Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

UNO hat Geldprobleme: Licht aus im Palais des Nations

Der Palais des Nations von aussen unter einem düsteren Himmel
Sparen ist angesagt: Trotz des dunklen Himmels über dem Palais des Nations in Genf brennt im Inneren nur wenig Licht. Mark Henley

Wegen Finanzierungslücken musste das Büro der Vereinten Nationen in Genf vorübergehend geschlossen werden und es kam zu Stromausfällen. Wie kann das sein?

Heute bleiben die mehr als 200’000 Quadratmeter des Palais des Nations in Genf im Dunkeln. Zum ersten Mal in seiner Geschichte muss das Gebäude geschlossen werden.

Das Büro der Vereinten Nationen in Genf (Unog), ein diplomatisches Zentrum, das jährlich etwa 8000 Sitzungen zur Förderung der internationalen Zusammenarbeit organisiert, hat aufgrund der stark gestiegenen Strompreise Schwierigkeiten, seine Rechnungen zu bezahlen.

Die Energiepreise für Haushalte sind 2023 in der Schweiz um 27% gestiegen, vor allem aufgrund von Versorgungsengpässen infolge der Covid-19-Pandemie und geopolitischer Spannungen.

Diese Inflation wurde im regulären UNO-Budget 2023, das im Dezember 2022 von der Generalversammlung beschlossen wurde, nicht vorweggenommen.

Um Energie- und Betriebskosten zu sparen, war das Büro in Genf ab Oktober gezwungen, im Palais des Nations Sparmassnahmen zu ergreifen. Dazu gehören die Einschränkung der Nutzung der Rolltreppen, der Beleuchtung, die Reduzierung der Heizungs- und Klimaanlagen, die Verkürzung der Öffnungszeiten der Gebäude und die Minimierung der Nutzung einiger Konferenzräume.

Das Bibliotheksgebäude ist nun jeden Freitag geschlossen. Die vollständige Schliessung des Palais für mehr als zwei Wochen ab dem 20. Dezember zwingt rund 1’600 UNO-Mitarbeiter dazu, von zu Hause aus zu arbeiten.

«Ich bin zwar besorgt, dass die aktuelle Liquiditätskrise tatsächlich Auswirkungen auf unseren Betrieb hat, aber ich bin zuversichtlich, dass die von uns ergriffenen Massnahmen diese negativen Auswirkungen mildern können», sagt Tatiana Valovaya, Generaldirektorin des Büros gegenüber SWI swissinfo.ch. 

Sie geht davon aus, dass die Büros ab dem 8. Januar wie gewohnt betrieben werden können. Aber auch im 2024 werde eine weitere Senkung des Energieverbrauchs erforderlich werden.

Mutinationale Unternehmen, Schweizer Aussenpolitik, Abstimmungen oder Wissenschaft – wir haben den passenden Newsletter dafür. Abonnieren Sie unser kostenloses Angebot hier:

Mehr
Newsletters SWI swissinfo.ch

Mehr

Newsletter

Melden Sie sich für unsere Newsletter an und Sie erhalten die Top-Geschichten von swissinfo.ch direkt in Ihre Mailbox.

Mehr Newsletter

Die Elektrizitätspreise steigen

Die Stromrechnung des Genfer Büros hat sich in den Jahren 2021, 2022 und 2023 jedes Jahr verdoppelt. «Die Gesamtpreiserhöhung von 2021 bis 2023 beträgt netto 344%», erklärt Kira Kruglikova, Verwaltungsdirektorin des Unog. Die UNO erklärte, sie könne keine privaten Vertragsdetails mit dem Lieferanten offenlegen.

Der Palais des Nations ist ein grosser Stromverbraucher: 34 Konferenzräume und 59 Aufzüge sind in Betrieb.

Von Januar bis Oktober 2023 verbrauchte der Palais 13,2 Millionen kWh zu Kosten von 7,2 Millionen CHF. Im 2022 waren es noch 14,4 Millionen kWh, die mit 3,9 Millionen Franken deutlich weniger Kosten verursachten.

Die UNO in der Liquiditätskrise 

Die vorübergehende Schliessung des Palais des Nations erfolgt vor dem Hintergrund einer schweren Liquiditätskrise für die gesamte UNO. Dem UN-Sekretariat wurde für 2023 ein regulärer Haushalt in Höhe von 3,396 Mrd. USD zugewiesen, etwas mehr als im Jahr 2022 (3,12 Mrd. USD).  

