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Wirbel um Kampfjet-Kauf

(V.l.n.r.) Armeechef André Blattmann, Verteidigungsminister Ueli Maurer und Luftwaffe-Chef Markus Gygax verteidigen in Bern die Gripen-Wahl. Keystone

Der schwedische Kampfjet Gripen, Wunschkandidat der Schweizer Armee für den künftigen Luftraumschutz, sorgt für Turbulenzen. Nachdem geheime Dokumente Schwachpunkte gezeigt hatten, musste sich der Armeeminister erklären. Die Presse ist gespalten.

«Gripen oder gar nichts», «Unehrliche Gripen-Kritiker», «Der Zweifel bleibt», «Heuchler und Heckenschützen», aber auch: «Den Jetkauf vertagen». So und ähnlich betiteln die Schweizer Zeitungen am Mittwoch ihre Kommentare.

Ende November hat der Bundesrat nach jahrelanger Debatte im Parlament den Entscheid gefällt: Er will als Ersatz der Tiger-Kampfflugzeuge den schwedischen Gripen kaufen. Die Konkurrenten Rafale und Eurofighter hatten das Nachsehen.

Mit dem Gripen hat die Landesregierung den preiswertesten Flieger ausgewählt, was im Parlament postwendend zu massiver Kritik führte.

Kürzlich nun gelangten geheime Evaluationsberichte ans Licht, wonach der Gripen bei verschiedenen Tests unter den erwarteten Vorgaben abgeschnitten haben soll. Am Dienstag nun stellte sich Verteidigungsminister Ueli Maurer vor die Presse und brach eine Lanze für den Gripen.

Es sei höchste Zeit gewesen für diesen Auftritt, sind sich die Kommentatoren einig. Maurer habe «den Ernst der Lage erkannt und die gesamte Armeespitze aufgeboten, um ein Bekenntnis zum Gripen abzulegen», schreibt etwa der Tages-Anzeiger.

Der Auftritt habe «Hand und Fuss» gehabt, so die Neue Zürcher Zeitung. «Es gelang dem aus der Defensive operierenden Verteidigungsminister, in der Sache Gegensteuer zu geben.»

Nicht überzeugt zeigte sich die Freiburger La Liberté von Maurers Auftritt: «Es reicht nicht, um den Absturz der 22 Gripen-Kampfjäger abzuwenden.» Der Gripen sei nicht bereit, in der Schweiz zu starten. «Sicherlich nicht, wenn sein politischer Pilot sich derart schwach erweist».

«Welch ein Aufmarsch», kommentiert der Blick. «Bundesrat Ueli Maurer (SVP) trat gestern mit seinen Dreistern-Generälen vor die Medien: Armeechef André Blattmann, Fliegergeneral Markus Gygax und Heerchef Dominique Andrey. Flankiert durch Rüstungschef Ulrich Appenzeller.» Allerdings: «Die Mehrheit der Politiker vermochte Maurer nicht zu überzeugen.»

«Doppelspiel»

«Wenn doch diese Parlamentarier schon im letzten Jahr so kritisch gewesen wären: damals, als sie ohne seriöse Diskussion aus einer Laune heraus den Bundesrat dazu verknurrten, rasch neue Kampfjets zu kaufen», kommentiert Der Bund.

Der Kommentator vermutet: «Viele von denen, die jetzt Sorgenfalten zeigen wegen der angeblich mangelhaften Leistungsfähigkeit des Gripen, wollen ihren Pro-Kampfjet-Entscheid von damals korrigieren, ohne einen Fehler einzuräumen.»

Der Corriere del Ticino ruft die Politiker zu mehr Seriosität auf: «Die Sicherheit ist eine ernsthafte Angelegenheit. Dass man nun den Boden für ein Massaker-Spiel geebnet hat, ist ein Zeichen für einen schwerwiegenden Mangel an Verantwortung.»

Dass sie ihr «Ziel nur teilweise erreicht» hätten, sei Maurer und seinen Generälen selber zuzuschreiben, glaubt die Aargauer Zeitung. «Schuld daran ist ihr Doppelspiel. Einerseits rechtfertigen sie ausführlich und einleuchtend den bundesrätlichen Entscheid für den schwedischen Gripen, andererseits lässt insbesondere Bundesrat Maurer eine grosse Tür für die anderen Anbieter aus Deutschland und Frankreich offen, neue, bessere, günstigere Offerten einzureichen. So lassen sich die Turbulenzen natürlich nicht meistern.»

«Unheilige Allianz»

Für Turbulenzen sorgten aber auch die zahlreichen Störmanöver der Gripen-Gegner aus verschiedenen Lagern, deren Motive aber leicht durchschaubar seien, so die Aargauer Zeitung. «Die Linke will jeden neuen Flieger grundsätzlich abschiessen, Armeefans und Piloten setzen auf den Luxusjet Rafale aus Frankreich und die unterlegenen Anbieter versuchen, jede noch so kleine Chance für ein Comeback zu nutzen.»

