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«Euphorie rettet das Klima nicht»

Laurent Fabius, der französische Aussenminister und Vorsitzende der Konferenz, besiegelt mit einem Hammer das Klimaabkommen. Keystone

Nach der Euphorie und der Reden der Politiker, die das Klimaabkommen von Paris als "historischen Schritt" feierten, kommt nun die harte Arbeit, die Umsetzung der ehrgeizigen Zusagen der 195 Länder. In diesem Sinn kommentiert die Schweizer Presse das Pariser Klima-Abkommen und zeigt sich optimistisch, denn der Klimawandel könne für die Wirtschaft eine Chance sein.

 Die weltweiten Reaktionen auf den Klimavertrag der UNO-Konferenz in Paris seien «euphorisch», schreibt die Aargauer Zeitung: «Von einem ‹historischen Moment› war die Rede, gar vom ‹Wunder von Paris›.» Es stehe ausser Zweifel, dass das Abkommen, auf das sich 195 Staaten geeinigt haben, ein Erfolg sei, denn im Gegensatz zur Konferenz von Kopenhagen 2009 enthalte das Pariser Abkommen rechtlich verbindliche Ziele, wie die Begrenzung der globalen Erwärmung auf weniger als 2 Grad Celsius.

«In diesem Zusammenhang Superlative zu verwenden, ist verführerisch. Denn genau betrachtet, sind die getroffenen Massnahmen erst die Grundlage dafür, die gesetzten Ziele zu erreichen. Immerhin: Das ist nicht wenig.»

Schweizer Politiker lobten auch im Nachgang von Paris das Land «als Musterschüler in Sachen Klimaschutz. Wie ernst sie es wirklich meinen, wird sich 2016 bei der Überarbeitung des CO2-Gesetzes zeigen, wenn der Klimaschutz gegen eigene wirtschaftliche Interessen abgewogen wird. Und wie der Schweiz wird es vielen Staaten gehen», so die Aargauer Zeitung weiter.

Das Abkommen sei «ein globaler Generationenvertrag, der die reiche Schweiz nun verpflichtet, im internationalen Klimaschutz stärker Verantwortung zu übernehmen», schreibt der Tages-Anzeiger und zweifelt am politischen Willen, die Energiewende und den Klimaschutz auch wirklich umsetzen zu wollen: «Abkommen wie der Klimavertrag, dessen Perspektive auf Jahrzehnte ausgerichtet ist, sind in der Politik suspekt. Leicht verfällt man dem Glauben, es sei noch genügend Zeit vorhanden. Politik funktioniert im Vierjahreszyklus der Wahlen.» Der Umstieg zur Energiewende und zu einem vorbildlichen Klimaschutz habe «kaum begonnen. Wirksame Anreize dafür sind immer noch marginal. Politik und Wirtschaft reden zwar davon. Aber die Mühlen mahlen langsam».

Chancen für die Wirtschaft

Das Ziel, internationaler Vorreiter zu werden, wirke bei den rechtsbürgerlichen Kreisen «gar nicht», so der Tages-Anzeiger: «Dafür stechen Argumente wie: Chancen für die Wirtschaft. Hightech-Unternehmen, Energiefirmen, Finanzinstitute und Versicherungen sehen sie. Nur die Mehrheit der Schweizer Politik will noch nicht daran glauben.»

Bisher habe der Klimaschutz «als Gefahr für die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes» gegolten, schreibt die Südostschweiz. Doch diese Logik werde «durch das Paris-Abkommen durchbrochen: Es sendet ein unmissverständliches Signal an Länder, Städte, Produzenten, Konsumenten und Investoren, dass die Zeit von Kohle, Öl und Gas abgelaufen ist». Die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes bemesse sich «damit an der Geschwindigkeit, mit der es seine ‹Energiewende› schafft. Das gilt aber auch für Firmen und Investoren. Dass viele Akteure dies bereits verstanden haben, hat sich in Paris deutlich gezeigt».

Auch der Genfer Le Temps sieht im Abkommen eine Chance, die allerdings noch in die Realität umgesetzt werden müsse: «Die Wende hin zu den erneuerbaren Energien muss so schnell wie möglich vollzogen werden. Andere Sektoren, wie der Transport, die Landwirtschaft und die Gebäudesanierungen, müssen sich daran beteiligen.»

Mehrere Indikatoren seien ein Zeichen dafür, dass wir auf dem Weg zu weniger Kohlestoff CO2-Ausstoss seien. «Die Kosten für die Sonnen- und die Windenergie sind stark gesunken. Ein Teil des Finanzsektors fährt seine Investitionen in die fossilen Brennstoffe zurück, weil er den Sektor als zu risikoreich einstuft. Nun sei es «an den Staaten, aber auch an den Unternehmen, der Finanzbranche, der Forschung und an jedem unter uns, den Ansporn zu nutzen, um den Vertrag von Paris umzusetzen», so le Temps.

Regierungen sind gefordert

«Ist es ein Moment für die Geschichtsbücher oder nur die Fortsetzung eines Vierteljahrhunderts heuchlerischer Klimapolitik?», fragt die Neue Zürcher Zeitung und stellt fest, es gebe für beide Sichtweisen gute Argumente: «Für die erste spricht das Faktum, dass nun nach mehreren gescheiterten Anläufen erstmals ein Vertrag vorliegt, der nach der Ratifikation alle wichtigen Länder zur Verringerung ihrer Treibhausgasemissionen verpflichten wird. Für die zweite, skeptische Optik, spricht hingegen die Kluft zwischen Worten und Taten.» Denn mit den «bisher vorgelegten nationalen Klimaplänen ist der Planet auf Kurs zu einem Temperaturanstieg von mindestens drei Grad».

Entscheidend für das Zustandekommen des Abkommens sei der Verzicht auf bindende Emissionsziele für die Staaten. Nach dem Scheitern des Kopenhagener Gipfels von 2009 habe man nun den Weg der «freiwilligen, aber dennoch ambitionierten Ziele» gewählt. «Dies gelang: Als die beiden Hauptverursacher, die USA und China, vor einem Jahr gemeinsam ihre Klimaziele vorstellten, waren endlich die wichtigsten Akteure an Bord.»

Nun seien die Länder aufgrund des völkerrechtlichen Charakters des Abkommen gezwungen, «Ziele zu formulieren und alle fünf Jahre über deren Verschärfung zu reden». Damit könne sich «kein Land mehr aus der Verantwortung stehlen. Das ist ein Fortschritt, aber natürlich keine Garantie für Erfolg. Die Wende in der globalen Energiepolitik ökonomisch und politisch verkraftbar zu gestalten, bleibt eine wahre Herkulesaufgabe» so die NZZ.

Die Konferenz sei diesmal kein Flop geworden, «auch wenn die Gebrauchsanweisung noch sehr vage formuliert ist», schreibt die Freiburger La Liberté. «Man spricht viel von Zielen im 31-seitigen Text, aber wenig von den Mitteln, die dahin führen sollen.» Nun sei es an den Regierungen, konkrete Taten folgen zu lassen. «Das muss so schnell wie möglich passieren. Der erste Test kommt bereits im Frühjahr 2016, wenn die nationalen Parlamente den Text ratifizieren werden.»

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