteht, einen Ausschuss zu bilden oder eine schwache Erklärung ohne Rechtswirkung abzugeben.»
Eine im Januar veröffentlichte öffentliche Umfrage des internationalen Marktforschungs-Unternehmens Ipsos ergab, dass 61% der Befragten aus 26 Ländern die Verwendung von tödlichen autonomen Waffen ablehnen.
Die Aktivisten haben genug von den endlosen Gesprächen über den CCW und den Störmanövern, die eine kleine Gruppe von «militärisch bedeutenden Staaten» dabei veranstalten. Die Koalition von 100 NGO aus 54 Ländern plant, ihren Kampf mit Unterstützung des UNO-Generalsekretärs Antonio Guterres im September vor die UNO-Generalversammlung in New York zu bringen.
Die Koalition will darauf drängen, dass die Länder sich bis November auf ein Verhandlungsmandat für ein globales Verbotsabkommen statt einer unverbindlichen Erklärung einigen. Sollte nichts aus diesem Plan werden, könnten andere Wege beschritten werden, sagen sie. So etwa ein unabhängiger Prozess ausserhalb der UNO, ähnlich dem Ottawa-Prozess über Landminen oder dem Oslo-Prozess über Streumunition.
Die Schweizer Position zu Killerrobotern
Die Schweiz zeigt sich skeptisch gegenüber einem präventiven Verbot in dieser Phase. Sie unterstützt aber praktische und gegebenenfalls regulatorische Massnahmen, um jegliche Nutzung von LAW zu verhindern, die gegen das Völkerrecht verstossen würde.
2017 legte die Schweiz unter dem Titel «Compliance-basierter Ansatz für autonome Waffensysteme»Externer Link ein Arbeitspapier vor, das die Bedeutung des Völkerrechts bekräftigt.
Ebenfalls 2017 lehnte die Landesregierung (Bundesrat) eine parlamentarische MotionExterner Link ab, die ein Verbot von autonomen Roboterwaffen forderte. Es sei zunächst zu klären, «wo die Grenzen zwischen wünschbarer, akzeptabler und nichtakzeptabler Autonomie bei Waffensystemen zu ziehen sind».
Gegenüber der Westschweizer Tageszeitung Le Temps sagte Sabrina Dallafior, UNO-Botschafterin der Schweiz an der Abrüstungskonferenz: «Ein striktes Verbot aller autonomen tödlichen Waffensysteme mag auf den ersten Blick eine attraktive Perspektive sein. Momentan aber wissen wir nicht genau, was verboten werden soll. Es besteht die Gefahr, dass wir auch Systeme verbieten, die nützlich sein könnten, die zum Beispiel helfen, Kollateralschäden zu vermeiden.»
(Übertragung aus dem Englischen: Christian Raaflaub)
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