Volksinitiative «1:12» steht auf der Kippe
Die Preiserhöhung der Autobahnvignette auf 100 Franken dürfte angenommen werden. Die Familieninitiative findet eine klare Mehrheit. Gespalten ist das Wahlvolk hingegen bei der Volksinitiative "1:12 – Für gerechte Löhne", wie die erste Umfrage der SRG SSR zeigt.
Laut der ersten Umfrage der SRG SSR liegen Befürworter und Gegner der Volksinitiative «1:12 – Für gerechte Löhne» gleichauf. Gemäss der vom Institut gfs.bern zwischen dem 7. und 12. Oktober durchgeführten Umfrage begrüssen 44 Prozent der Befragten die von den Jungsozialisten lancierte Initiative. Der gleiche Prozentanteil lehnt die Initiative ab. 12 Prozent der Befragten haben sich noch nicht entschieden.
Dieses Kopf-an-Kopf-Rennen dürfte den Abstimmungskampf in Bezug auf die umstrittenste der drei Vorlagen vom 24. November noch anheizen. Einig sind sich Befürworter und Gegner in ihrer Einschätzung, dass bei dieser Vorlage politisch und sozial viel auf dem Spiel steht.
Linke und Gewerkschaften unterstützten die Initiative. Ihrer Meinung nach handelt es sich um ein wichtiges Mittel, um die «untragbar gewordenen» Lohndifferenzen radikal einzudämmen. Die Initiative verlangt, dass in einem Unternehmen der höchste bezahlte Lohn nicht mehr als das Zwölffache des tiefsten betragen darf. Damit will sie die Löhne des obersten Kaders einschränken.
Gemäss den Jungsozialisten verdient heute ein Manager im Mittel 43 Mal mehr als ein durchschnittlicher Mitarbeiter. Diese Lohndiskrepanz sei nicht nur schädlich für den sozialen Zusammenhalt, sondern auch für die Unternehmen selbst. Denn die hohen Saläre und Boni würden auch bezahlt, wenn die Unternehmen in einer Krise steckten.
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Erste Umfrage der SRG SSR
Geringe Erfolgschancen
Gemäss den Gegnern der Vorlage wären die wirtschaftlichen und sozialen Folgen allerdings noch dramatischer, wenn die Initiative vom Volk akzeptiert würde. Auf Grund der neuen Lohnobergrenzen würden Unternehmen die Schweiz verlassen. Die Standort-Attraktivität sei gefährdet. Ausserdem würde die Schweiz als Arbeitsplatz für fähige Manager nicht mehr interessant sein.
Trotz der ersten Umfrageergebnisse scheinen die Chancen auf eine Annahme der Initiative kaum gegeben zu sein. «Fast keine Volksinitiative hat Erfolgsaussichten, wenn sie nicht schon in der ersten Umfrage eine klare Mehrheit hinter sich hat», sagt Claude Longchamp, Leiter des Forschungsinstituts gfs.bern. Zudem zeigt die Geschichte, dass sich die Linke selten durchsetzen konnte, wenn sie gegen die gebündelten Kräfte des bürgerlichen und rechten Lagers zu kämpfen hatte.
Zudem ist damit zu rechnen, dass die bürgerlichen Parteien und die Wirtschaftsverbände in den kommenden Wochen ihren Abstimmungskampf intensivieren werden, um eine Niederlage wie im März dieses Jahres zu vermeiden. Damals hatte das Volk die so genannte Abzocker-Initiative des Schaffhauser Ständerats Thomas Minder angenommen. Allerdings waren die Vorschläge dieser Initiative gegen die hohen Managerlöhne weniger radikal und fussten auf einer liberalen Gesinnung.
