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Vaterschaftsurlaub: wichtiger Schritt zu einer modernen Familienpolitik

Maya Graf

Der zehntägige Vaterschaftsurlaub ermögliche für alle Väter gleiche Rechte und vermindere das Karriererisiko für die Mütter. Deshalb plädiert die grüne Ständerätin Maya Graf für ein Ja zum Vaterschaftsurlaub am 27. September.

Der Vaterschaftsurlaub ist der dringend notwendige, familienpolitische Nachvollzug der Politik an die Bedürfnisse einer modernen Gesellschaft. Innerhalb Europas steht die Schweiz ohne gesetzlich verankerten Vaterschaftsurlaub allein da. Beide Partner können von Anfang in der Kinderbetreuung präsent sein, Mütter haben einen stärkeren Anreiz erwerbstätig zu bleiben, und die Haus- und Betreuungsarbeit kann fair verteilt werden.

Der Vaterschaftsurlaub kann aber auch dem Fachkräftemangel entgegensteuern, weil die Erwerbsbiografien der Frauen nicht wegen der Familiengründung unterbrochen werden müssen.

Ungleichgewichte in der Gesellschaft nicht dulden – eine Mehrheit ist sich einig

Die Geschichte des Vaterschaftsurlaubs in der Schweiz ist fast so lang und hürdenreich wie diejenige der Mutterschaftsversicherung. Die Schweiz hat erst vor 15 Jahren endlich einen 14-wöchigen Mutterschaftsurlaub eingeführt.

Auch beim Vaterschaftsurlaub hat der Gesetzgeber diesen wiederholt als unnötig abgelehnt. Zeitgleich haben sich die Ansprüche der Gesellschaft gewandelt. Heute wünschen sich 80 Prozent der Schweizer Bevölkerung eine gesetzliche Grundlage für den Vaterschaftsurlaub.

2017 wurde die Eidgenössische Volksinitiative «Für einen vernünftigen Vaterschaftsurlaub – zum Nutzen der ganzen Familie» eingereicht. Sie forderte einen bezahlten Urlaub von vier Wochen.

Das Parlament stellte dem einen Gegenvorschlag auf Gesetzesstufe von zwei Wochen bezahltem Vaterschaftsurlaub innerhalb der ersten sechs Monate nach Geburt eines Kindes entgegen. Daraufhin hat das Initiativkomitee die Initiative zurückgezogen.

Da bürgerliche Kreise das Referendum ergriffen haben, kommt nun dieser indirekte Gegenvorschlag am 27. September an die Urne. Er wird breit unterstützt: Von Jugend- bis Seniorenvereinigungen, von der Hebamme bis zum Kinderarzt, von den Arbeitnehmenden zum Baumeisterverband und quer durch alle Bundeshausfraktionen.

Überfälliger Schritt hin zu einer modernen Familienpolitik

Mit dem Entscheid erhalten Väter, ob angestellt oder selbstständig, während zwei Wochen 80 Prozent ihres Bruttoeinkommens ausbezahlt. Der Vaterschafts- wird analog zum Mutterschaftsurlaub über die Erwerbsersatz-Ordnung (EO) finanziert.

Die Kosten betragen geschätzt 229 Millionen Franken pro Jahr. Das entspricht 0,06 zusätzlichen Lohnprozenten, die je zur Hälfte bei Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden erhoben werden. So erhalten kleine und mittelgrosse Unternehmen (KMU) die gleichen Voraussetzungen wie Grosskonzerne, die sich schon heute einen Vaterschaftsurlaub leisten können.

Bisher trugen Frauen das Karriererisiko «Familiengründung» vornehmlich alleine. Mit zehn Tagen kann daher der geplante Vaterschaftsurlaub nur ein erster Schritt sein, um familienpolitisch aufzuholen. Aber immerhin schafft er den gesetzlichen Freiraum für ein Paar, um direkt im Anschluss an die Geburt eines Kindes die Erwerbs- und Betreuungsarbeit fairer aufteilen zu können.

Eine Familie findet sich besser, wenn der Vater nicht spätestens am zweiten Tag nach der Geburt wieder zur Arbeit rennen muss, während die Frau sich von der Geburt erholen sollte. Das ist nicht nur gesundheits- und gleichstellungspolitisch, sondern auch ökonomisch wenig sinnvoll. Vielmehr ist die Verteilung der Betreuungsarbeit auf mehrere Schultern ein wichtiger Anreiz, um die Erwerbskontinuität der Frauen auch im Lebensabschnitt Mutter zu stärken.

Gerade die Coronakrise hat gezeigt, dass funktionierende Familien und Kinderbetreuung das Rückgrat unserer Gesellschaft sind. Der Vaterschaftsurlaub leistet einen Beitrag zu stabilen Familienstrukturen.

Die Zeit direkt nach der Geburt prägt das ganze weitere Familienleben. Die Väter wollen hier ihren Teil der Verantwortung übernehmen. Ein Ja für den Vaterschaftsurlaub ist ein Ja für die Familien, für die Wirtschaft und für unsere gesellschaftliche Zukunft.

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Die im Artikel geäusserte Meinung ist jene der Autorin und widerspiegelt nicht die Position von swissinfo.ch.

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