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«Unglaublich, wie aus Feinden Freunde werden»

Diese "Olympischen Spiele des Friedens" wurden im April 2013 in Quezon, nördlich von Manila, in der Absicht organisiert, Kinder für die Werte des Friedens zu sensibilisieren. Keystone

Der Dialog ist ein wirkungsvolles Instrument bei der Lösung von Konflikten. Dafür muss man sich aber in die gefährlichsten Gegenden der Welt begeben und Auge in Auge mit Kämpfenden diskutieren, darunter auch Kriegsverbrecher. David Gorman erzählt aus seinem Alltag.

Der 44-jährige Amerikaner hat die Krisenherde alle persönlich erlebt: Liberia, Indonesien, die Philippinen, Bosnien, Uganda, Israel, Palästina… David Gorman, Mitarbeiter des Zentrums für humanitären Dialog in Genf, wird von Konfliktzonen magisch angezogen. Er wohnt auf Zypern.

swissinfo.ch: Über welche Qualitäten muss ein Mediator verfügen?

David Gorman: Ich denke nicht, dass es unabdingbare Voraussetzungen für diesen Beruf gibt. Wichtig sind drei Dinge: Die Fähigkeit zum Zuhören, die Leidenschaft für den Beruf und ein guter Sinn für Humor.

swissinfo.ch: Sinn für Humor?

D.G.: Im Verlauf einer Verhandlung kann es nützlich sein, eine lockere Atmosphäre zu schaffen. Die Parteien fühlen sich wohler, auch mit dem Mediator, und der Prozess kann ohne zu hohe Hürden vorwärtsgebracht werden. Klar habe ich meine «Tricks» und Berufsgeheimnisse, die ich natürlich nicht verrate.

swissinfo.ch: Mit welchen Schwierigkeiten hat man vor Ort zu kämpfen?

D.G.: Weil ich für eine Nichtregierungs-Organisation arbeite, kann ich nicht auf viel Personal zurückgreifen. Man ist etwas allein im Geschehen. Man verbringt viel Zeit, manchmal Jahre, bei einer Mediation. Man muss oft vor Ort sein und ist dann weg von der Familie… Es ist nicht immer einfach.

Die grösste Angst während Verhandlungen ist, die Kontrolle über die Situation zu verlieren, dass es nicht zu einer Vereinbarung kommt oder dass die Gespräche unterbrochen werden. Wenn Du siehst, dass die Gespräche in die falsche Richtung gehen, fragst Du Dich: «Wie komme ich da wieder raus?»

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Vergessene Konflikte

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht swissinfo.ch hat einige dieser «vergessenen Konflikte» ausgewählt, basierend auf dem Konfliktbarometer 2012 des Heidelberger Instituts für Internationale Konfliktforschung (HIIK) in Deutschland.

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swissinfo.ch: Ist Ihnen das schon passiert?

D.G.: Vor einigen Monaten, während den Friedensverhandlungen zwischen der Nationalen Befreiungsfront der Moros (Organisation für den Unabhängigkeitskampf des mehrheitlich muslimischen Südens der Philippinen, N.d.R.) und der philippinischen Regierung wurde ich gebeten, zu einem bestimmten Aspekt rasch eine gemeinsame Basis zu finden.

Ich erinnere mich, dass ich am Tisch sitzen geblieben bin, allein, während die anderen draussen Mittagessen gingen. Ich hatte keine Antwort, wusste nicht, wie ein Kompromiss erreicht werden könnte. Ich fühlte ein enormes Gewicht auf meinen Schultern: Alle zählten auf mich, eine Lösung zu finden, doch ich hatte nicht die geringste Ahnung.

swissinfo.ch: Wie ging es für Sie aus?

D.G.: Zum Schluss findet man immer eine Idee, um den Prozess wieder anzukurbeln. Es öffnet sich eine Bresche und der Rest kommt von allein. Wir haben ein Einvernehmen gefunden.

swissinfo.ch: Wie kann man neutral bleiben, wenn man Menschen gegenübersitzt, denen Menschenrechts-Verletzungen, Vergewaltigungen und Kriegsverbrechen vorgeworfen werden?

D.G.: Man bleibt nicht neutral. Man spricht mit allen, auch mit Kriegsverbrechern. Das ist mein Beruf. Man spricht nicht öffentlich über diese Verbrechen, sondern diskutiert sie direkt mit den Parteien. Ich verurteile solche Aktionen und sage ihnen, dass sie zur Rechenschaft gezogen werden.

Heute werden Konfliktparteien dazu verpflichtet, öffentlich nachzuweisen, dass sie etwas unternehmen. Für uns ist es deshalb «leichter», mit diesem Problem umzugehen.

swissinfo.ch: Haben Sie schon einmal um Ihr Leben fürchten müssen?

D.G.: Nie während Verhandlungen in Anwesenheit beider Parteien. Hingegen sind wir bei einem bilateralen Treffen mit der MNLF in der Provinz Sulu auf der Insel Mindanao, bei dem wir die Bedingungen eines Waffenstillstands diskutierten, unter massiven Beschuss geraten.

Ich weiss nicht, ob mein Leben gefährdet war. Mein einziger Gedanke war, Deckung zu finden. Als die MNLF das Feuer erwiderte, befürchteten wir, uns mitten im Kampfgetümmel zu befinden. Zum Glück befahl der Kommandant seinen Truppen, das Feier einzustellen.