Sympathie für Familien
Klarer präsentiert sich die Situation beim Abstimmungsausgang zur «Familieninitiative: Steuerabzüge auch für Eltern, die ihre Kinder selber betreuen». Die Volksinitiative fordert, dass Eltern, die ihre Kinder selber betreuen, den gleich hohen oder einen höheren Steuerabzug geltend machen können wie Eltern, die ihre Kinder gegen Bezahlung durch Drittpersonen betreuen lassen.
Die von der Schweizerischen Volkspartei (SVP) lancierte Initiative findet im Moment eine klare Mehrheit beim Volk. 64 Prozent der Befragten unterstützen die Vorlage, 25 Prozent sind dagegen, 11 Prozent noch unentschlossen. Die Meinungsforscher von gfs.bern weisen allerdings darauf hin, dass die Zustimmung zu Volksinitiativen in den letzten Wochen vor einer Abstimmung in der Regel um 10 bis 15 Prozent zurückgeht.
Den Gegnern der Vorlage ist es bisher kaum gelungen, ihre Argumente bekannt zu machen. Sie lehnen die Initiative ab, weil ihrer Meinung nach insbesondere gut situierte Familien, die von einem einzigen Erwerbseinkommen leben können, davon profitieren würden.
Vorschläge zu Gunsten der Familie finden beim Schweizer Stimmvolk in der Regel Anklang, auch wenn sie sich – wie im Falle der SVP-Initiative – auf das klassische Familienmodell beschränken. Die Erfolgschancen dieser Initiative werden einzig durch die Tatsache getrübt, dass die SVP bei den anderen Parteien über keine Verbündeten verfügt.
Für die vorliegende Umfrage der SRG SSR hat das Institut gfs.bern zwischen dem 7. und 12.Oktober 2013 genau 1215 Personen befragt. Es handelt sich um einen repräsentativen Querschnitt an Wahlberechtigten aus allen Landesteilen und Sprachregionen der Schweiz.
Aus Datenschutzgründen werden von den Behörden die Koordinaten von Auslandschweizern für Umfragen nicht mehr zur Verfügung gestellt. In der vorliegenden SRG-Umfrage ist das Abstimmungsverhalten der Auslandschweizer somit nicht berücksichtigt.
Die Fehlerquote bei dieser Umfrage beträgt +/- 2,9 Prozent.
Meinungen zu Autobahnvignette gemacht
Noch nicht ganz sicher ist auch der Ausgang bei der dritten Abstimmungsvorlage. Mit einer Änderung des Nationalstrassenabgabe-Gesetzes ist vorgesehen, den Preis der Autobahnvignette von 40 auf 100 Franken pro Jahr zu erhöhen. Zudem soll eine Zweimonatsvignette für 40 Franken geschaffen werden, die vor allem für Touristen von Interesse ist.
Gemäss Umfrage sprechen sich 53 Prozent der Befragten für diese Preiserhöhung aus, die von der Regierung und Parlamentsmehrheit entschieden wurde. 41 Prozent wollen ein Nein in die Urne legen. Sechs Prozent haben sich noch nicht entschieden.
«Der Vorsprung der Befürworter ist nicht sehr gross, aber bei dieser Vorlage hat sich die Mehrheit der Bevölkerung schon eindeutig eine Meinung gebildet, wie der geringe Anteil der Unentschiedenen zeigt», analysiert Claude Longchamp. Dies dürfte auch daran liegen, dass dieses Thema weniger komplex erscheint als die anderen beiden Vorlagen.
In der Abstimmungskampagne geht es vor allem um zwei Thesen. Die Befürworter sind der Ansicht, dass die Preiserhöhung nötig sei, um ein gut unterhaltenes und sicheres Strassennetz zu garantieren. Denn die zusätzlichen Erträge sollen in das Nationalstrassennetz fliessen.
Auf Seiten der Gegner stehen die Grünen, die vor einem Ausbau der Nationalstrassen warnen, für einmal Seite an Seite mit Automobilverbänden und der SVP, die gegen neue beziehungsweise zusätzliche Gebühren für Automobilisten kämpfen.
(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)
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