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Ausserhalb der Schweiz blüht die Atomkraft

Das AKW Beznau I (im Bild) und Nine Mile Point 1 in den USA sind die beiden ältesten AKW der Welt, die noch in Betrieb sind. Keystone

Die Tage der Atomkraft sind in der Schweiz wohl gezählt: Regierung und Parlament wollen auf neue Atommeiler verzichten. Gemäss einer Volksinitiative der Grünen, über die am 27. November abgestimmt wird, sollen die fünf laufenden Atomkraftwerke der Schweiz sogar möglichst rasch abgeschaltet werden. Doch kaum ein Land folgt dem Schweizer Beispiel: Weltweit liegt die Atomenergie nach wie vor im Trend.

Die Schweiz gehörte nach dem Reaktorunfall im japanischen Fukushima im Jahr 2011 zu den ersten Ländern, die ihre Energiepolitik neu ausgerichtet haben. Noch im gleichen Jahr legte die Schweizer Regierung ihre Energiestrategie 2015 vor. Diese beinhaltet einen Ausstieg aus der Kernenergie, eine massive Reduzierung des Energiekonsums sowie die Entwicklung und Förderung erneuerbarer Energiequellen.

Das erste Massnahmenpaket wurde im September 2016 vom Schweizer Parlament gut geheissen. Es fixierte allerdings keine Frist, innert derer die fünf Atomkraftwerke der Schweiz vom Netz genommen werden müssen. Diese Kraftwerke verfügen über eine zeitlich unbegrenzte Betriebsbewilligung.

Nach dem Willen der Grünen Partei soll der Ausstieg aus der Atomenergie aber möglichst rasch erfolgen. Am 27.November wird über ihre «Volksinitiative für den geordneten Ausstieg aus der Atomenergie“ abgestimmt. Inhaltlich fordert die Atomausstiegsinitiative das Betriebsverbot für AKW und maximale Laufzeiten von 45 Jahren für bestehende AKW. Im Falle einer Annahme der Initiative müssten die drei AKW Mühleberg, Beznau 1 und Beznau II schon nächstes Jahr ausser Betrieb gehen, Gösgen würde 2024 folgen, Leibstadt 2029.

Grafik mit den Standorten der fünf AKW in der Schweiz
Kai Reusser / swissinfo.ch

Trotz der Nuklearkatastrophen von Tschernobyl und Fukushima haben bisher nur ganz wenige Länder vollständig auf Atomenergie verzichtet. Österreich, Kuba und die Philippinen haben bereits gebaute oder in Bau befindliche Atomkraftwerke abgeschaltet. Italien hatte seine vier Atomreaktoren schon zwischen 1980 und 1990 stillgelegt. Kasachstan hat 1999 einen alten Kernreaktor aus Sowjetzeiten vom Netz genommen, plant nun aber den Bau eines neuen Meilers. Auf Druck der EU schloss Litauen zwischen 2004 und 2009 seine zwei Reaktoren, die ebenfalls aus den Zeiten der Sowjetunion stammten.

Auch in Deutschland und Belgien dürften die verbliebenen Kernkraftwerke bis Ende dieses Jahrzehnts abgeschaltet werden. Trotzdem ist das Atomzeitalter – global gesehen – keineswegs zu Ende. Gemäss der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEA)Externer Link sind weltweit 450 Kernkraftwerke in 31 Ländern in Betrieb. Sie decken fast 11% des weltweiten Stromverbrauchs.

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Mit der Inbetriebnahme des ersten AKW 1951 in den USA breitete sich die Kernkraft aus. Seither wurden weltweit 158 Reaktoren stillgelegt. Es handelt sich um Atommeiler, die nur versuchsweise gebaut wurden, oder zu alt und zu gefährlich waren. Gemäss IAEA-Daten nimmt die Zahl der Atomkraftwerke immer noch zu.

