Unverantwortlichen Waffenhandel global unterbinden
Die leichte Verfügbarkeit von Waffen und Munition verursacht auf der ganzen Welt menschliches Leid, sorgt für politische Unterdrückung und verhindert wirtschaftliche Entwicklung. Ein internationales Abkommen zum Waffenhandel soll nun Abhilfe schaffen.
Am UNO-Hauptsitz in New York findet vom 2. bis 27. Juli eine Konferenz über einen internationalen Waffenhandels-Vertrag statt. Die Schweiz will sich wie viele andere Staaten für ein möglichst striktes Abkommen einsetzen. An der Konferenz werden alle UNO-Staaten teilnehmen, damit also auch die wichtigsten Produzenten, Exporteure und Importeure konventioneller Rüstungsgüter.
Ziel ist eine rechtsverbindliche Regelung des internationalen Handels und eine möglichst strenge, weltweit verbindliche Kontrolle von Ausfuhren und anderen grenzüberschreitenden Aktivitäten. Der Vertrag soll zu einem verantwortungsvolleren Handel beitragen, menschliches Leid verringern helfen – und, so die Hoffnung, dem illegalen Waffenhandel einen Riegel schieben.
Wichtig dürften die Positionen der USA, Russlands und China sein, die alle Vorbehalte haben. In diplomatischen Kreisen in New York und bei Nicht-Regierungsorganisationen hofft man auf ein starkes Abkommen, auch wenn letzten Endes nicht alle Staaten dem Abkommen beitreten würden.
Verwiesen wird auf die Auswirkungen des Abkommens zum Verbot von Anti-Personen-Minen. Obwohl die grossen Produzentenländer der Konvention von Ottawa nicht beigetreten sind, seien Produktion und Verwendung dieser Minen seit Verabschiedung des Abkommens stetig gesunken.
Keine global geltenden Regeln
Während der Handel mit Gütern wie exotischen Hölzern, Dinosaurier-Knochen oder Bananen internationalen Regeln unterworfen ist, gibt es bis heute keine verbindlichen Regelungen zum internationalen Handel mit konventionellen Waffen und anderen Rüstungsgütern. «Viele Leute sind schockiert, wenn sie das hören», erklärt Jeff Abramson, Direktor der Kampagne «Control Arms», im Gespräch mit swissinfo.ch.
Control Arms ist eine globale Allianz der Zivilgesellschaft, die sich seit Jahren mit dem Thema befasst. Amnesty International, eine der Organisationen aus der Allianz, bringt die Folgen des enormen, unregulierten Waffenhandelsmarkts folgendermassen auf den Punkt: Jede Minute stirbt irgendwo auf der Welt ein Mensch in einem Krieg, durch übermässige Waffengewalt oder durch Kriminalität – insgesamt eine halbe Million Menschen pro Jahr.
Stolpersteine
Abramson zeigt sich vorsichtig optimistisch, was die Konferenz angeht. «Längerfristig betrachtet, befinden wir uns an einem guten Punkt, es gibt viel Energie.» Noch bleibe viel zu tun, aber «wichtige Waffenproduzentenländer sind an Bord und wollen einen strikten Vertrag», sagt Abramson.
Natürlich gebe es offene Fragen, Länder, die dem Vorhaben skeptisch gegenüber stünden. Mögliche Stolpersteine seien unter anderem die USA, die nicht wollen, dass das Abkommen Munition umfasst. Oder Russland und China, die Vorbehalte haben gegen klare Formulierungen in Sachen Menschenrechte, wenn es um die Erteilung von Exportbewilligungen gehe.
Das Beispiel Syrien zeige, wie wichtig es sei, dem verantwortungslosen Handel mit Waffen auf globaler Ebene einen Riegel zu schieben. «Russland sagt, es verstosse gegen keine Regeln, denn es gebe kein UNO-Waffenembargo gegen Syrien.»
«Goldene Regel»
«Wichtig ist uns, dass die Menschenrechte und das Völkerrecht im Zentrum des Abkommens stehen, wir sprechen von der ‹Goldenen Regel›, mit der diese Rechte geschützt werden müssen.» Diese Regel soll jeden Staat verpflichten, vor der Bewilligung eines internationalen Waffengeschäfts eine gründliche Analyse vorzunehmen. Wenn ein erhebliches Risiko bestehe, dass Menschenrechte verletzt werden, müsse das Geschäft verboten werden.
«Umstritten ist die Formulierung», sagt Abramson. Für «Control Arms» ist klar: Es müsse klar heissen, dass Geschäfte «verboten» werden müssten, wenn das Risiko von Menschenrechtsverletzungen bestehe. Schwächeren Formulierungen, wie sie Russland und China und viele Staaten aus dem Nahen Osten wollen, hat die Allianz den Kampf angesagt.
