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Wahlen 2023: Weniger Frauen im Schweizer Parlament

Blick in den Nationalrat
Hier werden weniger Frauen während der nächsten Legislatur sitzen: Blick in den Nationalratssaal im Bundeshaus in Bern. © Keystone / Peter Klaunzer

Die eidgenössischen Wahlen vom Sonntag haben ein Parlament hervorgebrachtExterner Link, das nicht nur rechtslastiger und weniger grün ist, sondern auch männlicher. So steht die schweiz im internationalen und historischen vergleich da.

Bei den letzten eidgenössischen Wahlen 2019 stieg der Frauenanteil im 200 Sitze umfassenden Nationalrat um 10 Prozentpunkte auf 42%.

In diesem Jahr sank der Anteil wieder auf 38,5% und 77 Sitze, wie das Bundesamt für Statistik am Montag nach der Wahl des 22. Oktobers mitteilte. Die endgültigen, vollständigen Ergebnisse für den 46-sitzigen Ständerat werden am 19. November erwartet, wenn der mancherorts benötigte zweite Wahlgang durchgeführt ist.

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Am 7. Februar 1971 hatten die Schweizer Männer in einer Volksabstimmung beschlossen, Frauen an der nationalen Politik teilhaben zu lassen. Die eidgenössischen Wahlen vom 31. Oktober 1971 waren die ersten, bei denen Frauen als Bürgerinnen wählen oder kandidieren durften; 11 schafften es in den Nationalrat, was einem Frauenanteil von 5,5% entsprach, und eine Frau nahm einen der 42 Sitze im Ständerat ein. Seither ist die Gleichstellung der Geschlechter in der Schweizer Politik nur langsam vorangekommen.

Auf Bundesebene beendet der diesjährige Rückgang des Frauenanteils einen stetigen Aufwärtstrend der letzten Jahrzehnte. Dass weniger Frauen in den Nationalrat gewählt wurden, lässt sich weitgehend durch die Zusammensetzung der Wahllisten erklären.

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Die siegreiche rechtskonservative Schweizerische Volkspartei SVP ist für diesen Abwärtstrend mitverantwortlich. Sie hatte die wenigsten Kandidatinnen vorgeschlagen (25% auf ihren Listen). Nach den Ergebnissen vom Sonntag besetzen Männer 50 der 62 Sitze der SVP (80%) im Nationalrat, und von den 21 neuen Gesichtern der SVP in Bern sind nur drei Frauen.

Aber auch die Verluste der Grünen (-5 Sitze) und der Grünliberalen (-6 Sitze) waren ausschlaggebend für den Rückgang. Mehrere dieser verlorenen Sitze wurden von Frauen gehalten.

Auch aktuelle Ereignisse haben eine Rolle gespielt, sagte Cloé Jans, Politikwissenschaftlerin am Forschungsinstitut gfs.bern.

«Die Frauenwahl 2019 hatte klar mit der politischen Themenlage zu tun», sagte sie dem Tages-AnzeigerExterner Link. Gleichberechtigung und Feminismus beherrschten in jenem Jahr die Schlagzeilen, dank des Frauenstreiks. In diesem Jahr hingegen dominierten die traditionell männlich konnotierten Themen Wirtschaft, Krieg und Migration, so Jans.

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Alliance FExterner Link, der schweizerische Frauendachverband, betont, dass man die Zahlen in Relation setzen muss. Fortschritt sei nie linear ist und nach einem so starken Anstieg im Jahr 2019 war ein Rückgang zu erwarten gewesen.

«Die Frauen sind ins Parlament gekommen, um zu bleiben. Die Ergebnisse vom Sonntag zeigen, dass die Schweizer Demokratie in Bezug auf die Vertretung der Geschlechter robuster geworden ist. Trotz der Verschiebung von Sitzen zwischen den Parteien ist der Frauenanteil nicht so stark gesunken, wie angesichts der Verschiebung von Stimmen zwischen den Parteien zu erwarten gewesen wäre», sagten Flavia Kleiner und Kathrin Bertschy, Mitinitiatorinnen von «Helvetia ruft!», einer Kampagne für eine stärkere Vertretung von Frauen im Parlament, gegenüber der Zeitung Le TempsExterner Link.

Der Verlust an weiblichen Parlamentarierinnen sei teilweise durch neu gewählte Vertreter der Mitte und der Sozialdemokratischen Partei kompensiert worden, so Kleiner.

Interessant sind die Unterschiede nach Sprachregionen: 42% der gewählten Parlamentarierinnen kommen aus deutschsprachigen Kantonen, 35% aus der französischen Schweiz und 13% aus der italienischen Sprachregion.

Die Kantone Wallis, Jura und Neuenburg «ziehen das Ergebnis für die Romandie nach unten», so Flavia Kleiner. Jura und Wallis haben dieses Jahr keine weiblichen Parlamentarierinnen gewählt. Neuenburg wählte nur eine Frau, in den Ständerat.

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Wie steht die Schweiz heute im internationalen Vergleich da, was die Geschlechterparität im Parlament betrifft?

Da weniger Frauen in die Abgeordnetenkammer gewählt wurden, ist die Schweiz in der Rangliste der Frauen in den nationalen Parlamenten, die jeden Monat von der Interparlamentarischen Union mit Sitz in Genf veröffentlicht wirdExterner Link, aus den Top 30 herausgefallen.

Vor den Wahlen lag die Schweiz auf Platz 24, neben Kap Verde, knapp hinter Nordmazedonien und vor Äthiopien. Das Land war 2019 zunächst auf Platz 15 aufgestiegen, rutschte aber aufgrund des Ausscheidens von weiblichen Parlamentarierinnen während der Legislaturperiode wieder ab.

Mit 38,5% rutscht die Schweiz in der Rangliste nun weiter ab auf Platz 31, hinter Moldawien, aber vor Australien.

Ruanda steht mit einem Frauenanteil von über 61% im Unterhaus weiterhin an der Spitze. Es folgen Kuba (55,7%), Nicaragua (51,7%), Andorra, Mexiko, Neuseeland und die Vereinigten Arabischen Emirate (die alle eine Parität von 50% erreichen).

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