Im letzten Jahrzehnt wurden 38 Reaktoren abgeschaltet, doch gleichzeitig 49 neu in Betrieb genommen. Dieses Jahr werden 10 neue Reaktoren ihren Betrieb aufnehmen, während nur ein AKW stillgelegt wird. Die Hälfte aller Länder, die Atomenergie produzieren, will diesen Energievektor künftig sogar ausbauen. Zurzeit sind weltweit 60 Atomkraftwerke in Bau.

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Die Schweizer Regierung und die Mitte-Rechts-Mehrheit des Parlaments empfehlen dem Volk, die Atomausstiegsinitiative der Grünen abzulehnen. Ihrer Meinung nach würde das schnelle Abschalten der Atommeiler die Energieversorgungssicherheit der Schweiz gefährden. Denn die von den fünf Atomkraftwerken produzierte Elektrizität könne nicht so rasch durch erneuerbare Energiequellen ersetzt werden.

Um den Energiebedarf der Schweiz zu decken, müsste gemäss den Gegnern der Initiative Strom in grossen Mengen aus dem Ausland importiert werden. Dies führe möglicherweise zu einer Überlastung des Stromversorgungsnetzes. Im letzten Jahr deckten die Schweizer Atomkraftwerke rund 33,5% des Stromverbrauchs in der Schweiz ab. In anderen Ländern, die Kernenergie produzieren, ist dieser Anteil etwa gleich hoch.

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Die Befürworter der Initiative sind überzeugt, dass der Wegfall der Kernenergie bis 2029 durch Wasserkraft kompensiert werden kann, die heute schon 65% des Strombedarfs deckt, sowie durch weitere erneuerbare Energiequellen. Nach dem Vorbild anderer europäischer Länder wie Deutschland und Dänemark sollen diese erneuerbaren Energien noch stärker gefördert werden.

Gemäss den Befürwortern der Initiative steht nicht die Versorgungssicherheit auf dem Spiel, sondern die Sicherheit der Bevölkerung. Die Schweizer Atomkraftwerke befinden sich in dicht bewohnten Gebieten. Im Falle eines Atomunfalls wären weite Teile der Schweiz nicht mehr bewohnbar. Drei der fünf Schweizer Atomkraftwerke – Beznau 1, Mühleberg und Beznau II – gehören zudem zu den ältesten Atommeilern der Welt.

Die ältesten AKW der Welt (in Betrieb)
Schweiz – Beznau I    1969
USA – Nine Mile Point 1          1969
USA – Point Beach 1                   1970
USA – Dresden 2                                    1970
USA – Robinson 2                                1970
Schweiz – Mühleberg                                      1971
Schweiz– Beznau II                                        1971
Russland – Novovoronezh 3                 1971
Schweden – Oskarshamn               1971
Kanada – Pickering 1                   1971
Pakistan – Kanupp                       1971
USA – Dresden 3                    1971
USA – Monticello                            1971
USA – Palisades                   1971


Am 27. November muss das Schweizer Volk entscheiden, ob alle Atomkraftwerke in der Schweiz bis 2029 ausser Betrieb genommen werden, so wie es die Volksinitiative der Grünen «Für einen geordneten Ausstieg aus der Atomenergie» vorsieht. Die Energiestrategie 2050, die vom Parlament verabschiedet wurde, sieht längere Fristen für den Ausstieg aus der Atomenergie vor. Doch genau diese Strategie wird von der Schweizerischen Volkspartei (SVP) bekämpft. Sie möchte vorläufig überhaupt nicht auf Atomenergie verzichten und hat das Referendum gegen die Energiestrategie 2050 ergriffen. Wenn es der Partei gelingt, bis zum 19. Januar 2017 mindestens 50‘000 Unterschriften zu sammeln, wird auch die Energiestrategie 2050 zum Gegenstand einer Eidgenössischen Volksabstimmung. 

Stellen die alten Atomkraftwerke eine zu grosse Gefahr dar? Oder sollen sie in Betrieb bleiben, solange sie als sicher gelten?Diskutieren Sie mit uns in den Kommentaren.

(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

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