Korruption und Geldwäscherei: Schweizer Firmen kommen zu oft straffrei davon
Schweizer Unternehmen sorgen regelmässig für Schlagzeilen wegen ihrer Verwicklung in internationale Korruptions- und Geldwäschereifälle. Allerdings werden nur wenige von ihnen verurteilt. Ein Bericht des Schweizer Ablegers von Transparency International legt den Finger auf die Mängel bei Gesetzgebung und Rechtsprechung.
Die Straflosigkeit von Schweizer Unternehmen müsse ein Ende haben, fordert Transparency International (TI). Die Schweiz hatte 2003 die Unternehmenshaftung eingeführt (Art. 102 des Strafgesetzbuchs). Seitdem kann sich eine Firma strafbar machen, wenn sie nicht alle angemessenen und notwendigen Schritte unternommen hat, um Korruption oder Geldwäscherei zu verhindern. Diese gelten als schwere Straftaten.
Trotz häufiger Verwicklungen von Schweizer Firmen in Skandale in dem Bereich verzeichnet die weltweit führende Nichtregierungs-Organisation zur Korruptionsbekämpfung in 20 Jahren nur gerade acht Verurteilungen.
Einer der jüngsten Fälle ist die Verurteilung von Gunvor 2019. Die Schweizerische Bundesanwaltschaft hatte den in Genf ansässigen Rohstoffkonzern wegen zu einer Geldstrafe von total 94 Millionen Franken verurteilt. Darunter ist eine Busse von vier Millionen Franken aufgrund der Gunvor-Verbindungen zu Korruptionsfällen in der Republik Kongo und in der Elfenbeinküste. 90 Millionen Franken entsprachen der Gesamtheit der aus den fraglichen Fällen erzielten Gewinne.
Studien der Universität St. Gallen aus dem Jahr 2016 sowie der Fachhochschule Chur von 2012 hatten gezeigt, dass rund 20% der im Ausland tätigen Schweizer Unternehmen Probleme im Zusammenhang mit Korruption haben. Die im Vergleich dazu verschwindend kleine Zahl der Verurteilungen zeigt somit laut TI die Schwäche der Schweizer Strafnorm sowie Mängel bei deren Anwendung.
Musterschüler Frankreich
«Im Vergleich zu den Nachbarländern ist die Schweizer Regulierung wenig entwickelt», sagt Martin Hilti, Geschäftsführer von Transparency International Schweiz. Das Gesetz und seine Umsetzung böten zu wenig Anreize, damit Unternehmen sich selbst anzeigen und mit den Gerichtsbehörden kooperieren könnten, so Hilti.
Ohne Kooperation sei es aber schwierig, Beweise zu sammeln, besonders wenn es um grosse Fälle mit internationalen Verstrickungen gehe. «Ohne Selbstanzeige der Unternehmen und der Kollaboration ist es schwierig, ein Unternehmen für seine Handlungen zur Rechenschaft zu ziehen», sagt Hilti.
«Im Vergleich zu den Nachbarländern ist die Schweizer Regulierung wenig entwickelt.»
Martin Hilti, Direktor von Transparency International Schweiz
Der Bericht nennt Frankreich und Grossbritannien als Länder mit guten Praktiken. In Frankreich erlaubt das Gesetz einem beschuldigten Unternehmen, sich einem Prozess zu entziehen, wenn es einen Deal mit der Staatsanwaltschaft unterzeichnet. Dazu muss es aber bestimmte Verpflichtungen erfüllen, darunter die Einhaltung eines Compliance-Programms. Seit seinem Inkrafttreten im Jahr 2016 wurden französische Unternehmen häufig wegen aller Arten von Straftaten verurteilt.
Teufelskreis durchbrechen
Die Schweiz wäre gut beraten, diesem Beispiel zu folgen, so TI. Insbesondere wäre es angebracht, die Möglichkeit der Straffreiheit für Unternehmen vorzusehen, die sich selbst anzeigen.
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Der Gesetzgeber und die Staatsanwaltschaften sollten auch die Mechanismen für den Abschluss von Deals ausserhalb von Gerichtsverfahren besser regeln. «Wenn sie genau wissen, wie die Prozedur abläuft, wie lange sie dauert und was sie erwarten können, haben die Unternehmen ein Interesse daran, das Problem zu lösen. Oft sind sie in einem Teufelskreis der Korruption gefangen», sagt Hilti.
Transparency International weist auch auf andere Unzulänglichkeiten hin. Unter anderem ist die NGO der Meinung, dass die Sanktionen zu wenig abschreckend sind. Die Bussen-Obergrenze von fünf Millionen Franken sollte erhöht werden und im Fall einer Verurteilung sollte es für das Unternehmen einen Eintrag ins Strafregister absetzen.
Darüber hinaus beklagt die NGO die mangelnde Transparenz in der Praxis der Behörden. Sämtliche bisherigen Verurteilungen standen am Ende von Strafverfahren, die hinter verschlossenen Türen stattfanden.
Dieses Verfahren findet in 90% aller Prozesse in der Schweiz Anwendung. Es ermöglicht einen Abschluss mit einfachem Aufwand, da keine Anklage vor einem Gericht erhoben wird. Für TI widerspricht diese Praxis dem Prinzip der Transparenz.
Harziger Reformprozess
Seit ihrem Inkrafttreten ist die Unternehmenshaftung regelmässig auf der Agenda des Parlaments. Allerdings wurden bisher alle parlamentarischen Interventionen, die eine Ausdehnung der Strafnorm forderten, abgelehnt.
Die Bundesanwaltschaft hat im Rahmen der vom Parlament diskutierten Strafrechtsreform ein neues Instrument vorgeschlagen – die «aufgeschobene Anklageerhebung für Unternehmen». Mit dieser aussergerichtlichen Einigung wäre es möglich, die Erhebung einer Anklage für eine bestimmte Zeit auszusetzen.
Gelingt es dem Unternehmen, seine Verpflichtungen der Bundesanwaltschaft innerhalb dieser Frist zu erfüllen, könnte das Verfahren eingestellt werden. Andernfalls würden die Ermittler des Bundes beim Richter Anklage einreichen. Aber die Regierung hat den Vorschlag der eigenen Ermittlungsbehörde für die vorgeschlagene Gesetzesrevision nicht berücksichtigt.
(Übertragung aus dem Französischen: Renat Kuenzi)
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