Laut Blick stecken hinter dem Wirbel um das Milliardengeschäft «unterlegene Hersteller, mitverdienende Lobbyisten und frustrierte VBS-Mitarbeiter». «Die Bundesanwaltschaft ermittelt wegen der Indiskretionen.»

Die Rüstungslobbyisten und Armeegegner haben sich laut der Neuen Zürcher Zeitung «in der Causa Gripen zu einer unheiligen Allianz formiert». Dies sei möglich geworden, weil Parlamentarier allzu hektisch auf anonyme Papiere und mediale Inszenierungen reagiert hätten. «Zum andern muss sich Bundesrat Maurer vorwerfen lassen, dass er die Anti-Gripen-Allianz zu lange gewähren liess.»

Kein fliegender Ferrari

Maurer habe aber auch plausible Argumente auf seiner Seite, meint Der Bund: «Der Gripen ist das einzige Flugzeug, dass sich die Schweiz im Moment leisten kann. Maurer hat völlig recht: Was für die Schweden genügt, reicht auch für uns.»

Der Gripen sei, könne man Luftwaffenchef Gygax glauben, «keine lahme Ente», so die Neue Zürcher Zeitung. «Das offizielle Prädikat lautet ‹zufriedenstellend›. Wenn die Armee selber zum Schluss kommt, sie brauche keinen fliegenden Ferrari, so ist dagegen wenig einzuwenden.»

Anders sieht es der Tages-Anzeiger: «Technische Vorbehalte, unsichere Perspektiven und das für den Jetkauf nötige Sparprogramm legen einen Schluss nahe: Der Jetkauf muss vertagt werden.»

Die Aargauer Zeitung schliesslich wagt die Prognose: «Die Schweiz kauft den Gripen oder sie lässt das Geschäft ganz bleiben. Nach wie vor ist nämlich umstritten, ob es für ein paar Luftpolizeieinsätze zusätzliche Jets braucht.»

Die wichtigsten Kampfflugzeug-Beschaffungen seit dem Zweiten Weltkrieg:

1938: Wegen der wachsenen Kriegsgefahr kauft die Schweiz von Deutschland Messerschmitt ME 109-Jagdflugzeuge. Sie bilden mit den italienischen Macchi MC202 und französischen Morane-D-3800 das Rückgrat der Schweizer Luftwaffe im Zweiten Weltkrieg.

1948: Als Überbrückung bis zur Einführung von Düsenflugzeugen beschafft die Schweizer Armee 130 amerikanische Mustang P-51

1950: Vor dem Hintergrund des Kalten Krieges beschafft die Schweizer Luftwaffe die ersten Düsenflugzeuge: total 178 britische Vampires. Sie stehen bis 1990 im Einsatz.

1954: Die Schweiz beginnt mit dem Lizenzbau von 226 Venom-Düsenjägern der britischen De Havilland-Werke.

1958: Der Bundesrat beschliesst, in Grossbritannien 130 Jagdbomber des Typs Hawker Hunter zu beschaffen. Er steht bis 1994 im Einsatz.

1964/66: Da die Schweizer Armee mit einer atomaren Bewaffnung liebäugelt, will sie als Abfangjäger und Atomwaffenträger 100 französische Mirage-Flugzeuge beschaffen. Die massiven Kostenüberschreitungen führen zum Mirage-Skandal. Nur 59 Flugzeuge werden in Lizenz gebaut. Die «Dreiecke» fliegen bis 1999.

1972: Der Bundesrat verzichtet wegen des Mirage-Skandals auf die Beschaffung neuer Kampfjets.

1976: 110 amerikanische Leichtjäger des Typs F-5 E Tiger werden für den Raumschutz beschafft, Kostenpunkt: 1,2 Mrd. Franken.

1993: Gegen die Pläne zur Beschaffung neuer Kampfflugzeuge erhebt sich nach Ende des Kalten Krieges Widerstand. Die Volksinitiative der GSoA (Genossenschaft für eine Schweiz ohne Armee) zur Verhinderung des Flugzeug-Kaufs wird an der Urne verworfen. 34 amerikanische Kampfbomber F/A-18 Hornet können für 3,5 Mrd. Franken erworben werden.

27. Juni 2007: Der Bundesrat beschliesst, die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge als Ersatz der Tiger-Kampfflotte anzugehen. Die Pläne stossen auf heftigen Widerstand. Die GSoA lanciert eine neue Volksinitiative. 

25. Aug. 2010: Der Bundesrat verschiebt die Beschaffung bis spätestens 2015. Die GSoA zieht ihre Initiative zurück.

30. Nov, 2011: Der Bundesrat entscheidet sich für den schwedischen Saab Gripen.

12. Feb. 2012: In der Sonntagspresse kommt Kritik an der Vorgehensweise der Evaluation auf. Der Gripen habe sehr schlechte Noten erhalten.

14. Feb. 2012: Ueli Maurer und die Armeespitze verteidigen den Entscheid vor den Medien.

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