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Widerwilliges Ja zu den Steuerabkommen

Unterzeichnung des Abkommens mit Deutschland im März 2012: Die beiden Aussenminister Didier Burkhalter (links) und Guido Westerwelle. Keystone

Das Schweizer Parlament hat die Steuerabkommen mit Deutschland, Grossbritannien und Österreich gutgeheissen. Das Ja kam ohne Begeisterung zustande. Nun liegt der Ball bei den Parlamenten der betroffenen Länder. In Deutschland ist der Widerstand gross.

«Einmal mehr muss die Politik eine Lösung für die Banken finden», sagte Nationalrätin Lucrezia Meier-Schatz im Namen der christlich-demokratischen Fraktion und mit Blick auf die unversteuerten Schwarzgelder, die auf Schweizer Banken lagern.»

Der Unmut in der Fraktion» sei gross, so Meier-Schatz, «aber die Vernunft obsiegte». Es gebe keine bessere Alternative. Deshalb werde die CVP zustimmen.

Die CVP und die andern bürgerlichen Mitteparteien fürchten sich vor dem automatischen Informationsaustauch, wie ihn die EU seit langem fordert.

Sie betrachten – wie auch der Bundesrat – die Abgeltungssteuer als Alternative, die den automatischen Informationsaustauch verhindert und für alle Beteiligten Vorteile bringt.

Die Befürworter unter den Linken hingegen sehen in den Abkommen einen ersten Schritt zum automatischen Austausch. Ein Teil der Linken und Grünen lehnen die Abkommen ab. Sie befürworten den automatischen Austausch.

Steuersünder bleiben anonym

Mit den Abkommen bleiben die Steuersünder anonym, die Staaten erhalten dank der Nachsteuerung ohne grossen bürokratischen Aufwand und innert kurzer Frist erkleckliche Summen Geld. Der Finanzplatz Schweiz kann sein Gesicht einigermassen wahren, das Bankgeheiminis wird bewahrt.

Auf bereits in der Schweiz existierende, dem Fiskus nicht deklarierte Konten, werden Steuersätze von 21 bis 41 Prozent erhoben. Am höchsten sind die Sätze im Abkommen mit Deutschland.

Künftige Kapitalerträge sind einer Abgeltungssteuer unterstellt. Der Steuersatz variiert je nach Art der Anlage und Land zwischen 25 und 48%. Auch hier wird das Geld ohne Namensnennung des Kontoinhabers an den Fiskus des jeweiligen Landes überwiesen.

Keine Begeisterung im Parlament

«Der automatische Austausch produziert Papier, die Abgeltungssteuer Steuern», sagte Hansjörg Hassler von der Bürgerlich Demokratischen Partei bei den Beratungen im Nationalrat.

Es sei staatspolitisch problematisch wenn Schweizer Banken für ausländische Staaten Steuern einziehen, notabene ohne jede Entschädigung, sagte der Freisinnige Ständerat Pankraz Freitag. Dennoch stimme er zu, weil «alle realistischen Alternativen noch schlechter sind».

Obschon er nicht begeistert sei, seien die Abkommen «für die Schweiz ein Erfolg», denn sie schafften den Spagat zwischen Steuerehrlichkeit und dem Schutz der Privatsphäre, sagte CVP-Ständerat Pirmin Bischof.

«Ablasshandel für Steuerhinterzieher»

Widerstand – wenn auch aus diametral entgegengesetzten Gründen – kam von einem Teil der Sozialdemokraten, einem Teil der Grünen und der Schweizerischen Volkspartei (SVP).

Die Gegner aus dem links-grünen Lager befürchten, die Abgeltungssteuer könnte den automatischen Datenaustausch auch längerfristig verhindern. Der sozialdemokratische Nationalrat Corrado Pardini bezeichnete die Abgeltungssteuer als «Ablasshandel für Steuerhinterzieher».