Der reguläre Haushalt dient in erster Linie der Bezahlung des Personals und der Gewährleistung des reibungslosen Funktionierens der Vereinten Nationen als Ganzes.

Diese Beiträge werden von den Mitgliedstaaten auf der Grundlage des Bruttoinlandsprodukts und der Kapazitäten der einzelnen Länder finanziert. Die UNO erhält auch freiwillige Beiträge von Ländern, Organisationen und Einzelpersonen für bestimmte Zwecke oder Projekte.  

Nur 2,2% des Gesamthaushalts gehen nach Genf (77,7 Millionen USD). Der grösste Teil dieses Geldes wird für die Gehälter des Personals aufgewendet, der Rest für allgemeine Betriebskosten, einschliesslich der Energiekosten (18,8 Mio. USD). 

2023 war die UNO nicht in der Lage, ihren Haushalt zu decken. Dies ist zwar nicht ungewöhnlich, aber die Kluft zwischen den veranschlagten und den erhaltenen Mitteln ist besonders gross.  

Einige Mitgliedsstaaten haben ihren Beitrag verspätet oder gar nicht bezahlt. Zusätzlich zu den weltweit steigenden Strompreisen mussten die Vereinten Nationen weitere unerwartete Ausgaben bewältigen.

Die Schliessung der Friedensmission in Mali, die 2013 eingerichtet wurde, um das Land nach einem Putsch zu unterstützen, verursachte ebenfalls zusätzliche Kosten.

Die Massnahme, die auf ein Ersuchen der malischen Regierung zurückgeht, zwang die UNO dazu, Personal und Ausrüstung zu repatriieren und das Personal zu entschädigen. Keine dieser Ausgaben war im Dezember 2022 budgetiert worden.

Konferenzteilnehmer:innen und ein Poster in einem Korridor
Diplomat:innen stehen während einer Konferenzpause neben einem Informationsplakat zur UN-Haushaltskrise. Mark Henley

«Aufgrund der verspäteten Zahlungen der Mitgliedsstaaten wirkt sich die Liquiditätskrise auf das gesamte UNO-Sekretariat aus», so Kruglikova. Nach Angaben der UNOExterner Link haben etwa 50 von 193 Mitgliedstaaten ihre Beiträge für den regulären Haushalt 2023 nicht vollständig gezahlt. Darunter auch die grösste Gesamtbeitragszahlerin, die Vereinigten Staaten.  

Die US-Vertretung in Genf erklärt, sie habe für 2023 insgesamt 707 Millionen Dollar für die UNO vorgesehen, von denen «200 Millionen Dollar gemäss den kurzfristigen Finanzierungsbeschlüssen des Kongresses gezahlt wurden».

Die Beiträge der USA an die UNO müssen jedes Jahr vom Kongress genehmigt werden. Es ist noch nicht bekannt, wie viel die USA zum regulären UNO-Budget für 2023 beitragen werden.

«Die Liquiditätskrise verschärft sich», sagt Alessandra Vellucci, Direktorin des Informationsdienstes des Genfer Büros. Die genaue Höhe des derzeitigen Finanzdefizits des Unog wird jedoch nicht bekannt gegeben.    

Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Antonio Guterres, warnte im Oktober vor dem Haushaltsausschuss der Generalversammlung: «Wie in der jüngsten Vergangenheit werden sich die Programmmanager bemühen, die negativen Auswirkungen auf die Durchführung zu minimieren. Langwierige Sparmassnahmen, einschliesslich des Einstellungsstopps, werden jedoch die Durchführung einiger Mandate beeinträchtigen.»

Guterres äusserte sich besorgt über die sich verschlechternde Liquiditätslage der UNO und forderte die Länder auf, für rechtzeitige und vollständige Zahlungen zu sorgen.

Die Vereinten Nationen müssen möglicherweise einige ihrer Aktivitäten und Programme einschränken oder einstellen oder Zahlungen an ihre Mitarbeitenden, Auftragnehmer:innen und Partnerorganisationen verschieben. Derzeit, so Vellucci, gebe es keine Pläne, Personal zu entlassen.

Editiert von Virginie Mangin, aus dem Englischen übertragen von Marc Leutenegger.

Beliebte Artikel

Meistdiskutiert

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft