Unternehmenssteuerreform, Einbürgerung und Nationalstrassen-Fonds
Die Schweiz hat abgestimmt. Und zwar über die Unternehmenssteuerreform III, über die erleichterte Einbürgerung von Ausländern der dritten Generation sowie über den neuen Nationalstrassen-Fonds NAF.
Die Unternehmenssteuerreform III erschien bis vor einigen Monaten eine Vorlage, die problemlos die Volkshürde nimmt. Das Reformprojekt wird von allen grossen Wirtschaftsverbänden, von allen Mittel-Rechts-Parteien und den Kantonsregierungen befürwortet. Seit vergangenem Herbst läuft eine aufwändige Werbekampagne zugunsten der Steuerreform.
Doch in den letzten Wochen hat der Wind gedreht. Die Skepsis gegenüber dieser Reform, die im vergangenen Juni vom Parlament grossmehrheitlich gut geheissen worden war, ist grösser geworden. Selbst Exponenten von bürgerlichen Parteien, darunter die ehemalige Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf, haben öffentlich vor den finanziellen und steuerlichen Folgen dieser Reform gewarnt. Gemäss der letzten SRG SSR Umfrage – zwei Wochen vor dem Abstimmungstermin – lagen Gegner (45%) und Befürworter (46%) der Reform nur noch einen Prozentpunkt auseinander.
Angleichung an internationale Standards
Die Unternehmenssteuerreform III (USR III) wurde vor zwei Jahren aufgegleist, um das Schweizer Steuersystem internationalen Steuerstandards anzupassen, welche die OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) ausgearbeitet hat. Diese Standards verfolgen das Ziel einer gewissen Harmonisierung der Steuersysteme, um «schädliche» Steuerpraktiken auszumerzen, mit denen multinationale Unternehmungen Steuerabgaben reduzieren oder sogar ganz umgehen. Gewisse Steuerpraktiken der Schweiz sind seit 10 Jahren im Visier von OECD, EU und G20. Diese haben schon damit gedroht, die Schweiz auf eine schwarze Liste zu setzen.
Die Reform hatte in erster Linie die Aufgabe, diese Steuerpraktiken zu verbieten, darunter vor allem die Sondersteuerpraxis der Kantone für Holding-, Domizil- und gemischte Gesellschaften. Es handelt sich um Unternehmen, welche de facto im Ausland tätig sind und in der Schweiz nur ihre Verwaltung oder ihr Steuerdomizil haben. Um ein Abwandern von bisher mit Sonderstatus besteuerten Unternehmen zu verhindern – diese Firmen beschäftigen zirka 150‘000 Personen –, will die Mehrheit der Kantone die Gewinnsteuern für Unternehmen generell herabsetzen.
Eine allzu grosszügige Reform?
Doch die Sozialdemokratische Partei (SP) hat das Referendum ergriffen. Ihrer Meinung nach hat die Mitte-Rechts-Parlamentsmehrheit den Bogen überspannt und die Vorlage ausgenutzt, um den Unternehmen Steuergeschenke zu machen. Gemäss Berechnungen der SP wird die Steuerreform Ausfälle in Höhe von 1,3 Milliarden Franken für den Bund bringen. Mindestens der gleiche Betrag wird laut der SP den Kantonen und Gemeinden in den öffentlichen Kassen fehlen. Die Gegner der Vorlage kritisieren zudem die Einführung neuer steuerlicher Entlastungsmassnahmen, darunter die so genannte «Patent box», Abzugsmöglichkeiten für Forschung und Innovationen sowie die zinsbereinigte Gewinnsteuer.
Die Regierung und die bürgerlichen Parteien weisen die Kritik zurück. Ihrer Meinung nach ist das Massnahmenpaket nötig, um den Wirtschaftsstandort Schweiz im Rahmen des internationalen Steuerwettbewerbs zu stärken. Die Steuererleichterungen und Ausgleichsmassnahmen des Bundes würden es ermöglichen, neue Unternehmungen anzuziehen, das Steuersubstrat zu erhöhen und Arbeitsplätze zu schaffen.
Erleichterte Einbürgerung
Gemäss der SRG SSR-Umfrage zeichnet sich bei der Vorlage über die erleichterte Einbürgerung von Personen der dritten Ausländergeneration ein Ja ab. Die Verfassungsänderung beabsichtigt, bestehende Hürden bei der Einbürgerung von jungen Ausländern, die Nachfahren von Emigranten sind, abzubauen. Bisher müssen sie bei einer Einbürgerung das gleiche Verfahren durchlaufen wie ihre Eltern oder Grosseltern. Eine Ausnahme besteht nur, wenn sie mit einem Schweizer Bürger oder einer Schweizer Bürgerin verheiratet sind.
Die erleichterte Einbürgerung können nur junge Menschen in Anspruch nehmen, welche in der Schweiz geboren wurden, nicht älter als 25 Jahre sind, eine Niederlassungsbewilligung C besitzen und mindestens fünf Jahre die obligatorische Schule in der Schweiz besucht haben. Das Verfahren wird vereinfacht, einen Automatismus gibt es aber auch künftig nicht.
Die erleichterte Einbürgerung der dritten Ausländergeneration wird von der Regierung und fast allen politischen Parteien unterstützt. Sie verweisen darauf, dass für diese jungen Ausländerinnen und Ausländer die Schweiz die Heimat ist, während sie mir ihrem Ursprungsland praktisch keine Verbindung mehr haben. Gegen die Vorlage spricht sich unter dem Motto «Keine weitere Masseneinbürgerung» die rechts-konservative Schweizer Volkspartei (SVP) aus.
Neuer Nationalstrassenfonds
Auch bei der dritten Vorlage, dem Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs-Fonds (NAF), gilt eine Annahme als wahrscheinlich. Dieser Fonds soll den Betrieb, Unterhalt und schrittweisen Ausbau des Nationalstrassennetzes auf eine solide finanzielle Basis stellen. Die Regierung und die Parlamentsmehrheit sind überzeugt, dass der NAF das ideale Instrument darstellt, um Engpässe bei den Nationalstrassen zu beseitigen und Umfahrungsstrassen in den Agglomerationen zu bauen.
Kritik an diesem Programm kommt von den Grünen. Ihrer Meinung nach wird dieser Fonds die bestehenden Verkehrsprobleme, insbesondere in den Agglomerationen, nicht lösen. Die Grünen fordern ökologische Lösungen mit Investitionen in Trams, Busse, Velo- und Fussgängerwege. Die vorgesehenen Investitionen in das Nationalstrassennetz werden gemäss den Grünen einzig zu Mehrverkehr führen. Dabei habe sich das Verkehrsvolumen auf der Strasse seit 1990 schon verdoppelt.
(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)
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