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Die Schweizerin, die Frieden nach Myanmar bringen soll

Christine Schraner Burgener arrives in Rakhine by helicopter
Die UNO-Sondergesandte für Myanmar, Christine Schraner Burgener, ist in den letzten Monaten viel gereist. Auch in den Gliedstaat Rakhine, aus dem fast eine Million Rohingya geflohen sind. Keystone

Wie kann man einem Land helfen, aus dem fast eine Million Menschen geflohen sind, in dem die zivile Regierung keine Kontrolle über die Armee hat und die UNO Generäle des Genozids bezichtigt? Die Schweizer Diplomatin Christine Schraner Burgener sprach mit swissinfo.ch über ihre neue Aufgabe.

Treffpunkt ist das Café Einstein unter den typischen Lauben der Altstadt in Bern. Es ist kalt und grau draussen. Als wolle sie den kalten Temperaturen noch etwas trotzen, trägt Christine Schraner Burgener unter ihrem Mantel helle Hosen, eine weisse Bluse und eine passende Lederjacke.

Internationales Genf: In einer kleinen Serie stellt swissinfo.ch Schweizerinnen und Schweizer vor, die auf dem internationalen Parkett Schlüsselfunktionen innehaben.

Sie spüre den Temperatursturz stark, insbesondere nach all ihren Reisen der letzten Monate. Im April hatte sie UNO-Generalsekretär António Guterrez zur UNO-Sondergesandten für Myanmar ernannt, seither ist die 55-Jährige praktisch nonstop unterwegs.

Vorreiterin der «female diplomacy»

Zuvor war sie Botschafterin in Deutschland – als erste Frau in der Schweizer Geschichte. Schraner Burgener gilt als Vorreiterin der Frauen in der Schweizer Aussenpolitik.

Zusammen mit ihrem Ehemann bildeten sie das erste Jobsharing-Paar in der Schweizer Diplomatie und auf Botschafterebene. Unter anderem arbeitete sie als Botschafterin in Thailand und ihr Mann in Laos, Kambodscha und Myanmar. Sitz war Bangkok, die beiden teilten sich das Gehalt und kümmerten sich auch um ihre zwei Kinder.

Nun, da die Kinder erwachsen sind, die Tochter ist 22 Jahre alt, der Sohn 19, ist Schraner Burgener bereit für die Aufgabe der UNO-Sondergesandten für Myanmar – eine enorme Herausforderung. Und die grösste in ihrer bisherigen beruflichen Karriere?

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Die UNO-Sondergesandte wurde im Anschluss an eine Offensive des Militärs gegen die muslimische Rohingya-Minderheit im Gliedstaat Rahkine im August 2017 ernannt. Die Regierungskräfte reagierten auf Angriffe gegen Polizeiposten durch Rohingya-Kämpfer. Laut Berichten der UNO zerstörte die Armee systematisch Dörfer und es kam zu Massenhinrichtungen und Vergewaltigungen.

Rund 700’000 Rohingya flohen ins benachbarte Bangladesch, wo sie heute in überfüllten Flüchtlingslagern leben. Ein kürzlich erschienener UNO-BerichtExterner Link sagt, dass der Armeechef des Landes und fünf weitere hochrangige Militärs wegen Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen verfolgt werden sollten.

Vorrang haben die Rohingya

Ihr Mandat sei sehr breit gefasst, sagt uns Schraner Burgener: Sie kümmert sich um die Lage in Rakhine, die Rückkehr der Flüchtlinge, die Förderung von Demokratie und Menschenrechten und um einen umfassenderen Friedensprozess für das ganze Land. Denn nicht nur Rakhine, sondern auch andere Gliedstaaten des Landes leiden unter langjährigen ethnischen Konflikten.

Ihre Priorität gilt aber der fast einen Million Rohingya in den Flüchtlingslagern, für die eine sofortige Lösung gefunden werden müsse. Die UNO-Sondergesandte sagt, dass diese Menschen auf freiwilliger Basis, in Sicherheit und unter Achtung ihrer Menschenrechte zurückkehren dürfen müssen. Sie gibt zu bedenken, dass es wohl Generationen dauern werde, bis sich die rassistische Einstellung gegenüber der Rohingya in Myanmar ändern werde.

