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Erinnerung an die blutige Geburtsstunde des Roten Kreuzes

In diesem Palazzo befindet sich das Museum des Roten Kreuzes. Michele Novaga

Nach der Schlacht von Solferino im Jahr 1859 verbanden Italienerinnen die Verletzungen der französischen und österreichischen Soldaten – obwohl darauf die Todesstrafe stand. Als Henry Dunant das beobachtete, kam ihm die Idee einer Organisation von freiwilligen Helfern. Anlässlich des Weltrotkreuz- und Rothalbmondtages am 8. Mai besuchte swissinfo.ch das Internationale Museum des Roten Kreuzes in Castiglione delle Stiviere.

Genf ist heute die operative und administrative Basis des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK). Doch die Wurzeln und das Herz des Roten Kreuzes befinden sich in einem kleinen Zipfel der Poebene, an der Grenze zwischen den italienischen Provinzen Mantova, Brescia und Verona. Hier – zwischen Castiglione delle Stiviere und Solferino – wurde die Idee des Roten Kreuzes geboren.

In der Stadt Castiglione delle Stiviere gibt es heute ein einzigartiges Museum: das internationale Museum des Roten KreuzesExterner Link. Es wurde bereits 1959 gegründet und voriges Jahr restauriert. Es zeigt die Geschichte des Roten Kreuzes von der Gründung bis zum heutigen Engagement der 98 Millionen Freiwilligen und Mitgliedern des Roten Kreuzes in der ganzen Welt.

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Erfolge und Schwierigkeiten

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die mehr als 150-jährige Geschichte des Roten Kreuzes und des Roten Halbmondes hat im Bereich der Menschenrechte zahlreiche Fortschritte gebracht. Dennoch gab es Ereignisse, bei denen die internationale Gemeinschaft nicht helfen konnte. Ein Blick zurück in Bildern.

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Eine Erinnerung an Solferino

In den auf drei Stockwerken verteilten Ausstellungsräumen finden sich verschiedene Krankenbahren und chirurgische Instrumente, die für die Rettung der Verletzten der berühmten Schlacht von Solferino am 24. Juni 1859 verwendet wurden. Dieses Gefecht zwischen der französisch-sardischen Allianz und dem österreichischen Heer mit mehr als 100’000 Toten und Verletzten gab Henry Dunant den Anstoss zur Gründung seiner internationalen Bewegung von Freiwilligen.

Das Museum zeigt die erste Ausgabe des Buches «Eine Erinnerung an Solferino», das Dunant im Jahr 1862 auf eigene Kosten publiziert hat, sowie einen der drei Friedensnobelpreise, die der Rotkreuzbewegung bisher verliehen wurden.

Der Humanist, Unternehmer und Philanthrop Henry Dunant hat 1901 für die Gründung des Roten Kreuzes den Friedensnobelpreis bekommen.

Das IKRK hat 1917 und 1944 – also jeweils gegen Ende der beiden Weltkriege – sowie 1963 zusammen mit der Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmond-Gesellschaften den Friedensnobelpreis erhalten.

In den Räumen des Erdgeschosses finden sich Objekte aus der Schlacht von Sedan im Jahr 1870. Bei diesem Gefecht des Deutsch-Französischen Krieges haben die beiden Kontrahenten zum ersten Mal die Rolle des Roten Kreuzes anerkannt und den Austausch von Gefangenen akzeptiert. Das Museum zeigt die Bahren, die von Hand geschleppt oder von Pferden gezogen wurden, die ersten Krankenwagen, die mit fliessendem Wasser ausgerüstet waren, und es erklärt den Ursprung des Rotkreuz-Symbols.

Viel Platz wird jedoch auch den aktuellen Konflikten eingeräumt, mit Foto-Ausstellungen oder Dokumenten spezieller Konferenzen, wie jene zum Thema Landminen. Die Besonderheit des Museums sei die Art, wie Ursprung und Entwicklung der humanitären Idee abgebildet würden, sagt der Historiker Giuseppe Barrile.

Der Balkon, auf dem Dunant die Eingebung hatte

Castiglione delle Stiviere zu besuchen, bedeutet auch, einige der wichtigen Momente in Henry Dunants Leben zurückzuverfolgen. Wie die Begegnung mit Napoleon III oder den Aufenthalt im herrlichen Palazzo Bondoni Pastorio. «Er kam bei Tagesanbruch des 25. Juni beim Palazzo an», erzählt die ehrenamtliche Mitarbeiterin Giovanna Bondioli Sgarbi und zeigt uns das Zimmer, in dem Dunant schlief.

«Er kam von Brescia und reiste in einer Kutsche. Der Kutscher, der aus der Gegend stammte, setzte ihn direkt vor den Pforten der adligen Carolina und Luigia Bondoni Pastorio ab. Damals war der Palazzo voll mit Verletzten aus der Schlacht von Solferino.»

Im Museum des Roten Kreuzes in Castiglione delle Stiviere sind viele Bahren ausgestellt. Michele Novaga

Das Zimmer, in dem Dunant schlief, ist ziemlich klein im Vergleich zu anderen im Palazzo. Im Innern hat es einen wunderbaren Kachelofen und, in einer Vitrine, drei Ausgaben des Buches «Erinnerungen an Solferino».

Auf dem Balkon dieses Zimmers ist Dunant die Idee des Roten Kreuzes gekommen. Von hier aus konnte er die Frauen von Castiglione sehen, die den französischen und österreichischen Soldaten zu Hilfe kamen und sie mit dem wertvollsten, das sie besassen, verbanden – den Bettlaken aus der Mitgift – und damit die Todesstrafe riskierten, weil sie dem Feind halfen.

In seinem Tagebuch notierte Dunant, nachdem er das Schlachtfeld überquert habe, sei er «krank vom Anblick der Toten und Verletzten» zurückgekommen. Seinem Beispiel folgen heute Millionen von Freiwilligen in der ganzen Welt, die sich für andere Menschen aufopfern.

«Das ist ein weiteres Beispiel dafür, dass Dunants Kampf auf dem Universalismus und der Überwindung des Konzeptes der Nationalität und der nationalistischen Vorurteile basiert», schliessen der Professor Giulio Busi und seine Frau Silvana Greco, Präsident und Vize-Präsidentin der Stiftung Palazzo Bondoni Pastorio.

Der Weltrotkreuz- und Rothalbmondtag findet am 8. Mai statt, dem Geburtstag Henry Dunants, zu Ehren der 17 Millionen Freiwilligen und 80 Millionen Mitglieder in der ganzen Welt.

Weitere wichtige Daten:

– 24. Juni 1859, Schlacht von Solferino

– 26-29. Oktober 1863, Konferenz in Genf, an der die Gründung nationaler Rotkreuz-Gesellschaften beschlossen wurde;

– 22. August 1864, Schlusstag der ersten diplomatischen Konferenz in Genf, an dem die erste Genfer Konvention unterzeichnet wurde.

Nebst jenem in Castiglione delle Stiviere gibt es in Genf ein weiteres wichtiges Museum über die Rotkreuzbewegung («Das humanitäre Abenteuer»).

(Adaptiert aus dem Italienischen: Sibilla Bondolfi)

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