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Rechte Regierungsparteien als Wahlsieger

Die Schweizer Landschaft ist diesen Herbst regelrecht mit Wahlplakaten gepflastert. Keystone

Die Politologen sprechen nicht von einem Rechtsrutsch, sondern lediglich von einer "Entwicklung nach rechts": Die Schweizerische Volkspartei bleibt die wählerstärkste Partei der Schweiz, am meisten zulegen aber kann die Freisinnig-Demokratische Partei. Dies zeigt das letzte Wahlbarometer der SRG SSR knapp zwei Wochen vor den Eidgenössischen Wahlen vom 18. Oktober.

Die einst staatstragende Partei, die Freisinnig-Demokratische Partei (FDP.Die Liberalen), verfügte vor 20 Jahren noch über einen Wähleranteil von 20,2 Prozent. Seither ging es für sie nur in eine Richtung: bergab. 2011 konnte sie nur noch 15,1% der Stimmen holen. Dieser Abwärtstrend dürfte nach den Wahlen Mitte Oktober zu Ende sein: Gemäss der letzten UmfrageExterner Link vor den Wahlen für das Schweizer Parlament kann die Partei ihren Stimmenanteil um 1,6% auf 16,7% erhöhen.

Etwas weniger stark, um 1,3%, wird die Schweizerische Volkspartei (SVP) gegenüber 2011 zulegen. Sie erreicht gemäss Umfrage einen Wähleranteil von 27,9%. Ist dies der aktuellen Flüchtlingskrise zuzuschreiben, zumal sich die Partei erfolgreich als Meinungsführerin im Bereich Asyl positioniert hat? Nicht nur, sagt Claude Longchamp, Studienleiter des Instituts gfs.bern, das die Umfrage im Auftrag der SRG SSR durchführte: «Das langfristige Image dieser Partei, der Hauptgrund, weshalb diese Partei in den letzten 20 Jahren einen phänomenalen Aufstieg gemacht hat – von der viertstärksten zur ersten Partei der Schweiz –, liegt in ihrer anti-europäischen Politik.»

Die Umfrage

Für die 4. Welle des SRG SSR-SSR-Wahlbarometers 2015Externer Link befragte das Institut gfs.bern per Telefon 2011 repräsentativ ausgewählte Wahlberechtigte aus allen Sprachregionen.

Die Umfrage fand zwischen dem 23. und dem 30. September 2015 statt.

Die Fehlerquote liegt bei +/- 2,2%.

Dieses Thema habe Bezüge zu Sozialversicherungen, zur Wirtschaftspolitik, «und selbstredend zur Migrationspolitik». «Aber die grosse übergeordnete Konstante ist, dass sie die am besten erkennbare anti-europäische Partei ist, die immer beschwört, der Bundesrat wolle den EU-Beitritt, und die sich dagegen auch auflehnt.»

Von einem Rechtsrutsch allerdings wollen die Politologen des Instituts nicht reden. Bei weniger als +/-3% Veränderung nennen sie die Veränderung lieber eine «Entwicklung nach rechts».

Stattgefunden hingegen habe ein Rechtsrutsch bei der Personengruppe mit tiefer Schulbildung, wo die Wahlresultate und die aggregierten Umfragen von 2015 eindeutig zeigten, dass diese einen «erheblichen» Wechsel von der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP) zur SVP vorgenommen habe. Longchamp bezeichnet diese Wählerschicht deshalb als «volatil».

Linke schrumpft

Auch auf der linken Seite des politischen Spektrums verzeichnet das Wahlbarometer einen – wenn auch geringeren – Zuwachs, nämlich bei der Sozialdemokratischen Partei (SP). Diese kann sich gegenüber 2011 um 0,5 Prozentpunkte auf 19,2% verbessern und bleibt damit die zweitstärkste Kraft im Parlament.

Hingegen scheint die Grüne Partei – die Meinungsführerin auf dem Gebiet Umwelt – zu spüren bekommen, dass das Thema nicht mehr zu den wichtigsten gehört: Ihr wird ein Verlust von 1,2% prognostiziert, womit sie noch auf einen Wähleranteil von 7,2% kommen würde.