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Wenn sich Mediatoren auf die Füsse treten

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht «Manchmal ist es wie ein Wettlauf um den Friedensnobelpreis», meint Rachel Gasser, Expertin für Mediationsfragen und Mitarbeitern der Schweizer Stiftung für Frieden Swisspeace. Immer mehr Akteure suchten eine Möglichkeit, um sich als Mediatoren bei Friedensprozessen zu betätigen. Gemäss Gasser ist diese Tendenz grundsätzlich positiv, «denn jeder setzt sich im Rahmen seiner Kompetenzen für den Frieden…

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swissinfo.ch: Ist Ihre Mission mit der Unterzeichnung eines Friedensabkommens zu Ende?

D.G.: Es ist selten, dass ein Prozess mit der Unterzeichnung eines Abkommens beendet ist. Und auch mit einem Abkommen ist die Arbeit nicht unbedingt zu Ende: Es ist nicht gesagt, dass ein anhaltender Frieden daraus resultiert.

Es kann vorkommen, dass einige der Ursachen des Konflikts nicht vollumfänglich im Abkommen berücksichtigt worden sind. Zudem sind an zahlreichen Konflikten verschiedene bewaffnete Gruppen beteiligt, die nicht alle bei einem Friedensprozess mitmachen.

swissinfo.ch: Sie sind seit 20 Jahren Mediator. Ist die Mediation heute schwieriger geworden?

D.G.: Sie ist sicherlich anders geworden. Man hat es mit viel mehr Akteuren zu tun, bewaffneten und unbewaffneten. Der gesamte Mediationsprozess ist durch die Forderung nach mehr Transparenz und die Sozialen Medien viel öffentlicher geworden. Die Parteien sprechen nicht mehr nur miteinander, sondern auch gegen aussen.

Der Amerikaner, 1969 geboren, hat an der London School of Economics einen Master in Sozialpolitik in Entwicklungsländern und an der Universität Florida State einen Master in internationalen Beziehungen gemacht.

Seine Karriere als Mediator bei Friedensgesprächen begann er 1993 im Nahen Osten.

Seither hat Gorman für verschiedene internationale Nichtprofit-Organisationen in vielen Konflikten auf der Welt gearbeitet (Israel/Palästina, Liberia, Bosnien, Uganda, Indonesien und Philippinen).

Seit 2000 arbeitet er zusammen mit dem Zentrum für humanitären Dialog, wo er die Position eines Regionaldirektors für die Zone Eurasien besetzt. Die Nichtregierungs-Organisation mit Sitz in Genf gehört zu den weltweit wichtigsten Akteuren in der Konflikt-Mediation.

Die Arbeit von David Gorman und anderer Mediatoren in Konfliktzonen wurde im Dokumentarfilm «Miles & War» von Anne Thoma porträtiert (Produktion: T&C Film Zürich, in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Fernsehen, 2012).

Quanto è potente “l’arma” del dialogo swissinfo.ch: Wie potent ist die «Waffe» Dialog bei der Lösung eines Konflikts?risoluzione di un conflitto?

D.G.: Sehr stark. Es ist unglaublich, wie aus Feinden Freunde werden können. Es ist viel einfacher, als man es sich vorstellen kann. In zahlreichen Fällen habe ich beobachten können, dass sich die beiden Verhandlungsführer angenähert haben, als sie bemerkten, dass sie dem selben Druck und den gleichen Zwängen ausgesetzt sind. Andererseits habe auch ich Freunde gefunden.

Das Abkommen von Mindanao (das die Schaffung einer neuen autonomen Region stabilisiert) ist eines der besten Beispiele für die Kraft des Dialogs. Ich denke aber, dass wir unseren grössten Beitrag im indonesischen Aceh geleistet haben. Dort konnten wir erstmals beide Konfliktparteien zu einem gemeinsamen Treffen bringen und die Basis für einen zukünftigen Vertrag legen.

swissinfo.ch: Haben Sie nie kapitulieren und sagen müssen, «in diesem Fall ist eine Mediation sinnlos»?

D.G.: Das war so im Fall der LRA (Lord’s Resistance Army, Widerstandsarmee des Herrn) in Uganda. Ihre kriminellen Aktivitäten haben die Möglichkeit von Verhandlungen zum Voraus ausgeschlossen.

Dieser Fall ist symbolisch für die heutigen Herausforderungen. Oft haben wir es mit Gesprächspartnern zu tun, die kriminell sind und deren Ideologie zumindest fraglich ist.

Früher haben diese vielleicht stichhaltige Argumente präsentiert und waren durch eine klare Ideologie oder politische Gründe motiviert. Später sind viele in kriminelle Aktivitäten abgedriftet. Manchmal kann man mit Kriminellen verhandeln. Aber nicht im Fall der LRA.

swissinfo.ch: Mit Dialog können also nicht alle Konflikte gelöst werden…

D.G.: Klar nicht. Ich glaube aber, dass heutzutage der Grossteil der Konflikte durch gute Regierungsführung, ein Rechtssystem, demokratische Reformen und Minderheitenrechte gelöst werden kann.

(Übertragen aus dem Italienischen: Christian Raaflaub)

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