Umstrittener Rekord-Deal von Pilatus mit Indien
Die Pilatus Flugzeugwerke können der indischen Luftwaffe 75 Trainingsflugzeuge vom Typ PC-7 liefern. Das Geschäft im Umfang von 840 Mio. Franken hat aber nicht nur positive Reaktionen ausgelöst.
Noch nie zuvor hatte das Stanser Unternehmen einen Deal von dieser Höhe abschliessen können. Er umfasst die Lieferung von 75 der einsitzigen, propellergetriebenen Trainingsmaschinen.
Diese werden im Werk im Kanton Nidwalden montiert. Die erste Auslieferung soll in einem halben Jahr erfolgen. Laut Branchenkennern werden die jungen indischen Piloten einen Teil der Ausbildung in der Schweiz absolvieren.
Der Kontrakt enthält zudem eine Option auf die Lieferung von bis zu 200 Flugzeugen dieses Typs an die indische Luftwaffe.
Exportschlager
Damit hat Pilatus bisher 500 PC-7 an insgesamt 21 Länder geliefert. Das Unternehmen hatte im letzten Jahr einen Rekordumsatz von 688 Mio. Franken erzielt.
Das grösste bisherige Geschäft der Pilatuswerke war die Lieferung von 25 Maschinen des Typs PC-21 an Saudiarabien im Umfang von 500 Mio. Franken.
Gerhard Odermatt, Wirtschaftsdirektor des Kantons Nidwalden, begrüsst den Abschluss. «Davon profitiert die ganze Schweiz. Im Kampf gegen den starken Franken sind wir froh, wenn Unternehmen Exporte in dieser Höhe tätigen können», sagt er gegenüber swissinfo.ch.
Dank Preisvorteil
In der Ausschreibung stach Pilatus Konkurrenten wie die amerikanische Beechcraft T-6C Texan II und den KT-1 aus Südkorea aus. Die Evaluation hatte zwei Jahre gedauert.
Der Preis war laut der indischen Luftwaffe ein Argument zugunsten des Pilatus. Indien treibt gegenwärtig ein Programm in Milliardenhöhe zur Modernisierung seiner Luftwaffe voran. Inzwischen ist Indien weltweit grösster Waffenimporteur.
«Das Pilatus-Geschäft schliesst eine gewaltige Lücke im Ausbildungsprogramm der indischen Luftwaffe», sagt James Hardy von Jane’s Defence Weekly, einem Fachmagazin für den Militär- und Rüstungsbereich aus London.
Den bisherigen Basistrainer, die Eigenproduktion HPT-32 Deepak, hatte Indien im Sommer 2009 nach 17 Abstürzen eingemottet.
Keine Bedenken
Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) habe das Geschäft gutgeheissen, bestätigt Jürgen Böhler, Ressortleiter für das Bewilligungswesen gemäss Güterkontrollgesetz, gegenüber swissinfo.ch. «Alle unsere Entscheide sind schwierig. Im vorliegenden Fall aber herrschte Konsens, den Deal zu bewilligen», so Böhler.
Weil es sich um unbewaffnete Trainingsflugzeuge handelt, fallen die PC-7 nicht unter das Kriegsmaterialgesetz (KMG), sondern unter das Güterkontrollgesetz (GKG). Dieses regelt den Export von so genannten Dual-Use-Gütern, die sowohl für zivile und militärische Zwecke verwendet werden können. Darunter fallen etwa Werkzeugmaschinen, gewisse Chemikalien sowie besondere militärischen Güter wie Trainingsflugzeuge und Simulatoren.
Liegt ein entsprechendes Exportgesuch eines Unternehmens vor, wird dieses vom Seco geprüft. In Fällen mit grosser Tragweite entscheidet die interdepartementale Exportkontrollegruppe, der Verteter des Seco, des Aussen- sowie des Verteidigungsdepartementes angehören.
Jahrzehntelanges Politikum
In der Vergangenheit haben Geschäfte der Pilatuswerke schön öfters für Diskussionen gesorgt. Rüstungsgegner warfen dem Nidwaldner Unternehmen wiederholt vor, unbewaffnete Flugzeuge zu liefern, die einfach für Kriegseinsätze aufgerüstet werden könnten.
So seien seit den 1970er-Jahren Pilatus-Flugzeuge in Myanmar, Guatemala, Mexiko, Chile, Bolivien, Nigeria, Irak und Tschad eingesetzt worden.
Kein Wunder, dass Tobias Schneebeli von der Gruppe Schweiz ohne Armee auch den jüngsten Abschluss kritisiert. «Die Erfahrung aus den letzten 40 Jahren zeigt, dass Pilatus-Flugzeuge in bewaffneten Konflikten gegen Rebellen eingesetzt werden», sagt er. «Die Maschinen sind robuster als normale Trainingsflugzeuge und so konzipiert, dass sie bewaffnet werden können.»
Schneebeli weist darauf hin, dass Indien in der Grenzregion Kaschmir in einen bewaffneten Konflikt involviert sei, ebenso in den Staaten Assam, Manipur und Andhra Pradesh. «Die Schweiz trägt zur Aufrüstung in der Region bei. Das Geschäft diskreditiert den Ruf der Schweiz als Förderin von Frieden und Menschenrechten», sagt der GSoA-Vertreter weiter.
Andere Experten dagegen glauben nicht, dass der PC-7 in den erwähnten Krisengebieten zum Einsatz kommen wird. «Die indische Luftwaffe spielt dort eine sehr begrenzte Rolle», sagt Meenakshi Ganguly, Direktor der Menschenrechts-Organisation Human Rights Watch in Südostasien. Zwar würden dort Flugzeuge und Helikopter eingesetzt, aber nur für Transporte.
Kriegsmaterial darf nicht in Länder exportiert werden, die intern oder international in einem bewaffneten Konflikt stehen oder systematisch und gravierend die Menschenrechte missachten.
Kein Verkauf ist erlaubt in Entwicklungsländer, die Schweizer Hilfe erhalten oder bei denen ein hohes Risiko besteht, dass die Waffen gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt oder in ein anderes Land weiterverkauft werden.
Die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) ist der Meinung, dass diese Restriktionen unzureichend sind und nicht verhindern, dass in der Schweiz hergestellte Waffen in kriegführenden Ländern eingesetzt werden.
Zu den grossen Schweizer Waffenproduzenten gehören Oerlikon in Zürich, Pilatus in Stans und die staatliche Ruag in Bern. Sie exportieren Material wie Flugzeuge, gepanzerte Fahrzeuge und Flugzeugabwehr-Systeme.
Die Waffenexporte der Schweiz sind 2010 um 12% zurückgegangen. Grösste Kunden waren Deutschland, Saudi-Arabien und Grossbritannien.
Weltweit verkaufte die Schweiz 2010 gemäss Angaben des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) in 69 Länder Waffen im Umfang von rund 640 Mio. Fr.
(Übertragung aus dem Englischen: Renat Kuenzi)
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