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Mitte muss Federn lassen

Ihren Abstieg weiterführen wird die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP), die gemäss der Umfrage 0,8% verliert und noch auf einen Stimmenanteil von 11,5% kommt. Die Befragung zeigt sogar, dass die klassisch katholisch orientierte Partei erstmals auch bei katholischen Wahlberechtigten nicht mehr an erster Stelle steht. Sie geben vermehrt der SVP ihre Stimme. «Die Rechtstendenz hat die Katholiken erreicht», kommentiert Longchamp.

Auch die beiden anderen Mitteparteien, die noch recht jungen Grünliberalen (GLP, seit den Wahlen 2007 im Parlament) und die Bürgerlich-Demokratische Partei (BDP, seit 2011), müssen Verluste hinnehmen. Der BDP sagt die Umfrage gegenüber den letzten Wahlen 0,8% weniger voraus, womit sie auf 4,6% kommt. Die GLP verliert 0,4% und erreicht damit einen Wähleranteil von 5%.

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Monothematischer Wahlkampf

Die Antworten auf die Frage nach den dringendsten Problemen lassen keinen Zweifel offen: Was die Menschen in der Schweiz mehr als alles andere beschäftigt, ist das Thema Migration, Ausländer, Integration, Asyl und Flüchtlinge. 48 von 100 Befragten geben dies als dringendstes Problem an. Abgeschlagen an zweiter Stelle folgt mit 9% das Thema Europäische Union und Europa, Bilaterale Abkommen. Erstmals nicht mehr unter die Top Fünf schafft es in diesem Wahlbarometer das Thema Umwelt (Klima/Umweltkatastrophen).

«Der Wahlkampf ist praktisch monothematisch», sagt denn auch Martina Mousson, Politikwissenschaftlerin bei gfs.bern. Allerdings werde nicht mehr nur der SVP Kompetenz im Bereich Migration zugesprochen, fügt Longchamp an: «Heute herrscht der Eindruck, das sei ein gesellschaftliches Phänomen, das die Zivilgesellschaft lösen und das man allen Parteien gemeinsam übertragen soll – und nicht nur einer, weder einer rechten noch einer linken Partei.»

Wäre Ende September gewählt worden, wären 49% der Wahlberechtigten an die Urne gegangen. Doch die Mobilisierung der Wählerschaft könnte noch etwas angeregt werden. «Keine einzige Partei mobilisiert ihr Potenzial auch nur annähernd vollständig», kommentiert Longchamp. Immerhin: Die Parteien an den politischen Polen hätten ihr Wahlvolk bisher etwas besser anregen können, an die Urne zu gehen.

swissinfo.ch

Bundesratswahl: Tendenz zu Status quo

Schliesslich befragten die Politologen die Wahlberechtigten auch noch zur künftigen Zusammensetzung der Landesregierung (Bundesrat). Diese wird jeweils im Dezember nach den Wahlen vorgenommen. Allerdings ist für die Wiederwahl oder Neuwahl dieser sieben Personen einzig das Parlament zuständig.

Trotzdem sind die Ergebnisse der Befragung interessant, denn sie zeigen – trotz dem sich ankündigenden Machtzuwachs der SVP –, dass gegenwärtig der Status quo mit 29% die bevorzugte Variante ist. Das bedeutet: 2 FDP, 2 SP, 1 SVP, 1 CVP, 1 BDP.

Dieses Resultat sei «nicht ganz überraschend für die Schweiz: Bei institutionellen Fragen zieht das Stimmvolk den Status quo vor. Und wenn schon eine andere Sitzverteilung, dann soll das voraussichtliche Wahlergebnis berücksichtigt werden», so Longchamp. Er spricht damit die am zweithäufigsten genannte Variante an, die sich 21% der Befragten wünschen: die drei grössten Parteien (SVP, SP, FDP) mit je 2 Sitzen in der Regierung, die CVP mit einem.

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SRG-SSR-Umfrage: Stimmvolk möchte keine Änderung bei der Bundesrats-Zusammensetzung


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