«Megaphon-Diplomatie» ist nicht ihr Ding

In der Zwischenzeit versucht sie «Brücken zu bauen».  Als Vermittlerin müsse sie mit allen sprechen, auch mit der Armee, sagt sie.

Und so trifft sie sich seit Beginn ihres Mandats regelmässig mit Vertretern der Armee, mit bewaffneten Gruppierungen und mit der Regierungschefin des Landes, Aung San Suu Kyi. Das Ansehen der Friedensnobelpreisträgerin und einstigen Freiheitsikone hat aufgrund ihres Schweigens zum brutalen Vorgehen der Armee gegen die Rohingya grossen Schaden erlitten.

Schraner Burgener glaubt, dass Suu Kyi trotzdem nach wie vor eine wichtige Rolle zukomme. «Sie stand 15 Jahre unter Hausarrest. Ich glaube nicht, dass eine solche Person sich nicht weiter für die Demokratie einsetzen würde», sagt sie. Sie fände sich in einer schwierigen Situation, denn sie stehe zwischen der Armee und den Erwartungen der internationalen Gemeinschaft.

«Ich persönlich glaube, dass wir sie unterstützen müssen.» Viele seien enttäuscht, fänden, Suu Kyi habe sich nicht laut genug zu den inakzeptablen Vorkommnissen geäussert. «Aber wir dürfen nicht vergessen, dass sie mit der Armee zusammenarbeiten muss, denn diese hat bei jeder Verfassungsänderung ein Vetorecht.»

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Schraner Burgener war in Rakhine und in den Flüchtlingslagern der Rohingya in Bangladesch. Sie beschreibt das, was in Rakhine passiert ist, als «unvorstellbar schrecklich». Die Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden. «Das Sammeln von Beweisen ist der erste Schritt, dann müssen die Gerichte entscheiden. Wichtig ist, dass diese Beweisfindung glaubwürdig und transparent ist.»

Die UNO-Sonderermittlerin Yangee LeeExterner Link darf nicht mehr nach Myanmar reisen, der Südkoreanerin wird die Einreise verwehrt. Schraner Burgener sagt, sie habe sich bis jetzt frei im Land bewegen können. Hilft der Vermittlerin ihre Schweizer Nationalität?

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Schraner Burgener ist überzeugt, dass man als erfolgreiche Vermittlerin auch die Mentalität und die Kultur der verschiedenen Parteien kennen müsse. So sei für die Menschen in Asien Direktheit zum Beispiel ein Zeichen von Arroganz.

«Mal ehrlich: Hinter verschlossenen Türen äussere ich mich gegenüber der Regierung Myanmars sehr kritisch. Aber eine Megaphon-Diplomatie werde ich nie betreiben – in meiner Position führt das zu keinen Ergebnissen. Im Gegenteil, man wird mir einfach die Türen schliessen.»

Um voranzukommen, müsse sie nun die internationale Gemeinschaft von ihrer Neutralitäts-Strategie überzeugen, sagt sie. Manchmal fühle sie sich wie ein «Box-Sack», dem auch die UNO-Mitgliedstaaten gerne mal einen reinhauen.

Schraner Burgener hat schon viele schreckliche Dinge gesehen und gehört. Sie ist ständig unterwegs, ihre Familie in Bern sieht sie im Moment nur etwa vier Tage im Monat. Das alles ist sehr anstrengend. Wie schafft sie das?

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Bei aller Ruhe, Zurückhaltung und stiller Diplomatie: Für die UNO-Sondergesandte ist klar, sie will Ergebnisse sehen. «Ich bin zwar sehr geduldig. Doch ich will auch Taten sehen», sagt sie. «Wenn sich nach einer gewissen Zeit nicht genügend getan hat, dann werde ich mein Mandat überdenken, das ist klar. Manchmal denken die Leute, ich sei zu optimistisch oder zu geduldig. Aber ich habe auch meine Prinzipien.»

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