Für die linken Befürworter hingegen ist die Abgeltungssteuer zwar «nicht das Gelbe vom Ei», aber ein Zwischenschritt auf dem Weg zum automatischen Informationsaustausch und ein Bekenntnis, «dass Steuerhinterziehung kein Kavaliersdelikt ist», wie sich die sozialdemokratische Ständerätin Anita Fetz ausdrückte.

Entwürdigende Kapitulation

«Diese Verträge sind für einen freien Schweizer unannehmbar und entwürdigend», sagte Nationalrat Christoph Blocher im Namen der SVP und sprach von einer «weiteren Kapitulation in einem sehr durchsichtigen Wirtschaftskrieg». Der Finanzplatz Schweiz werde «massiv geschwächt», so Blocher.

Andere SVP-Exponenten kritisierten die Höhe der Abgeltungssteuer, namentlich im Abkommen mit Deutschland. «Wohlhabende Deutsche werden ihr Geld abziehen», sagte SVP-Nationalrat Caspar Baader.

Zudem bemängelte die SVP die fehlende Gegenseitigkeit, die auch dazu führe, dass deutsche Banken weiterhin Schwarzgeld aus der Schweiz akzeptierten.

Noch nicht unter Dach und Fach

Schliesslich stimmten am Dienstag der Ständerat und am Mittwoch der Nationalrat allen drei Abkommen deutlich zu. Die Mehrheiten kamen jeweils mit den Stimmen der politischen Mitte und jenen eines Teils der Sozialdemokraten und der Grünen zustande.

Offen ist, ob gegen die Abkommen das Referendum ergriffen wird. Wenn das der Fall wäre, würden sie voraussichtlich am 25. November dem Stimmvolk zur Abstimmung vorgelegt werden.

Offen ist auch die Zustimmung der Parlamente in den drei Ländern. Ein Ja Österreichs, das die zu erwartenden Einnahmen bereits ins Budget 2013 einberechnet hat, gilt als relativ sicher. Auch in Grossbritannien stehen die Zeichen auf eine Zustimmung.

In Deutschland kann die Regierung zwar im Bundestag auf eine Mehrheit zählen, nicht aber im Bundesrat, der Länderkammer, wo Links-grün die Mehrheit hat.

Steinbrück bleibt hart

Linke und Grüne Exponenten der Deutschen Politlandschaft haben sich in den vergangenen Monaten widerholt und deutlich gegen das Abkommen ausgesprochen. So widerholte vor wenigen Tagen der ehemalige deutsche Finanzminister Peer Steinbrück seinen Aufruf, das Abkommen zu Fall zu bringen.

“Ich halte es für falsch zuzustimmen, nur um Geld von der Schweiz zu bekommen», sagte Steinbrück: “Das ist etwa so wie die goldene Mohrrübe, die dem Esel vorgehalten wird, um ihn in die richtige Richtung zu leiten. Das Abkommen legitimiert nachträglich Steuerbetrug, wie ich es für inakzeptabel halte.“

Das besonders umstrittene Abkommen mit Deutschland passierte im Nationalrat mit 108 zu 81 Stimmen bei 2 Enthaltungen, jenes mit Grossbritannien mit 109 zu 81 bei einer Enthaltung und jenes mit Österreich mit 138 zu 51 bei 2 Enthaltungen.

Ohne Begeisterung, aber dennoch klar hatte am Tag zuvor auch der Ständerat den drei Steuerabkommen zugestimmt.

Der Entscheid für das Abkommen mit Deutschland fiel mit 31 gegen 5 Stimmen; für den Vertrag mit dem Vereinigten Königreich stimmten 30 Ständeräte, für denjenigen mit Österreich gab es 34 Stimmen.

Ein Rückweisungsantrag der SVP, die den Bundesrat mit Deutschland zu Nachverhandlungen verpflichten wollte, scheiterte im Ständerat mit 4 gegen 32 Stimmen.

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