Zudem soll das Abkommen nach Ansicht der Allianz alle Arten konventioneller Rüstungsgüter umfassen sowie ein System zur Registrierung aller Waffengeschäfte und einen Kontrollmechanismus beinhalten.
Wenn die Konferenz zu einem Konsens komme und der gemeinsame Nenner nicht allzu schwach ausfalle, wäre das Abkommen «ein grosser Schritt, dem weitere folgen werden müssen», sagt Abramson.
Kleinwaffen und leichte Waffen
«Die Schweiz gehört zu den Staaten, welche ehrgeizige Ziele für ein strenges und wirkungsvolles Abkommen verfolgen. Sie will einen Vertrag, der transparent, nicht-diskriminierend und universell ist», erklärt Serge Bavaud, Experte für Sicherheits- und militärische Fragen an der Schweizer UNO-Mission in New York im Gespräch mit swissinfo.ch.
Ein zentraler Aspekt des Abkommens sind die Standards, die beim grenzüberschreitenden Handel eingehalten werden sollen. Das Abkommen sollte auf die UNO-Charta verweisen, Bewilligungen zum Export auch aus Sicht der Schweiz nur erteilt werden, wenn keine Gefahr bestehe, dass mit Verletzungen von Völkerrecht oder Menschenrechten gerechnet werden müsse. Daneben brauche es klare und transparente Verpflichtungen für die nationale Umsetzung in den einzelnen Staaten.
«Aus unserer Sicht ist es ganz wichtig, dass die kleinen und leichten Waffen erfasst werden», sagt Bavaud. Denn es seien vor allem diese Waffen, unter denen Zivilbevölkerungen litten. «Wenn diese Waffen nicht Bestandteil des Abkommens sind, ist sein Nutzen stark limitiert.»
Wie schon bei den Abkommen über das Verbot von Anti-Personenminen oder der Streumunition ist die Zivilgesellschaft sehr aktiv. Die globale Allianz umfasst Organisationen aus Bereichen wie Abrüstung, Entwicklung und Menschenrechte.
Besorgt über den Missbrauch von Waffen auf der ganzen Welt, hatten die Organisationen seit mehreren Jahren Regierungen und Parlamentsmitglieder mobilisiert, sich einzusetzen für eine globale Regulierung des internationalen Handels mit konventionellen Waffen und anderen Rüstungsgütern.
2003 wurde die weltweite Kampagne «Control Arms – Waffen unter Kontrolle» ins Leben gerufen, gemeinsam von Amnesty International, Oxfam und IANSA.
Im Dezember 2006 verabschiedete die UNO-Generalversammlung eine Resolution zum Thema und lancierte damit den Prozess.
2009 folgte eine zweite Resolution zur Aufnahme formeller Verhandlungen für ein Abkommen, die mit der Konferenz im Juli 2012 abgeschlossen werden sollen.
Die Schweiz befasst sich im Rahmen der UNO seit Anfang des Prozesses mit dem Thema. Sie war Mitglied in einer Expertengruppe aus 28 Staaten, welche die Vorabklärungen traf und hat auch allen vorbereitenden Verhandlungsrunden teilgenommen.
Sie habe sich aufgrund ihrer international gesehen strengen Gesetzgebung und ihrer humanitären Tradition «kompetent und glaubwürdig» einbringen können. Eine Anerkennung ihres Engagements sei auch, dass sie im Büro der Konferenz einen Sitz im Vizepräsidium erhalten habe.
Die Federführung der Schweizer Delegation bei den Verhandlungen in New York liegt beim Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO), Leiter der Delegation ist Erwin Bollinger.
Die 100 grössten Rüstungskonzerne haben 2010 für mehr als 400 Mrd. Dollar Waffen und militärische Ausrüstungen verkauft.
In den letzten 4 Jahren zog das Waffengeschäft um 25% an.
Die Hauptursache dieser Zunahme ist die Nachfrage nach Waffen in Schwellenländern. Indien ist heute der grösste Waffenimporteur der Welt, danach folgen Südkorea, Pakistan, China und Singapur.
Die grössten Waffenlieferanten weltweit sind die USA, Russland, Deutschland, Grossbritannien und Frankreich, die rund drei Viertel aller Waffen verkauften.
Zum nicht regulierten Markt gehört die Korruption. Eine Studie von Transparency International schätzt, dass fast 40% der jährlichen Korruptionsgelder auf den Waffenhandel entfallen.
(Quelle: Agenturen)
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