Vom Auswandern zum Ankommen: Wie Integration im Ausland gelingt
Zwischen Kulturschock und neuen Freundschaften: Expertinnen geben Tipps für eine gelungene Integration und das Knüpfen neuer Kontakte.
Manche zieht der Traumjob ins Ausland, andere suchen das perfekte Klima. Seniorinnen und Senioren entscheiden sich möglicherweise aus finanziellen Gründen, ihren Ruhestand in der Ferne zu verbringen. Jährlich verlassen rund 30’000 Schweizerinnen und Schweizer ihre Heimat. Im Jahr 2023 lebten über 813’000 Menschen mit rot-weissen Pass im Ausland. Unabhängig vom Grund stehen alle vor der Herausforderung, sich in eine neue Kultur zu integrieren.
Weitere hilfreiche Artikel zum Auswandern und Leben im Ausland finden Sie auf unserer Ratgeber-Seite.
Wer kulturelle Unterschiede versteht und sich darauf einlässt, kann schneller Fuss fassen. Diese Schritte können dabei helfen:
1. Integration beginnt vor der Abreise
Rahel Siegenthaler hat selbst 15 Jahre in verschiedenen Ländern gelebt und arbeitet heute als interkulturelle Trainerin und Coach. Sie betont: «Es ist entscheidend, sich vor der Auswanderung über die Geschichte, Werte, Normen und Traditionen der neuen Kultur zu informieren. So lässt sich Interesse an den Bräuchen und dem Alltagsleben zeigen, und man kann schon ein Stück weit mitreden.»
2. Sprache als Schlüssel zur Integration
Ein Sprachkurs vor der Abreise kann Hürden beim Auswandern erheblich abbauen. «Ideal ist ein ausführlicher Kurs, aber selbst einfache Tools wie Online-Plattformen wie Duolingo können hilfreich sein», sagt Claudia Doron, die beruflich Auswander:innen coacht und selbst in Amerika und Israel gelebt hat. Denken Sie zudem an regionale Dialekte und Ausdrücke wie «Äuä» oder «Hitzgi», wie sie auch in der Schweiz bestehen: «Es ist wichtig, auch auf lokale Sprachgewohnheiten am neuen Wohnort zu achten, um besser in die Gemeinschaft integriert zu werden», so Rahel Siegenthaler.
3. Anpassung an die neue Kultur
Im Ausland läuft vieles anders als in der Schweiz. Claudia Doron erklärt: «Die Verwaltung arbeitet oft langsamer, Geschäfte haben andere Öffnungszeiten, und Dienstleistungen laufen nicht immer so reibungslos, wie man es aus der Schweiz gewohnt ist.“ Ein entscheidender Schlüssel zur erfolgreichen Integration liegt darin, die lokalen Gepflogenheiten zu verstehen und sich an den Alltag im Gastland anzupassen.
«Es ist wichtig, nicht alles mit der Schweiz zu vergleichen, sondern die Gegebenheiten des neuen Landes offen anzunehmen.»
Claudia Doron, Auswanderungs-Coach
Kulturspezifische Literatur, ein Kurs oder Coaching vor der Ausreise kann dabei helfen, die Umstellung zu erleichtern und den Einstieg ins neue Leben zu erleichtern.
Schweizer:innen sollten sich auch auf kulturelle Unterschiede im Arbeitsumfeld einstellen. Anthony Adam, Research Project Manager beim Personaldienstleister Page Executive: «Schweizer Berufstätige, vor allem die älteren Generationen, legen oft Wert auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Arbeit und Privatleben und neigen dazu, Arbeit und Privatleben zu trennen. In den USA zum Beispiel, wird mehr Wert auf das Networking nach Feierabend gelegt.» Zudem – es tönt klischeehaft ist aber wahr – nicht überall verfügt man über dasselbe Schweizer Verständnis von Pünktlichkeit.
Besonderheiten in beliebten Auswanderungsländern:
Auswandern nach Deutschland
Schweizerinnen und Schweizer gelten als eher konfliktscheu. Rahel Siegenthaler: «In Deutschland wird viel direkter kommuniziert und auch bei Konflikten wird alles in einem direkten Schlagabtausch angesprochen und ausgehandelt bis es geklärt ist.»
Auswandern in die USA
In den USA sei die Kontaktaufnahme sehr unkompliziert und einfach. Siegenthaler vergleicht es mit einer Pfirsich – aussen ist sie weich und saftig, doch sie hat einen harten Kern. «Man kommt sehr schnell in Kontakt mit Leuten, macht Smalltalk, doch um eine engere Beziehung aufzubauen, braucht es Zeit – der harte Kern».
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4. Die eigene Identität bewahren
Es sei wichtig, die eigenen Traditionen und Werte nicht aus den Augen zu verlieren. Rahel Siegenthaler betont: «Erfolgreiche Integration bedeutet, die eigene Identität und Herkunft zu bewahren und gleichzeitig eine Verbindung zur neuen Kultur aufzubauen. Die Balance zwischen beiden Aspekten ist langfristig entscheidend.»
5. Neue Freundschaften knüpfen
Damit man sich am neuen Ort wohlfühlt, hilft es, neue Freundschaften zu knüpfen. Lokale Angebote wie Integrationsprogramme, Sprachkurse, Beratungsdienste oder kulturelle Veranstaltungen bieten sich an. Rahel Siegenthaler: «Am einfachsten ist es, wenn man Aktivitäten sucht, die man schon im Heimatland gerne gemacht hat.»
Claudia Doron rät, nach den Kursen bewusst Zeit einzuplanen, um gemeinsam einen Kaffee zu trinken, sportliche Aktivitäten zu unternehmen oder einen Ausflug zu organisieren. Solche Momente fördern den Austausch und stärken den sozialen Zusammenhalt.
6. Den Kontakt zu anderen Auswander:innen suchen
Auf der Webseite der Auslandschweizer-OrganisationExterner Link sind Schweizer Communitys in zahlreichen Ländern gelistet, auf Facebook gibt es lokale Gruppen wie «Swiss People Living In The USA»Externer Link, «Schweizer in Deutschland»Externer Link oder «Auslandschweizer»Externer Link. Botschaften und Konsulate vermitteln oft weitere Netzwerke.
Gerade zu Beginn, wenn die lokale Sprache noch schwierig ist, sind Kontakte zu anderen Landesleuten hilfreich. Auswanderungs-Coach Claudia Doron: «Pizza auf Englisch bestellen geht leicht, aber bei medizinischen Anliegen wird es schnell kompliziert.»
Auch ein Blick auf InterNationsExterner Link lohnt sich: Hier werden Informationen zum Leben in zahlreichen Städten der Welt ausgetauscht, Kontakte geknüpft und Ausflüge organisiert.
7. Routine aufbauen
Nach der Ankunft im Ausland kann der Alltag zunächst überwältigend wirken. Um den Übergang zu erleichtern, hilft es, eine klare Struktur zu schaffen – sei es durch Arbeit, Sprachkurse oder Freizeitaktivitäten. Claudia Doron: «Wenn der Umzug mit dem Karriereschritt eines Partners verbunden ist und der andere (noch) nicht arbeitet, lohnt es sich, die Zeit kreativ zu nutzen. Vielleicht ist jetzt der Moment, einen Kochkurs zu machen oder neue Hobbys auszuprobieren, die man in der Schweiz nie erwogen hätte.»
Editiert von Balz Rigendinger
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